Wenn jede Stunde eine Geschichte erzählt, hat der Tag 24 Geschichten. Eben diese erzählen wir in einer Serie. Von 20 bis 21 Uhr schauen wir in eine Restaurantküche in Degerloch, während die Gäste draußen warten.

Degerloch - Es zischt, dann züngeln Flamme aus der Wokpfanne. Einen Augenblick später ist das Spektakel wieder vorbei. Jetzt brutzelt der Inhalt der Pfanne friedlich vor sich hin. Philipp Wawryk flambiert gerade Gemüse. Er hat an diesem Abend zumindest nominell die Chefkochmütze auf in der Küche des Restaurants Pier 51 an der Löffelstraße.

 

Eine Kopfbedeckung trägt der leitende Koch aber nicht. Die würde ihm vielleicht auch bald vom Haupt fliegen. Warwyk ist ständig in Bewegung und wirbelt um die eigene Achse. Der gelenkige Mann greift nach Töpfen und Pfannen die hinter ihm im Regal stehen wie ein Blinder, der sich in seinem eigenen Terrain allein auf seinen Tastsinn verlassen kann. Eine Handvoll frisches Gemüse wandert in eine Pfanne, im Risotto wird gerührt, und die Pommes Frites werden kross frittiert. Philipp Wawryk kümmert sich um die Beilagen. Ihm gegenüber schneidet und brät Bastian Bayer, Auszubildender im zweiten Jahr, Fleisch und Fisch.

Der Monitor ist eine Neuerung

Der Dritte im Bunde, Tim Steidel, Auszubildender im dritten Jahr, richtet seinen Blick auf einen Monitor. Steidel beaufsichtigt den sogenannten „Kitchen Controller“. Der Monitor in der Küche ist eine Neuerung im Pier 51. Er soll gerade abends die Arbeit erleichtern, indem er anzeigt, wann welche Gerichte an welchen Tisch geliefert werden sollen.

Die Zeit zwischen 20 und 21 Uhr ist für die Mitarbeiter des Degerlocher Restaurants nicht die blaue, sondern eher die rote , also schweißtreibende Stunde. Die meisten Bestellungen sind eingegangen. Nach den Vorspeisen müssen die Hauptgänge zubereitet werden. Und mit dem Essen kommt natürlich der Durst. Die Mitarbeiter an der Bar zapfen fast ohne Pause Bier und holen Wein aus einem besonderen Kühlschrank. Er ist auf die perfekte Trinktemperatur für Weiß- und Rotweine eingestellt.

Das Servicepersonal läuft derweil zwischen Küche und Bar und den Tischen hin und her. Joscha Krammer holt zum Beispiel gerade zwei Burger ab. Er scherzt, dass er seinen Sport abends bei seiner Arbeit im Pier 51 erledigt. „Ein Kollege hatte mal einen Schrittmesser dabei. Da kam heraus, dass er an dem Abend zwölf Kilometer gelaufen ist“, sagt Krammer.Er verbrennt also Kalorien, weil andere sie sich mit Genuss zuführen wollen.

Die Kalorien können dabei auch flüssig sein. Hinter der Bar zapfen Selina Dreher und Erwin Stelli Bier oder holen den gekühlten Wein aus dem speziellen Kühlschrank. Cocktails werden zum Essen eher selten getrunken. Der eine oder andere hat vielleicht einen Aperitif geordert, um sich dann etwas beschwingt mit der Speisekarte zu befassen. Anschließend gelüstet es die Gäste vor allem nach Wein, Bier oder Nicht-Alkoholischem. „Am Wochenende werden mehr Cocktails getrunken als unter der Woche“, sagt Selina Dreher.

Ein Drink an der Bar ist um die Zeit selten

In der Zeit von 20 bis 21 Uhr ist sie vor allem Dienstleisterin für die Servicekräfte, die dann die Getränke an die Tische bringen. Dass sich jemand an die Bar setzt, um in Ruhe seinen Drink zu genießen, komme zu dieser Zeit eher selten vor, sagt sie. Ist das Bierzapfen und Weinausschenken nicht etwas eintönig, wenn der Shaker, Säfte und erlesene Spirituosen in Griffweite sind, um ausgefallene Drinks zu mixen? Aber Selina Dreher und Erwin Stelli sind wohl gerade schlichtweg beschäftigt genug, um irgendetwas langweilig zu finden.

Wie in der Küche herrscht auch hinter der Bar ein geschäftiges, aber familiäres Treiben. Der Eindruck ist, dass sich die Mitarbeiter am liebsten abklatschen würden, wenn sie gut vorankommen. Doch das ließe natürlich die Etikette nicht zu. Also gibt es einen Scherz und ein Lachen hier und da, wenn die hohe Konzentration auf die eigene Aufgabe es denn zulässt.

Ein Stockwerk tiefer poliert Selim Ögretmen Gläser in der Spülküche. Noch hat er Zeit dafür, weil das meiste Geschirr und Besteck noch im Gebrauch ist. Für ihn ist die Zeit zwischen 20 und 21 Uhr noch mal die letzte Gelegenheit zum Durchschnaufen. Zwischen 22 und 22.30 Uhr käme dann das Geschirr in Massen, erzählt Ögretmen. „Jetzt bin ich noch entspannt“, sagt er.

Bei den Kollegen in der Küche und an der Bar ist es umgekehrt. Je weiter der Zeiger auf der Uhr voranschreitet, desto mehr verliert sich die Anspannung. Um kurz vor 21 Uhr brutzelt und zischt es nur noch in einer einsamen Pfanne. „Jetzt gehen wir bald ans Aufräumen“, sagt Philipp Wawryk. Und dann ist auch endlich für ihn und seine Kollegen der Feierabend in Sicht.

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