Zwei deutsche Korrespondenten und ein freier TV-Journalist bekommen keine Akkreditierung mehr. Sie müssen das Land wohl verlassen. Steckt ein regierungsnaher Funktionär dahinter?

Ankara - Liebes Pressemitglied, Ihr Antrag für die Verlängerung der Pressekarte wurde abgelehnt.“ Mit diesen Worten verweigerte das Presseamt der Türkei drei Korrespondenten die Akkreditierung. Jörg Brase vom ZDF, Thomas Seibert, der für den „Tagesspiegel“ und für unsere Zeitung schreibt, sowie der NDR-Filmemacher Halil Gülbeyaz können dort nicht mehr als Journalisten arbeiten.

 

Der Vorgang wird von den Arbeitgebern der geschassten Reporter und von Journalistenverbänden scharf kritisiert. Auch das Auswärtige Amt protestierte offiziell beim türkischen Botschafter in Berlin. Derzeit warten 17 weitere deutsche und rund 30 andere ausländische Journalisten noch auf ihre Pressekarten, darunter Mitarbeiter des ZDF, der „Süddeutschen Zeitung“, des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ und der britischen BBC. Eine Begründung für die Ablehnungen lieferte die türkische Regierung nicht.

Fatale Folgen für Freiberufler

Der ZDF-Büroleiter Jörg Brase (57) ist ein erfahrener Auslandskorrespondent, der seit 2018 in Istanbul arbeitet. Der freie Journalist Thomas Seibert (55) berichtet seit 22 Jahren aus der Türkei. Da die Aufenthaltserlaubnis an die Pressekarte gebunden ist, müssen beide innerhalb von zehn Tagen ausreisen. Der freie Filmemacher Halil Gülbeyaz (56) produziert seit zwölf Jahren Dokumentationen für den NDR und Arte aus der Türkei. Auch seine Pressekarte wurde bisher stets anstandslos verlängert. Die drei Korrespondenten und ihre Medienhäuser berichteten aber immer wieder kritisch über politische Entwicklungen in der Türkei. Besonders hohe Wellen schlug das satirische Schmähgedicht Jan Böhmermanns im „Neo Magazin Royale“ des ZDF. Im Dezember erregte der Sender mit einem Bericht des Politmagazins „Frontal 21“ über geheime Foltergefängnisse in der Türkei wieder den Zorn der Staatsführung.

Für freiberufliche, auf ein Land spezialisierte Journalisten wie Seibert oder Gülbeyaz kommt der Entzug der Pressekarte einem Berufsverbot gleich. Gülbeyaz hat als ehemaliger türkischer Staatsbürger zwar eine sogenannte Mavi Card, die ihm die Rechte eines türkischen Staatsbürgers garantiert. Aber: „Praktisch wirst du als Medienvertreter ohne die Pressekarte nicht anerkannt“, sagt er. Die Angst vor dem Pressekartenentzug könne zudem zu Selbstzensur und einer weniger kritischen Berichterstattung bei den verbliebenen Kollegen führen, heißt es. „Viele haben schlicht Angst“, sagt ein Reporter.

Akkreditierung als Lotteriespiel

In der Türkei kam es inzwischen zu Streit im Regierungslager. Der aus Köln stammende Präsidentenberater Mustafa Yeneroglu äußerte sein Unverständnis. Die Entscheidung sei „nicht im Interesse der Türkei“, schrieb er in einer Erklärung. Beobachter glauben, dass die Eskalation auf den Chef des Presse- und Informationsamts, Fahrettin Altun, zurückgeht, der sich als Hardliner profilieren wolle. Zuletzt ließ er sechs ausländischen Korrespondenten den Zutritt zu einer Pressekonferenz des türkischen Finanzministers Berat Albayrak mit EU-Vizekommissionspräsident Jyrki Katainen verweigern – ausgerechnet als es um finanzielle EU-Hilfen für die Türkei ging. Altun hat sich bisher nicht zu dem Entzug der Akkreditierungen geäußert. Der 42-jährige, in Aalen geborene Soziologieprofessor war früher für die Erdogan-nahe Denkfabrik SETA tätig und schrieb Kolumnen für die regierungstreue Zeitung „Sabah“. „Er gehört zum inneren Machtzirkel der Türkei“, sagt der stellvertretende Chefredakteur des exiltürkischen Nachrichtenportals „Ahvalnews“, Ilhan Tanir.

Allerdings hat sich die jährliche Presseakkreditierung der Auslandskorrespondenten – früher ein Routinevorgang – bereits seit 2016 zum Lotteriespiel gewandelt. Damals wurde dem „Spiegel“-Korrespondenten Hasnain Kazim die Pressekarte verweigert. Im Jahr darauf traf es den „Stern“-Reporter Rafael Geiger und den Autor dieser Zeilen. Anders als in den aktuellen Fällen erhielten die Betroffenen früher jedoch kein offizielles Ablehnungsschreiben. Die schriftliche Ablehnung eröffnet den deutschen Medienhäusern nun erstmals die Möglichkeit, rechtlich gegen die Ablehnung vorzugehen.