"Das Interessante ist doch hier, sich auszutauschen und Bekannte zu treffen", findet der Stuttgarter Alvar Freude. Vor zwei Jahren hat er den Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur auf der Republica gegründet. Im Gegensatz zu Lobo brauchte der Diplom-Kommunikations-Designer Jahre, bis er ins Fernsehen kam. Er ist halt mehr digital als bohème. Als Sachverständiger sitzt er in der Enquête-Kommission Internet des Bundestages. Das ist mühsame Kleinarbeit, nicht die große Show. Immerhin: Freudes Fachwissen ist gefragt - und er wird gehört, vornehmlich in der Szene.

 

Ein breiteres Publikum erreicht Jürgen Ertelt. Der Sozial- und Medienpädagoge wundert sich selbst über den Andrang bei einem so "sperrigen Thema" wie Medienkompetenz. Dabei schildert er plastisch, wie die Politik in der Sache herumeiert. Ertelt warnt davor, Medienkompetenz als Reparaturbetrieb des Jugendschutzes zu sehen, und amüsiert sich über Versuche von Landesregierungen, einen Internetführerschein einzuführen. "Sollen die Kinder erst das Netzpferdchen machen, bevor sie sich im Netz frei schwimmen können?"

Die Bürger sollen aktiv an der digitalen Welt teilnehmen

Sein Vorschlag: in sozialen Netzwerken müssten Erwachsene und Jugendliche gemeinsam darüber debattieren, wie die digitale Bürgergesellschaft der Zukunft aussehen könnte. Denn: "Facebook ist böse, aber auch brauchbar. Man sollte dort die Themen diskutieren, wo sich alle treffen." Für diese These gibt es viel Applaus. Der Mann ist Jahrgang 1957, aber er hat früher als manch jüngerer Kollege begriffen, wie man die Herausforderungen der digitalen Zeit anpackt, und wie man das auch Zuhörern klug nahebringt, die mit dem Netz wenig zu tun haben. Ertelts Rat: die Bürger müssen befähigt werden, aktiv an der digitalen Gesellschaft teilzunehmen.

Dieser Satz ist in Berlin oft zu hören, ob bei den Debatten über die Umbrüche in der arabischen Welt oder über Datenschutz in Deutschland. Der Blogger Markus Beckedahl will die Aufgabe auf typisch deutsche Weise lösen. Er gründete erstmal einen Verein. Der heißt "Digitale Gesellschaft", ist als Webseite schon online und soll eine öffentliche Plattform für digitale Bürgerrechte sein. Die Idee an sich finden viele gut, auch Alvar Freude: "Wir brauchen eine anständige Online-Bürgerrechtsbewegung, die ähnlich kampagnenfähig wie Greenpeace ist." Dennoch kommen kritische Stimmen aus der Netzgemeinde. Der Medienpädagoge Ertelt vermisst den Bildungsbereich, andere hätten sich mehr Offenheit gewünscht.

Dabei suchen immer mehr Republica-Teilnehmer vor allem eines: Orientierung. Aus dem einstigen "Klassentreffen der Blogger" ist längst eine Veranstaltung für diverse Interessengruppen geworden. "Wir wollen eine Strategie im Bereich soziale Medien entwickeln, deshalb bin ich hier", sagt etwa Daniel Bayer, der als Online-Redakteur beim Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen arbeitet. Öffentlichkeitsarbeit in der Wissenschaft, das sei kein leichtes Unterfangen. Bayer hofft auf Anregungen. "Die Wissenschaft ist ein ziemlich geschlossenes System."

"Eure Sachen lesen immer nur dieselben zwölf Leute."

Was man von einigen Veranstaltungen der Republica ebenso behaupten kann. Sie werden nur von einem kleinen Kreis von Fachleuten besucht. "Jetzt kommen wir wieder keinen Schritt weiter", stöhnt eine Workshop-Teilnehmerin, als zum soundsovielten Male die Argumente zum Jugendmedienschutz ausgetauscht sind. Die breite Öffentlichkeit hat kaum wahrgenommen, dass die Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages 2010 gescheitert ist. Effektiv sind solche selbstreferenziellen Runden kaum, unterhaltsam schon gar nicht.

Sascha Lobo bringt es böse auf den Punkt: "Eure Sachen lesen immer nur dieselben zwölf Leute." Bei ihm ist das Thema egal. Er kann die Massen sogar mit seinen frei erfundenen "Jüngsten Erkenntnissen der Trollforschung" begeistern.

