Es nimmt kaum ein Ende – mehr als 600 Oldtimer werden am Sonntag in Stuttgart vorgeführt und vorgestellt. Nebenan feiern Mittelalter-Fans auf dem Jahrhundertmarkt mit Stauferspektakel.

Stuttgart - Die Parade will auch nach zwei Stunden kein Ende nehmen. Kein Wunder, schließlich will jedes der über 600 Oldtimer vorgeführt und vorgestellt werden. Am Besten auf der Retro Classic-Extrabühne. Denn dort zelebriert Moderator Wilfried Steer die Parade so elegant, dass sein Automobilwissen zur Streicheleinheit für jedes Exemplar wird.

 

Es ist Automobilgeschichte live, auf breiten Reifen und schmalen Pneus. Kraftpakete mit sechs, acht, zwölf Zylindern unter der Haube, die auch mal zeigen, wie ein Kavalierstart geht. Aber auch die Schmächtigen, für die es kein Tempolimit braucht. Direkt nebeneinander etwa der wuchtige Dodge Polara 500, dreimal so lang wie die dreirädrige BMW Isetta mit Motorradmotor und Einradantrieb hinten. Oder das Gogomobil mit „Kofferbrücke“ und früher Italien-Urlaub-Erfahrung. Der VW Derby im rostbraunen Erstlack, der Opel Ascon, tiefer gelegt. Der Austin, der aussieht wie ein Landrover, der elegante Jaguar, der Käfer mit den „Elefantenfüßen“ als Schlussleuchten. Ein Morris, Baujahr 1935, mit „Selbstmörder-Türen“. Porsche jeglicher Art sowieso. Oder eine Isetta 300 mit Wackeldackel und eingehäkelter Klopapier-Rolle.

Die Faszination Oldtimer

Was fasziniert die Menschen daran? Warum strömen sie? „Weil man selbst den Stern auf der Stirn und Benzin im Blut hat“, sagt eine Frau aus Reichenbach und ist tief bewegt, als ein grüner Renault 16 TL mit La Cucaracha-Gehupe auftaucht: „Kindheitserinnerungen. So einen hatte mein Vater.“

Und dann kommen die Tüfftüffs! Lanz und Wahl, Schlüter, Güldner, Porsche Diesel, Kramer und Co. Ein ganzes Traktorenmuseum auf Freifahrt. Drei Stunden war Heinrich Schneider aus Wahlheim mit seinem Deutzle unterwegs. Auf dem Tieflader aus Kirchheim gekommen ist das elf Tonnen schwere Ungetüm einer Schotter-Dampfwalze. Und dank der historischen Jahrmarktsorgel und den Biertischen ist der Übergang von der Oldtimer-Show zum Jahrhundertmarkt mit Staufer-Spektakel fast fließend.

Voll besetzte Reihen beim Ritterturnier

Schon Mittags sind die Tribünen des Reitstadions voll besetzt. Und diese Inszenierung mit gut zwei Dutzend Darstellern, mit Rittersleuten hoch zu Ross, der ritualisierte Kampf Mann gegen Mann, mit stechenden Lanzen, mit wild auf die Schilde knallenden Streitkolben, kommt prächtig an. Auffällig, wie viele im gemeinen Volk sich einschlägig kostümieren und als Publikum insgesamt Teil der Kulisse sein wollen. Rittersleut’ im Kettenhemd, das schicke Burgfräulein am Arm, aber auch ganze Familien im Mittelalter-Habit.

Das bunte Treiben freut den Veranstalter Karl Göbel aus Göppingen, selbst am Regensamstag seien dank überdachter Sitzgelegenheiten viele geblieben. Sowieso schwärmt er vom „idealen Grüngelände“ am Reitstadion: „Das ist wie ein Park, den Wasen kennen viele Stuttgarter so ja gar nicht!“ Auch Retro Classic-Mann Andreas Herrmann ist sich sicher, dass die Kooperation „nach dieser tollen Premiere mit viel Publikum keine Eintagsfliege bleiben wird“.