Restauratoren spielen Detektive: Die Entdeckung einer Zeichnung im Ludwigsburger Residenzschloss führt die Experten nach Stuttgart – und auf die Spur von Hofbaumeister Nikolaus Thouret.

Ludwigsburg - Am Anfang stand der Zufallsfund einer 200 Jahre alten Architektenskizze. Was folgte, war eine beinahe kriminalistische Spurensuche nach dem, was daraus geworden ist. „Das war superpuzzelig“, sagt Patricia Peschel. Als sie und ihre Mitarbeiter die Indizienkette bis zum Ende verfolgt haben, wurden sie fündig: Und zwar im Stuttgarter Neuen Schloss. „Plötzlich standen wir knietief in der Geschichte“, meint die Oberkonservatorin des Ludwigsburger Schlosses. In einer Geschichte, in der Napoleon Bonaparte, der erste württembergische König und dessen Baumeister Nikolaus Thouret die tragenden Rollen spielen.

 

Meistens brauchen Restauratoren viel Geduld. Etwa um zu reparieren, was spröde und rissig geworden ist, oder um penibel vom Firnis der Zeit verschmutzte Gemälde zu reinigen. Manchmal aber sind sie als Detektive gefragt. Was sie dafür auszeichnet? Ihr Fachwissen. Wer außer einem Experten könnte zum Beispiel etwas mit einer schnell hingeworfenen Bleistiftzeichnung auf einem Holzbrett anfangen? Wer würde ihr überhaupt die nötige Bedeutung beimessen? Der Restaurator Felix Muhle hat es getan – und jetzt ist er stolz auf das, was er und sein Team im Ludwigsburger Schloss entdeckt haben. Für Kunsthistoriker ist es eine kleine Sensation.

Kommissar Zufall

Eigentlich waren die Mitarbeiter der baden-württembergischen Schlösserverwaltung damit beschäftigt, das Audienzzimmer des ersten württembergischen Königs zu sanieren. Dazu gehört unter anderem, dass Tapeten und Wandbespannungen sowie Möbel und Gemälde repariert werden. Zu den Extravaganzen des Barockzeitalters zählten prachtvolle, an der Wand befestigte Konsoltische. Diese waren in der Regel mit Ornamenten verziert, meist vergoldet und aus Stein.

Um diese schweren Teile säubern zu können, mussten sie von der Wand abgenommen werden. Und siehe da, unter einer der Halterungen kam ein Holzbrett zum Vorschein, auf dem sich ebendiese Zeichnung befand, die nun für Furore sorgt. Restaurator Muhle hat sie sich ganz genau angeschaut und Formen und Muster verglichen. „Und plötzlich war klar, wo das alles hingehört“, sagt er. Ins Stuttgarter Neue Schloss nämlich.

Vom Fürsten zum König

„Man muss sich vorstellen, dass in der kurzen Zeit von 1803 bis 1805 ganz viele Räume neu eingerichtet und viele neue Möbel gefertigt werden mussten“, sagt Patricia Peschel. In Stuttgart als auch in Ludwigsburg. Denn in dieser Zeit wird aus dem Fürstentum Württemberg ein Königreich von Napoleons Gnaden. Die Zunahme an Macht und Bedeutung musste in einer größeren Prachtentfaltung ihren Ausdruck finden, Wohn- und Herrschaftsräume mussten nun die Insignien eines Monarchen aufweisen. Was aber verbarg sich nun hinter der in der Wand versteckten Skizze? Nach Ansicht der Experten handelt es sich um einen Aufriss für den Bau von Tischchen, die an drei Seiten von Mischwesen aus Greif und Löwe gestützt wurden. „Diese Fabelfauna findet sich auch in Wandreliefs“, sagt Muhle. „Der Greif repräsentiert Intelligenz und einen hohen Stand.“

Und die nach dieser sehr wahrscheinlich von Thouret selbst stammenden Skizze gebauten Tische existieren noch. „Wir wissen, dass sie im Blauen Marmorsaal und im Gelben Kabinett des Neuen Schlosses gestanden haben“, sagt Peschel. Da das Neue Schloss jedoch Ministerien beherbergt – also kein Museum ist – stehen die Tischchen in Depots. Sie können der Öffentlichkeit zurzeit nicht gezeigt werden. Und auch die Wandskizze wird bald wieder dem Blick entzogen – sobald die restaurierte Konsole wieder an Ort und Stelle montiert wird.