So wirklich hat kein Stuttgarter Wirt mit Lockerungen in naher Zukunft gerechnet, aber auf ein Zeichen haben viele gehofft. Dass die Gastronomie zumindest ein Thema ist bei den Gesprächen. Aber da wurden sie gewaltig enttäuscht!

Stuttgart - Große Erwartungen an die Beschlüsse der Bund-Länder-Konferenz zum Lockdown hatte in der Gastronomie ohnehin niemand. „Aber dass es überhaupt keine Öffnungsperspektiven gibt, ist noch mal ein deutlicher Dämpfer“, sagt Michael Wilhelmer, Volksfestwirt und Chef mehrerer Gastrobetriebe. Bei Daniel Ohl, Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands Baden-Württemberg (Dehoga), liefen einmal mehr „frustrierte und fassungslose“ Rückmeldungen ein. „Es war nicht damit zu rechnen, dass ein konkretes Datum genannt wird, aber dass so wenig kommt, ist extrem enttäuschend“, sagt Ohl.

 

Das „Sonderopfer“ als Dauereinrichtung?

Friseure dürfen ab 1. März wieder arbeiten, für den Einzelhandel gibt es vielleicht nach dem 7. März eine Perspektive, von Gastronomie und Kulturbetrieb aber ist nicht die Rede. Daniel Ohl betont, dass Restaurants und Kneipen seit dem 2. November „als Sonderopfer“, wie es damals hieß, geschlossen sind, damit andere Betriebe geöffnet bleiben können. „Das Sonderopfer darf aber nicht zur Dauereinrichtung werden“, sagt Ohl.

Der Biergarten wartet auf das Sommergeschäft

David Blanco del Rio hatte sich eigentlich nichts erhofft von den politischen Entscheidungen. „Aber mich wundert schon, dass der von einigen Bundesländern ausgearbeitete Stufenplan nicht weiter diskutiert wurde.“ Der Gastronom sieht die Dinge dennoch nüchtern: „Die Maschinerie hochzufahren und dann doch nicht aufmachen können, wäre noch enttäuschender.“ Blanco del Rio spricht aus Erfahrung, denn er betreibt mit dem Schwabengarten einen der größten Biergärten in der Region. Nach dem Sommergeschäft wurde er für Almhüttenabende und Weihnachtsfeiern umgebaut – dann kam der zweite Lockdown. Und kaum war die Idee eines Drive-in umgesetzt, kam das Alkoholverbot. Blanco del Rio rechnet nicht mit einer Öffnung vor Mai. Sein spanisches Lokal José y Josefina bietet derweil an den Wochenenden weiterhin to go an. „Das kostet uns zwar Geld, aber der soziale Aspekt auch für die Mitarbeiter ist uns wichtig.“

 

To-go-Angebot am Schlachthof lohnt nicht

Michael Wilhelmer hat sein Drive-in-Angebot am Schlachthof nach dem ersten Lockdown nicht fortgesetzt und bietet nur noch zu besonderen Anlässen wie jetzt am Valentinstag Pakete an. „Ohne die Möglichkeit, mit Getränken Geld verdienen zu können, ist der Aufwand einfach zu groß und die Nachfrage zu unkonstant.“ Lohnen tut sich ein To-go-Betrieb wohl für die meisten Gastronomen nicht. Und doch halten viele durch wie die Gebrüder Trautwein in ihrer Linde in Möhringen. Seit dem ersten Lockdown gab und gibt es Gerichte zum Abholen. Küchenchef Ferdinand Trautwein sagt: „Es ist deprimierend, nicht zu wissen, wann es richtig weitergehen kann, vor allem für die Mitarbeiter.“ Ein Drittel des Küchenteams sei im Einsatz, die anderen Angestellten in Kurzarbeit. Fanny Tran vom Noodle 1 am Wilhelmsplatz sieht das To-go-Geschäft eher als „Beschäftigungstherapie“. Sie mag zwar nicht jammern, „aber es ist schwer, wenn man gar keine Aussicht hat“.

Restaurants in der City sind im Nachteil

Nach der Verunsicherung, ob der geringe Umsatz mit dem To-go-Geschäft sich negativ auf Hilfszahlungen auswirken könnte, ist auch Ngon Dinh wieder präsent mit seinen Locations Breitengrad 17 und Citizen Long. „Der Vorteil unserer Standorte ist jetzt ein Nachteil. Durch den geschlossenen Einzelhandel ist das hier ringsherum eine Geisterstadt“, sagt Dinh. Deshalb greift er auf die Lieferlogistik von Lieferando zurück. Gerade andersrum ist die Situation für die Speisekammer West an der Rosenbergstraße, hier kommt das ganze Viertel zum Abholen. „Ich rechne auch nicht vor April mit Lockerungen“, sagt Dorit Münzer-Bock, die Verständnis für die Entscheidung hat. Würde man öffnen, „würden sich die Leute wieder in den Kneipen treffen“. Und genau das müsse immer noch verhindert werden.

Gastronomen wollen nicht in Vergessenheit geraten

Die wichtigsten Gründe für weitere Aktivitäten ohne Öffnungsperspektive bringt Volker Krehl auf den Punkt: „Man will ja nicht in Vergessenheit geraten und auch den einen oder anderen Arbeitsplatz garantieren“, sagt der Ehrenpräsident der Meistervereinigung Baden-Württemberg und ehemals langjähriger Weindorfwirt. Mit seiner Linde in Bad Cannstatt hält Krehl die ganze Zeit über die Stellung – sowohl mit der Küche und einem umfangreichen To-go-Angebot als auch mit dem Hotel und seinen 20 Zimmern für vereinzelte Geschäftsreisende und Monteure. Wirtschaftlich sei das nicht, aber es gehe nicht nur ums Geldverdienen: „Ich will hier ja nicht allein dastehen, wenn’s wieder losgeht.“