Die Rettungshundestaffel des Roten Kreuzes trifft sich zum Üben auf dem Platz des Vereins der Hundefreunde in Weilimdorf.

Weilimdorf - Amy spitzt die Ohren und streckt die Nase in den Wind. Auf den Befehl ihres Frauchens „Such’ und hilf!“ fegt die dreijährige ungarische Jagdhündin los. Sie weiß, was zu tun ist: Sie soll einen Menschen suchen. Keinen bestimmten, einfach nur der Geruch „Mensch“ ist ihr Ziel. Was Amy nicht weiß: eine Hundetrainerin hat sich nur wenige hundert Meter weiter in einem Komposthaufen versteckt. Die Suchhündin rennt mit erhobener Nase los, dreht ruckartig um, wendet sich nach links, bleibt neben ihrem Fund stehen und bellt so lange, bis ihr Frauchen neben ihr steht und sie lobt. Zur Belohnung darf die Hündin aus dem mitgebrachten Wurstdöschen naschen. Sie schnappt gierig danach und wedelt mit dem Schwanz. „Was jetzt?“, scheint ihr Blick zu fragen.

 

Was bei der Übung nur einige Sekunden ausmacht, kann bei einem realen Einsatz der Rettungshundestaffel des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) auch eine ganze Nacht oder sogar mehrere Tage dauern. 25-mal war die Bereitschaft des Kreisverbands vergangenes Jahr im Einsatz, im Vorjahr sogar 40-mal. Zuständig ist die Staffel für den Raum Stuttgart und den Rems-Murr-Kreis. Aber auch in umliegende Landkreise wird das Team hin und wieder gerufen, wenn Not am Mann ist.

45 Minuten bis zum Einsatz

Per SMS werden die Hundeführer von der Kriminalpolizei oder der Vermisstenstelle der Polizeidirektion zu einem Einsatz angefordert. „Wir haben 45 Minuten Zeit, bis wir angefahren sein müssen“, sagt die Staffelleiterin Jessica Nordschild. Anders als bei der Freiwilligen Feuerwehr müssen Arbeitgeber die Ehrenamtlichen der Rettungshundestaffel nicht zwingend freistellen. Doch wer kann, kommt. In den meisten Fällen wird nach älteren, verwirrten oder suizidgefährdeten Menschen gesucht, die verschwunden sind.

Die erste Fährte nimmt ein Personenspürhund auf, genannt Mantrailer. Mit der Nase am Boden sucht er nach dem Geruch dieser bestimmten Person. „Aber sobald ein Wald oder Felder kommen, sind unsere Flächensuchhunde gefragt“, sagt Nordschild. Anders als der Mantrailer haben diese die Nase in der Luft und suchen – so wie Amy – nach keinem bestimmten Menschen. „Mit dem Wind nehmen die Hunde winzige Hautpartikel auf“, erklärt die 26-Jährige das Vorgehen der Vierbeiner. In einer Suchkette durchkämmt die Staffel das Gelände.

Die Hunde laufen in Schlangenlinien entgegen der Windrichtung. Der Abstand zwischen den Hundeführern beträgt etwa 50 Meter. „Wir bleiben ständig in Kontakt und rufen uns zu“, sagt die Ausbildungsleiterin Daniela Nagl. Schließlich soll im teilweise stockfinsteren Wald keiner verloren gehen. „Auch wenn wir niemanden finden, die Hunde gehen immer mit Erfolg raus“, berichtet die Staffelleiterin. Dann verstecke sich einer aus dem Team – und die bellenden Hunde werden belohnt.

Ein Waldstück wird nur einmal durchkämmt

„Ob wir jemanden finden oder nicht, ist eine Frage des Glücks“, sagt Nordschild. Bis auf zwei Mal seien die Vermissten bislang – seit 2002 ist die Rettungshundestaffel des DRK aktiv – immer gefunden worden. In den meisten Fällen tot. „Es dauert lange, bis wir loskommen“, erklärt die 26-Jährige. Schließlich muss die Polizei erst mit ihren eigenen Leuten suchen und eine gewisse Anzahl von Stunden abwarten, ehe sie die Rettungshundestaffel anfordern darf.

„Das Schönste ist, wenn eine Person lebend gefunden wird. Dann hat man das Gefühl, dass es Sinn macht, jahrelang zu trainieren“, sagt die Staffelleiterin. Schlimmer, als eine tote Person zu finden, sei es jedoch, gar niemanden zu finden. „Dann plagt einen die Sorge, ob man denjenigen vielleicht übersehen hat.“ Die Verantwortung ist hoch: Ist ein Waldstück einmal abgesucht, wird dort in der Regel kein zweites Mal nachgeschaut. Doch auch ein Fund sei oftmals schwer zu ertragen. „Viele nimmt es sehr mit.“ Mit der Notfallseelsorge der Feuerwehr werden die Fälle deshalb nachbesprochen.

Besonders belastend für die Mitglieder war ein dreitägiger Einsatz bei der Suche nach einer entführten Bankiersfrau aus Heidenheim, die bundesweit für Aufregung sorgte. „Damals war der Druck so groß, dass bundesweit alle Rettungshundestaffeln alarmiert wurden“, erinnert sich Nagl. Und das, obwohl diese normalerweise nicht bei Verbrechen hinzugerufen werden. Für diese Fälle hat die Polizei eigene Hundestaffeln. Wochen später wurde die Leiche gefunden – auf dem Gelände, das die Polizei selbst bereits durchkämmt hatte.

Die Einsätze der DRK-Rettungshundestaffel sind kostenlos. „Wir hätten die Möglichkeit, Rechnungen zu stellen. Aber es soll kein Hinderungsgrund sein, uns zu rufen, nur weil jemand arm ist“, betont Nordschild. Die Kosten von rund 20 000 Euro, die pro Jahr anfallen, werden daher über Spendengelder finanziert.

Retter auf vier Beinen

Hunde: Zu den Einsätzen der Stuttgarter Bereitschaftsstaffel sind zurzeit neun geprüfte Hunde zugelassen. Die restlichen 17 sind entweder zu alt oder noch in der Ausbildung. Diese dauert zwischen zwei und drei Jahren. „Am besten fängt man so früh wie möglich damit an“, sagt Ausbildungsleiterin Daniela Nagl.

Ausbildung: Den Eignungstest zum Flächensuchhund nimmt der DRK-Landesverband Baden-Württemberg ab. Sie kann nur ein einziges Mal gemacht werden. Dabei muss der Hund in 20 Minuten ein 100 mal 300 großes Gebiet absuchen. Alle 18 Monate wird die Prüfung wiederholt.

Rasse: Theoretisch ist jede Hunderasse geeignet. Ausgeschlossen werden jedoch Kampfhunde, da sie wegen des Leinenzwangs nicht frei laufen dürfen. Mittelgroße Hunde sind ideal, da sie mit großer Hitze zurechtkommen. Vom Gemüt her sollte der Vierbeiner nicht zu gemütlich sein. Wichtig ist, dass er gut mit anderen Hunden auskommt, schließlich kreuzen sich die Wege bei der Suche.

Hundeführer: Nicht nur die Tiere, auch ihre Begleiter müssen eine Prüfung ablegen, unter anderem in den Bereichen Karte und Kompass, Erste Hilfe, Einsatztaktik, Abseilen und Funken.lem