Alle stehen brav Schlange - nur um nebenbei SMS zu tippen

Ein Phänomen bei Lobo: Hunderte verfolgen seinen einstündigen Vortrag aufmerksam, nur wenige tippen dabei in ihre Smartphones, Laptops oder - dieses Jahr oft zu sehen - brandneuen iPads. Sie bleiben bei Lobos Vortrag ausnahmsweise in den Taschen. Dabei ist Multitasking das Markenzeichen der Republica. Irgendwie merkwürdig: Alle stehen brav Schlange, um in eine Veranstaltungen zu gelangen.

Und dann hockt und steht man dicht an dicht in stickigen Räumen, um nebenbei Tweets zu verfolgen und Mails oder SMS zu verschicken. Nur hin und wieder blicken die Multitasker hoch, um sich die Powerpoint-Präsentation des Referenten anzuschauen. Alle beschleicht das Gefühl, eine der sieben Parallelveranstaltungen könnte erkenntnisreicher sein als die andere. Da ist man fast schon beruhigt, wenn "nerdismus" über den Vortrag im Nachbargebäude twittert: "Öööde!" Aber bleibt am Ende überhaupt etwas hängen?

"Sollen Kinder erst das Netzpferdchen machen?"

"Das Interessante ist doch hier, sich auszutauschen und Bekannte zu treffen", findet der Stuttgarter Alvar Freude. Vor zwei Jahren hat er den Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur auf der Republica gegründet. Im Gegensatz zu Lobo brauchte der Diplom-Kommunikations-Designer Jahre, bis er ins Fernsehen kam. Er ist halt mehr digital als bohème. Als Sachverständiger sitzt er in der Enquête-Kommission Internet des Bundestages. Das ist mühsame Kleinarbeit, nicht die große Show. Immerhin: Freudes Fachwissen ist gefragt - und er wird gehört, vornehmlich in der Szene.

Ein breiteres Publikum erreicht Jürgen Ertelt. Der Sozial- und Medienpädagoge wundert sich selbst über den Andrang bei einem so "sperrigen Thema" wie Medienkompetenz. Dabei schildert er plastisch, wie die Politik in der Sache herumeiert. Ertelt warnt davor, Medienkompetenz als Reparaturbetrieb des Jugendschutzes zu sehen, und amüsiert sich über Versuche von Landesregierungen, einen Internetführerschein einzuführen. "Sollen die Kinder erst das Netzpferdchen machen, bevor sie sich im Netz frei schwimmen können?"

Die Bürger sollen aktiv an der digitalen Welt teilnehmen

Sein Vorschlag: in sozialen Netzwerken müssten Erwachsene und Jugendliche gemeinsam darüber debattieren, wie die digitale Bürgergesellschaft der Zukunft aussehen könnte. Denn: "Facebook ist böse, aber auch brauchbar. Man sollte dort die Themen diskutieren, wo sich alle treffen." Für diese These gibt es viel Applaus. Der Mann ist Jahrgang 1957, aber er hat früher als manch jüngerer Kollege begriffen, wie man die Herausforderungen der digitalen Zeit anpackt, und wie man das auch Zuhörern klug nahebringt, die mit dem Netz wenig zu tun haben. Ertelts Rat: die Bürger müssen befähigt werden, aktiv an der digitalen Gesellschaft teilzunehmen.

Dieser Satz ist in Berlin oft zu hören, ob bei den Debatten über die Umbrüche in der arabischen Welt oder über Datenschutz in Deutschland. Der Blogger Markus Beckedahl will die Aufgabe auf typisch deutsche Weise lösen. Er gründete erstmal einen Verein. Der heißt "Digitale Gesellschaft", ist als Webseite schon online und soll eine öffentliche Plattform für digitale Bürgerrechte sein. Die Idee an sich finden viele gut, auch Alvar Freude: "Wir brauchen eine anständige Online-Bürgerrechtsbewegung, die ähnlich kampagnenfähig wie Greenpeace ist." Dennoch kommen kritische Stimmen aus der Netzgemeinde. Der Medienpädagoge Ertelt vermisst den Bildungsbereich, andere hätten sich mehr Offenheit gewünscht.

Aktivisten beklagten, zu spät von dem Vorstoß erfahren zu haben, heißt es. "Da fühlt sich so mancher vor den Kopf gestoßen." Ob zu denen auch Sascha Lobo gehört? Sicher, man brauche eine Organisation und Konzepte für die digitale Gesellschaft, meint der Meister der Selbstvermarktung. Spöttisch fragt er nach, wer in dem Verein mitmische. Dazu muss man wissen: Beckedahl ist mit Netzpolitik.org einer der einflussreichsten Blogger der Republik, auch ein Alphatier in der Szene. Und wenn Lobo die Gemeinde anpöbelt, sie müsse sich besser präsentieren, mag er sich die Show nicht stehlen lassen. Lobo findet, wie immer, eine eigene Pointe: "Wir brauchen eine Offensive. Aber ich möchte nicht zusammen mit Euch Wir sein."