Die „Digitale Gesellschaft“ könnte die Plattform für die sein, die genug davon haben, was alles mit ihren Daten und Rechten gemacht wird.

Stuttgart - Die Internetgemeinde gibt es bekanntlich nicht. Auf Social Media-Plattformen wie Facebook reproduzieren sich Kreise Gleichgesinnter, Twitter ist ein anregendes, manchmal nützliches, manchmal enervierendes Stimmengewirr, beides ist schön und schrecklich, jedenfalls spannend und nicht selten sinnlos, beides taugt vielleicht zu Kampagnen für oder gegen Einzelgegenstände.

 

Demokratische, vor allem demokratisch wirksame Kommunikation kann aber nicht recht statthaben, wo es keine Einigung auf einen gemeinsamen Rahmen gibt, wo Debatten in „Kommentar“-Korsetten stattfinden oder sich auf Funktionen wie Retweet oder Answer beschränken müssen, wo ernsthafte Einwände und ironische Emiticons gleichwertig nebeneinander stehen und eine Einigung auf was auch immer ja auch gar nicht der Zweck der Übung ist.

Fünfte Re:publica - Die "digitale Gesellschaft" wird vorgestellt

Ein Forum, in dem die vielen Einzelnen, die das Internet nutzen und bewohnen, ihre Interessen mit den vielen anderen diskutieren, austarieren und schließlich in gemeinsame Verabredungen gießen können, hat bisher im Netz gefehlt, jedenfalls in dem Teil, der deutsch spricht und deutscher/österreichischer/Schweizer Gesetzgebung und Rechtsprechung unterliegt.

Das ist seit dem 12. April 2011 anders. Auf der fünften re:publica hat Markus Beckedahl die „Digitale Gesellschaft“ vorgestellt, die diese Lücke schließen soll. Der Zweck ist die „Aufklärung über geplante politische Vorhaben und das Eintreten für digitale Bürgerrechte“. Man kann diesem Unternehmen nur alles Gute wünschen, denn es ist bitter nötig.

Auf der digitalen wie der analogen Spur bleiben

Du freust dich über dein neues Smartphone, dein frisch ergattertes iPad und all die enorm praktischen Anwendungen? Noch mehr freuen sich die Innenminister und die Marketing-Abteilungen aller Länder; die einen, weil sie dir damit pausenlos auf der digitalen wie der analogen Spur bleiben, die anderen, weil sie dein Informations- und Kommunikationsbedürfnis nutzen können, um ihre Produkte ganz gezielt zu bewerben.

Die dritten, die dich vor diesem ausbeuterischen Umgang mit deinen Daten beschützen wollen, bevormunden dich. Und die vierten werfen sich lachend in die Arme der Postprivacy und nehmen dich gleich mit, ob du willst oder nicht. Die „Digitale Gesellschaft“ könnte zu dem Forum werden, auf dem wir klären, wie viel Freiheit wir aushalten und was wir mit unseren Freiheiten anfangen wollen. Wo wir unsere digitalen Körper nicht wiederfinden wollen.

Die "digitale Gesellschaft" als Plattform

Ob geistige Arbeit in Zeiten, da es keine Grenze mehr zwischen digitaler und analoger Welt gibt, wieder zur Beschäftigung hungernder Genies werden muss, die auf die milden Gaben von Mäzenen, Werbepartnern oder Spendern angewiesen sind. Die „Digitale Gesellschaft“ könnte die Plattform sein, wo diejenigen sich zusammenfinden, die genug davon haben, bei all dem, was mit ihren Daten, ihren Rechten, ihrem Wissen und ihren Bedürnissen gemacht wird, nur zuzuschauen.

Update: Soeben haben die verschiedenen Verbände und Interessenvertreter der Kreativwirtschaft als "Deutsche Content Allianz" erklärt, wie sie am liebsten den Kuchen verteilen würden. Beckedahl ist skeptisch. Mit Recht. Auch an diesem Vorgang wird deutlich, wie nötig es ist, über die Rechte von Urhebern und Nutzern zu reden. Und nicht bloß wieder über die von Verwertern.

Mehr Beiträge von Julia Schröder aka @Kulturpflanze auf ihrem Blog.