In Berlin beginnt am Montag die Internetkonferenz Republica. Mit dem Digitalen verbinden viele Deutsche inzwischen ein Unbehagen. Das liegt auch an weitgehender Ahnungslosigkeit, kommentiert Erik Raidt – und fordert eine Aufklärung 2.0.

Berlin - Was das Internet jenseits von Datingportalen mit Liebe zu tun hat? In Berlin versuchen die Veranstalter der Internetkonferenz Republica vom nächsten Montag an, darauf eine Antwort zu geben. Über der Republica steht das Motto: „Love out loud“ – wir schreiben das Jahr 2017, und ein halbes Jahrhundert nach Peace, Love and Happiness wollen die Hippies 2.0 eine Botschaft der Liebe in die Welt senden. Das Motto könnte auf den ersten Blick kaum passender sein. Internetland ist abgebrannt. Die Gesellschaft ekelt sich vor Gewalttaten, die live ins Netz gestellt werden. Sie weiß nicht, wie sie den Hassbotschaften auf Facebook begegnen soll. Das Netz, das einen sollte, scheint die gesellschaftlichen Fliehkräfte zu stärken.

 

Wo „digital“ drauf steht, steckt heute oft der Zweifel drin. Das gilt nicht nur für die sozialen Medien. War da mal eine Hoffnung, dass die Zukunft in einer immer stärker digitalisierten Welt eine bessere sein müsste? Mit intelligenten Helfern, die den Alltag erleichtern: mit Autos, die selbst fahren, Apps, die einem den schnellsten Weg zur nächsten Apotheke weisen, eine Kurzanalyse zur eigenen Gesundheit liefern, die günstigsten Preise verraten. Die digitale Welt schien ein Versprechen auf eine bessere zu sein.

Viele Jobs könnten wegfallen

Auch dank Künstlicher Intelligenz (KI). Mit ihrer Hilfe funktionieren schon heute Spracherkennungsprogramme, Bilderkennungsprogramme helfen der Polizei, Verbrecher zu identifizieren. In der Medizin erkennt Software auf Computertomografien Tumore oft schon besser als menschliche Ärzte. Aber auch hier hat sich der Ton der Debatte verändert: Künstliche Intelligenz versetzt immer mehr Maschinen in die Lage, menschliche Arbeit zu übernehmen. Viele Jobs könnten wegfallen, gleichzeitig entstehen neue. Was passiert mit jenen überflüssig gewordenen Arbeitskräften, die längst nicht nur aus gering Qualifizierten bestehen werden? Was bedeutet es für das Selbstverständnis von Ärzten, wenn Software genauere Analysen liefert? Was kommt auf Nutzer von Facebook zu, wenn uns die Plattform dank immer ausgefeilterer KI noch besser kennen wird?

Die Antworten kommen vorwiegend aus dem Silicon Valley

Auf viele dieser grundlegenden Fragen gibt es noch keine überzeugenden Antworten. Das ist ein Problem. Denn wie jede Revolution – und die digitale Durchdringung unseres Alltags ist eine Revolution – trägt dieser Umbruch auch Ängste in die Gesellschaft. Das Tempo der Veränderung verunsichert. Es kommt entscheidend darauf an, wer sich dazu aufgefordert fühlt, Antworten auf diese offenen Fragen zu geben. Bisher kommt ein Großteil der Antworten aus dem Silicon Valley. Aber in Kalifornien geht es naturgemäß darum, die digitale Zukunft zu vergolden. Und nicht darum, darüber nachzudenken, was dieser Wandel für die Gesellschaft bedeutet.

Die Politik muss digitale Themen noch stärker als bisher auf die Agenda setzen. Es wäre falsch, zu sagen, dass sie blind für diese Themen ist: Anfang des Jahres hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf zum automatisierten Fahren vorgelegt – und damit einen rechtlichen Rahmen gesetzt. Und doch: jenseits von wirtschaftsnahen Themen wie auch dem Maschinenbau 4.0 fremdelt die Politik mit der Digitalisierung. Umso wichtiger ist es, dass zivilgesellschaftliche Akteure bei der Debatte vorangehen und sich vernetzen. Deshalb sind Veranstaltungen wie die Republica in Berlin so wichtig. Sie sind Treffpunkte in der realen Welt, wo das Digitale im wahrsten Wortsinn begreifbar wird.

Mehr Liebe kann dabei nicht schaden, um der Verrohung des Umgangstons in den sozialen Medien entgegenzutreten. Viel wichtiger wäre jedoch, die Debatte über die Digitalisierung in die Mitte der Gesellschaft zu tragen. Risiken besser einschätzen zu lernen, Grenzen zu definieren, aber auch: die enormen Chancen zu begreifen. Gegen Angst hilft dabei nur Aufklärung.