So schnell kommt man zu einem ganz besonderen Titel. „Stadium Medical Manager“, zu Deutsch medizinischer Stadionmanager, das klingt doch nach was. Sandra Welsch lehnt sich zurück und lacht. Ihre sonstige Berufsbezeichnung klingt ein wenig unspektakulärer: Sie ist Fachbereichsleiterin Rotkreuzdienste beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Stuttgart – und damit zuständig für die Sanitätsdienste bei Veranstaltungen. Doch zwischen Mitte Juni und Mitte Juli ist ihr Platz unter anderem im Stadion, das dann auch nicht wie sonst MHP-Arena heißt. Der europäische Fußballverband Uefa hat sich all das für die Europameisterschaft in Deutschland ausgedacht.
Sandra Welsch sitzt mit Heinz-Wilhelm Bartling im neuen Einsatzleitwagen. Heute nur zur Probe in der Hauptrettungswache in der Neckarstraße. Während der EM könnte das hochmoderne Fahrzeug aber mitten im Geschehen sein. Das neue Auto soll bei Großlagen helfen. „Im vorderen Teil, dem Technikraum, sitzen die Disponenten, hinten ist der Besprechungsraum, in den sich die Einsatzleitung zurückziehen kann, um Dinge in Ruhe durchzusprechen“, erklärt Bartling.
Zu bereden gibt es aber schon lange vor Beginn der Spiele jede Menge. Das DRK ist federführend für die EM in Stuttgart, bezieht die anderen Hilfsorganisationen aber mit ein. Welsch und Bartling sind die beiden Menschen, die die Fäden in der Hand halten – und das bereits seit über einem Jahr. „Wir haben bei der EM drei Aufgaben. Zum einen den Rettungsdienst, das ist der gesetzliche Teil. Zum anderen als Dienstleister Sanitätsdienst und Bevölkerungsschutz – da sind die Auftraggeber einmal die in.Stuttgart für die Veranstaltungen in der Innenstadt und zum anderen die Uefa fürs Stadion“, erzählt Bartling.
Bartling ist als Angehöriger der Stabstelle Einsatzplanung zuständig für den Rettungsdienst. Der wird zur EM teils deutlich aufgestockt. An Spieltagen sowieso mit zahlreichen zusätzlichen Fahrzeugen. Aber auch an gewöhnlichen Tagen. „Schließlich sind auch dann mehr Menschen zu versorgen durch die Besucher und ausgebuchte Hotels“, sagt er. Es gibt Planungen, Gefährdungsanalysen und Hitzesimulationen. Welche Spiele sind kritisch? Welche Fangruppen? Wer macht wohl einen Fanmarsch zum Stadion? Das ist nicht nur für die Polizei interessant, sondern auch für die Retter. „Wir müssen uns auf alle Szenarien vorbereiten bis hin zum Anschlag“, sagt Bartling.
Die Uefa durchleuchtet auch Retter
Seine langjährige Kollegin Welsch kümmert sich um die medizinische Betreuung des Stadions und der Fanzonen. Das ist komplizierter, als man meinen könnte. Es müssen zahlreiche freiwillige Helfer gefunden werden – und für die Arena zugelassen. „Es sind noch nicht alle durch die Akkreditierung für die Spiele durch. Die Uefa nimmt da eine Zuverlässigkeitsprüfung für jeden einzelnen vor, genauso wie beim Caterer, beim Sicherheitsdienst oder der Putzhilfe“, sagt die 38-Jährige.
Bei der EM werden an Spieltagen allein für Innenstadt und Stadion bis zu 240 Retter aus dem ganzen Land gebraucht, je nach ausgerufener Stufe. Dazu kommen die Vorhalteerweiterung für den Rettungsdienst und Einsatzeinheiten aus dem Bevölkerungsschutz. Es werden sowohl Haupt- als auch viele Ehrenamtliche im Einsatz sein. „Wir haben in ganz Baden-Württemberg um Unterstützung angefragt. Und die Leute kommen gern“, freut sich Sandra Welsch. Dem Reiz, bei etwas Besonderem dabei zu sein, steht viel Verzicht gegenüber: „Die ehrenamtlichen Helfer leisten das in ihrer Freizeit. Sie nehmen dafür Urlaub oder machen das teils nach der Arbeit. Sie sind unterschiedlich oft und lange im Einsatz und opfern dafür viel“, weiß Bartling.
Mehr Büro als Stadionatmosphäre
Für die beiden Hauptamtlichen gilt das allerdings auch in gewisser Weise. Sandra Welsch wird zwar gelegentlich im Stadion sein, ansonsten aber mit organisatorischen Aufgaben beschäftigt. Und Heinz-Wilhelm Bartling wird „fünf Wochen lang im Bunker sitzen“, sagt er schmunzelnd – also in Büroräumen. „Vom Flair in der Stadt, vom ganzen Positiven und Sportlichen kriegen wir nicht so viel mit“, glaubt der 59-Jährige. Das mache ihn schon „ein bisschen traurig“, gehöre aber dazu.
Das liegt auch daran, dass beide große Fußballanhänger sind. „Fußball ist mein Sport. Früher habe ich selbst gespielt, jetzt schaue ich viel im Fernsehen. Da leidet auch mal die Familie drunter. Aber einer meiner Söhne ist selbst Schiedsrichter“, erzählt Bartling mit einem Schmunzeln. Und Freizeit-Kickboxerin Sandra Welsch ist „glühender VfB-Fan von Kindesbeinen an“. Sie allerdings würde den Trubel der EM wohl eher meiden, wenn sie nicht im Einsatz wäre. Das geht nun natürlich nicht – als „Stadium Medical Manager“.