Reservisten der Bundeswehr beweisen in Waldenbuch im militärischen Wettkampf ihr Können im fiktiven Auslandseinsatz. Die Übungsstationen wirken realistisch, und auf die Teilnehmer wartet manch unangenehme Überraschung.

Waldenbuch - Manuel Krauss versteckt sich hinter dem Haus an der Jungviehweide in Waldenbuch und wartet. In seiner Hand hat er einen Bolzenschneider, mit dem er versuchen wird, in das Haus einzubrechen. Doch er wartet noch auf Publikum. Gleich, so hat man ihm gesagt, kommen Soldaten vorbei. Und erst wenn die da sind, klappert Krauss mit dem Bolzenschneider an dem Vorhängeschloss.

 

Dabei ist Manuel Krauss gar kein Einbrecher, sondern Soldat beim Landeskommando der Bundeswehr. Er spielt diese Rolle am Samstag um 8.20 Uhr nur. Denn er ist Statist des Reservistenwettkampfs, den die Kreisgruppe Mittlerer Neckar im Verband der Deutschen Bundeswehr gemeinsam mit dem Landeskommando der Bundeswehr ausrichten. Dabei treten elf Gruppen mit je fünf Soldaten an.

Krauss ist in dem Szenario nicht in Waldenbuch, sondern in Albland. Das ist ein fiktives vom Bürgerkrieg geschundenes Land, das an Republiken des früheren Jugoslawiens erinnert. In Albland gibt es einen ethnischen Konflikt und die Bundeswehr sichert dort bevorstehende Wahlen.

„Was machen Sie da?“, fragt Bastian Essers aus Plieningen. Er leitet an diesem Tag die Gruppe der Reservistenkameradschaft Filder mit vier Kameraden zwischen 22 und 61 Jahren. Der Einbrecher tut harmlos: „Ich gehe spazieren.“ Beim Abtasten finden sie keine Waffe. Dabei hat er eine dabei.

Waffe wird bei der Durchsuchung übersehen

Für Essers und seine Kollegen ist es schwierig, dass der Verdächtige nicht kooperiert. „Bereiten Sie uns keine Schwierigkeiten“, warnt Essers. Der Einbrecher treibt es auf die Spitze: „Ich habe keinen Bock. Ich gehe gleich heim.“ Essers will ihn aber der Polizei übergeben.

Bernhard Kempf steht etwas abseits. Der Oberstleutnant der Reserve leitet den Wettkampf und schaut zu. Als die Gruppe weitergegangen ist, kommentiert er das Gesehene: „Sie haben die illegale Schusswaffe nicht gefunden. Außerdem hätten sie ihn vorläufig festnehmen müssen.“ Sie haben ihn ja bei einer Straftat erwischt. „Ich bin nicht glücklich“, sagt Kempf. Doch es kommt noch besser.

Im Gewerbegebiet Bonholz warten zwei echte Polizisten vom Revier Filder. Die fünf Soldaten sollen ihnen den Einbrecher übergeben. Doch der hat andere Pläne. In Sichtweite der Polizisten türmt er, wird aber wieder gestellt. Während der Übergabe kommt Bernd Winkler auf Essers und die Polizisten zu. Er trägt eine Weste mit der Aufschrift Presse und will Essers Fragen stellen. Der herrscht ihn an: „Sie stören. Wir haben zu arbeiten.“ Winkler will nun die Soldaten fotografieren. „Wenn Sie Fotos machen, ist die Kamera gleich weg“, droht der Gruppenchef.

Teilnehmer gehen unvorbereitet in die Situation

Bernhard Kempf sagt, was an der Station besonders ist: „Wir haben dafür nicht ausgebildet. Sie gehen völlig unvorbereitet in die Situation.“ Er hätte sich eine andere Reaktion gewünscht: „Man muss den Pressevertretern offen entgegentreten und ihnen erklären, was sie machen.“ Essers verweist auf die Pressestelle. Winkler, der als Pressefeldwebel des Bundeswehr-Landeskommandos arbeitet, ist nicht zufrieden: „Nichts zu sagen und nicht mal den Namen zu verraten, geht nicht.“

Ein Polizist, der anonym bleiben möchte, gibt der Gruppe eine Rückmeldung. „Er hat eine Waffe dabei, die ihr nicht gefunden habt. Darum können wir die Übergabe der Waffe und den Ladezustand nicht bewerten.“ Essers ist überrascht. Dabei hat er ihn doch durchsucht. Der Polizist sagt: „Bei uns gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder ist jemand ganz durchsucht oder gar nicht.“

Bernhard Kempf veranstaltet den Wettbewerb, damit die Reservisten einen Einblick in die moderne Bundeswehr bekommen: „Sie lernen, welche Herausforderungen die Soldaten etwa in Afrika und Afghanistan zu bewältigen haben.“

Eine Mine explodiert, ein Toter und ein Verletzter

Bastian Essers ist nicht zufrieden. „Wir haben wohl alle Stationen verhauen. Es wäre perfekt, wenn wir morgen noch einen Durchgang machen könnten.“ Was Essers, der nun im Haus des Musikvereins sitzt, nicht weiß: Der Wettkampf ist noch nicht beendet. Auch wenn ihnen das gesagt wurde. Denn dem Szenario nach gibt es im Wald bei einer Minenexplosion einen Toten und einen Schwerverletzten. An der Station wartet Heinz Hertler von der Reservistenkameradschaft Filder. Er ist Sanitäter und war für die Bundeswehr in Afghanistan. „Es kommt nicht so selten vor, dass jemand in eine Sprengfalle tritt“, sagt er.

Als die Soldaten um die Ecke biegen, kommt ihnen Rainer Reitz entgegen. „Ich hör nichts mehr. Mein Kamerad. Helft meinem Kameraden“, ruft er immer wieder. Doch der Kamerad ist tot. Die Mine hat ihm den Kopf abgerissen. Ein Stück weiter im Wald liegt eine Puppe in Uniform. „Er ist nicht mehr zu retten“, sagt Essers. Seine Kameraden kümmern sich um Reitz, der als Schwerverletzter präpariert wurde. Als sie fertig sind, sagt Hertler: „Es wäre wichtig gewesen, dass ihr den toten Kameraden abgedeckt hättet. Diesen Dienst hättet ihr ihm noch erweisen müssen.“ Außerdem hätten sie so anderen den Anblick erspart.