Ein Fahrgast unterstellt der SSB unterlassene Hilfeleistung. Er hatte miterlebt, wie eine Frau in der Bahn kollabiert war und von der Bahn noch eine Haltestelle weiter gefahren wurde. Weil die Leitstelle den Rettungsdienst dorthin bestellt hatte.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Ein Fahrgast der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) hat am Montag einen Zwischenfall miterlebt, der ihm so, wie er ablief, nicht gefallen hat. In einer Stadtbahn der Linie U7 brach eine Frau zusammen. Die Fahrgäste drückten die Notbremse und verständigten den Fahrer. Die Frau, die ein Kind dabei hatte, brachte der Fahrer dann mit der Bahn zur Haltestelle Killesberg, wohin der Rettungsdienst bestellt wurde. Die Fahrgäste sollten am Eckhartshaldenweg den Zug verlassen. Die leere Stadtbahn fuhr dann mit der Frau, die laut Augenzeugen noch ansprechbar gewesen sein soll, zum Killesberg, wo sie erstversorgt wurde. Anschließend brachte der Rettungsdienst sie ins Krankenhaus. Das Unternehmen verteidigt sein Vorgehen, nur so hätte man der Frau am schnellsten und sichersten helfen können.

 

Vorwurf des Passagiers: Unterlassene Hilfeleistung

Ein Fahrgast ist über dieses Vorgehen so empört, dass er am Dienstag ankündigte, er werde eine Strafanzeige gegen die SSB stellen. Sein Vorwurf: unterlassene Hilfeleistung. „Das kann doch nicht sein, dass das fünf bis sechs Minuten dauert, bevor der Fahrer eine Antwort von der Leitstelle erhält – und dann die Frau noch zu einer anderen Haltestelle bringen soll“, sagte er gegenüber der Stuttgarter Zeitung. „Was ist denn, wenn jemand einen Herzinfarkt hat, da zählt doch jede Minute“, fügt er hinzu. Auch dass das Kind, das etwa fünf Jahre alt gewesen sei, allein mit der Mutter im Waggon war, als dieser seine Fahrt fortsetzte, kann er nicht gutheißen.

Die Frau kippte um und zitterte, schildern die Zeugen

Die Frau sei plötzlich vornübergekippt und habe gezittert. Die Passagiere betätigten die Notbremse und sagten dem Fahrer, was passiert war. „Das Kind schrie dauernd Mama, Mama!“, beschreibt der Fahrgast. Der Fahrer sei dann in den Führerstand gerufen worden, dort habe er erfahren, dass er zum Killesberg kommen soll. Er habe daraufhin die Passagiere gebeten, auszusteigen. Die Frau sei zu diesem Zeitpunkt „bedingt ansprechbar“ gewesen, sagte der Augenzeuge, das Kind habe sich beruhigt, wohl da die Mutter reagierte.

Die SSB verteidigen ihr Vorgehen. „Es ist in solchen Fällen so, dass unsere Leitstelle klärt, wo der Rettungsdienst am besten hinkommen kann“, erläutert die SSB-Sprecherin Susanne Schupp. Im vorliegenden Fall habe man die je nach Verkehrslage 60 bis 120 Sekunden entfernte Haltestelle Killesberg für geeigneter gehalten, als die Station Eckartshaldenweg, die zwischen den Fahrspuren der Bundesstraße liege. „Am Killesberg hält nur alle 20 Minuten eine U5. Am Eckartshaldenweg fahren vier Linien im Zwei-Minuten-Takt“, so Schupp. An der Haltestelle Killesberg gehe es ruhiger zu, an der anderen hätten sich die medizinischen Helfer den Weg durch die Fahrgäste bahnen müssen. Das DRK bestätigt, an den Killesberg gerufen worden zu sein. Eine Absprache mit der SSB-Leitstelle habe es nicht gegeben, sagte der Sprecher Udo Bangerter. Der Killesberg sei ein Vorschlag der SSB gewesen.

Fahrgäste haben Zweifel an der Darstellung der SSB

Der Fahrgast hat Zweifel daran, ob allein die ruhigere Lage der Station Killesberg ausschlaggebend war. Er hält es eher für wahrscheinlich, dass die SSB den Takt der Bahnen auf der Strecke an der Heilbronner Straße nicht durcheinander bringen wollte.

Von den Fahrgästen sei auf dem kurzen Stück zur nächsten Haltestelle niemand bei der Frau und dem Kind geblieben. Es habe auch niemand zu erkennen gegeben, dass er Erste-Hilfe-Kenntnisse habe, sagt der Fahrgast. Die SSB-Sprecherin sagte auf StZ-Anfrage, dass niemand rausgeworfen worden wäre, der sich bereit erklärt hätte, die Frau und das Kind zu begleiten.