Manche mögen’s groß: Palettenweise kommen XXL-Flaschen aus dem Piemont nach Stuttgart. Um diese und um Parallelen von Karatesport und Weingenuss geht’s bei einem unterhaltsamen Abend im Roberts.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Ermanno Accornero führt sein kleines, aber feines Familienweingut in der fünften Generation und zählt heute zu den Spitzenwinzern im Piemont. Wert legt der Italiener auf einen streng biologischen Anbau seiner Reben ohne Verwendung von Herbiziden und Kunstdüngern. Bei seinen Weinen ist ihm Qualität wichtiger als Quantität – die Verkaufsmengen sind vergleichsweise gering.

 

Gewundert hat sich Accornero über ungewöhnliche Bestellungen aus Stuttgart: Mario Kera, der Chef des Roberts im Stuttgarter Literaturhaus, orderte gleich 30 Barbera-Flaschen. Nicht in der üblichen Größe, sondern im Sonderformat Balthasar, wie die Zwölf-Liter-Schwergewichte genannt werden. Der Winzer beschloss daraufhin, sich das Restaurant mal anzuschauen und sich dort persönlich zu bedanken.

Zu zweit werden die Zwölf-Liter-Flaschen ausgeschenkt

Mit seiner Tochter Guilia Accornero reiste der Big-Bottles-Lieferant vom Fuß der Alpen nach Stuttgart. Sein Freund Pino Sassano, der frühere Karate-Weltmeister und heutige Weinhändler bei Fischer & Trezza, nutzte die Gelegenheit, um etwa 40 Stammgästen vom Roberts einen äußerst unterhaltsamen Abend der Genüsse und Späße zu bereiten.

Zwei Hände reichen nicht, um Wein aus Zwölf-Liter-Flaschen einzuschenken. denn die Flaschen mit dem schweren Glas wiegen mehr als 30 Kilogramm. Im Roberts erledigen diese Aufgabe zwei Kellner gemeinsam. Die Verkostung ist also auch großes Kino. Je größer die Flasche, desto weniger Sauerstoff befindet sich zwischen Korken und Wein, zumindest proportional betrachtet. Die Folge ist, dass der Wein langsamer in XXL-Flaschen reift. Dies macht ihn interessant für Sammler von hochwertigen Tropfen.

Die Magnumflasche mit einem Inhalt von anderthalb Litern ist der Klassiker unter den Großformaten – aber da geht noch mehr, wie das Roberts beweist.

Die Balthasar-Formate im Roberts sind mit Extra-Etiketten versehen, auf denen die Namen der Stammgäste stehen, die sich jeweils um ein Exemplar kümmern – bei wiederholten Besuchen. Sobald die Flasche leer getrunken ist, bleibt sie nicht lange im Restaurant. Die Gäste sind scharf darauf, diese besondere Flasche mit nach Hause zu nehmen.

Pino Sassano war früher Karate-Weltmeister, ist heute ein Weinhändler und Entertainer. Foto: Lichtgut //Ferdinando Iannone

Pino Sassano, ein begnadeter Entertainer, spricht bei der Weinprobe, die um ein exzellentes Vier-Gänge-Menü von Roberts-Koch Stefano Arrighi erweitert ist, unter anderem darüber, was Karatesport und Weinhandel gemeinsam haben – in beiden „Disziplinen“ kennt er sich gut aus. Der 57-Jährige, der aus Schwäbisch-Gmünd kommt, wurde 2015 Deutscher Meister, Europameister und Weltmeister in Karate bei der World Kickboxing and Karate Union (WKU). Danach arbeitete er als Bundestrainer.

Old School versus New School

„Sowohl beim Karate-Sport als auch beim Wein gibt es Old School und New School“, sagt Sassano, „die Traditionalisten stemmen sich da wie dort gegen die Weiterentwicklung.“ Er selbst zählt sich zu denen, die Fortschritte erzielen wollen. Vom unbehandelten Naturwein zum Beispiel hält er gar nichts. An dem Abend macht der Weinhändler von Fischer & Trezza außerdem klar, dass man Rotwein niemals über 15 Grad servieren sollte. Mit dieser Temperatur entfalte er am besten seine Aromen. Etwas wärmer werde er dann von allein.

Am Ende bittet er die Gäste zur Blindverkostung. Der eingeschenkte Rotwein, der in den Gläsern deutlich heller ist als der Barbera, soll erraten werden. Die hellrote Farbe überrascht, es ist schwer, auf die Sorte zu kommen. Am Gaumen ist er atemberaubend voll und samtig. Bei dem Wein mit großer Klasse handelt es sich um einen Grignolino Riserva von 2018 – für viele Piemontkenner ist er ein Geheimtipp.