Reportage: Robin Szuttor (szu)

Seine Eltern betreiben eine Berggaststätte. Die Mutter macht Kuchen nach Familienrezept für die Wanderer, der Vater spielt für die Einkehrer Akkordeon, Alphorn oder auch mal auf dem Gartenschlauch. Die Geschwister Rist gstanzeln, jodeln, schuhplatteln kräftig mit. Selbst der Kleinste flötet schon.

 

"Schön, dass ihr alle da seid. Schön, dass wir uns heut so nah sein können. Jetzt singe ich euch ein Medley aus Liedern eines Künstlers, den ich schon als kleiner Bub sehr verehrt hab: Peter Alexander." Schunkelzeit.

Der junge Peter Rist kraxelt auf Gipfel, rast Skipisten runter, spielt Fußball, ist in der Trachtengruppe, im Musikverein, bei den Heimatfreunden, bläst Horn und Posaune, unterhält Besucher in der elterlichen Gaststätte oder in der Clausenmühle auf der anderen Seite des Bergs.

Von der Hauptschule auf das Gymnasium

Er arbeitet sich von der Hauptschule ins Gymnasium hoch, seine spätere Frau Monika ist in der gleichen Klasse. "Schon als Sechstklässler fühlte ich eine Nähe zu ihr. Sie war schon immer was Besonderes", sagt er. Als sie 18 sind, gehen sie miteinander. Er hat kein Geld für ein Auto, sie hat einen alten VW und nimmt ihn mit zur Disco - nicht gerade üblich bei Allgäuer Paaren. Sie tanzen Fox und Jive zu Shakin' Stevens. "Ich bin ein Melodienmensch, ich brauche keine harten Beats." Mit 24 heiraten sie.

Warum wechselt der Bürgermeister einer 110.000-Einwohner-Stadt, verantwortlich für einen 325-Millionen-Euro-Etat, Chef Hunderter Mitarbeiter, Besoldungsgruppe B5 mit rund 100.000 Euro Jahressalär, vom Großen Sitzungssaal aufs glitschige Schlagerparkett?

Peter Rist - "meine Lieblingsfarbe ist das Grün der Wiesen, meine Lieblingsgetränk ist Milch" - muss man vom Allgäu her begreifen. Er kommt 1969 als jüngstes von sieben Kindern in Simmerberg zur Welt. Ein Dorf mit vier Häusern und einer Kapelle, gebettet in die Ausläufer der Kugel, dem höchsten Berg des Westallgäus. Weite Täler, saftige Weiden, prächtige Wälder - "und dahinter wird's richtig hoch mit herrlichem Blick bis runter auf den Bodensee".

Melodien statt harte Beats

Seine Eltern betreiben eine Berggaststätte. Die Mutter macht Kuchen nach Familienrezept für die Wanderer, der Vater spielt für die Einkehrer Akkordeon, Alphorn oder auch mal auf dem Gartenschlauch. Die Geschwister Rist gstanzeln, jodeln, schuhplatteln kräftig mit. Selbst der Kleinste flötet schon.

"Schön, dass ihr alle da seid. Schön, dass wir uns heut so nah sein können. Jetzt singe ich euch ein Medley aus Liedern eines Künstlers, den ich schon als kleiner Bub sehr verehrt hab: Peter Alexander." Schunkelzeit.

Der junge Peter Rist kraxelt auf Gipfel, rast Skipisten runter, spielt Fußball, ist in der Trachtengruppe, im Musikverein, bei den Heimatfreunden, bläst Horn und Posaune, unterhält Besucher in der elterlichen Gaststätte oder in der Clausenmühle auf der anderen Seite des Bergs.

Von der Hauptschule auf das Gymnasium

Er arbeitet sich von der Hauptschule ins Gymnasium hoch, seine spätere Frau Monika ist in der gleichen Klasse. "Schon als Sechstklässler fühlte ich eine Nähe zu ihr. Sie war schon immer was Besonderes", sagt er. Als sie 18 sind, gehen sie miteinander. Er hat kein Geld für ein Auto, sie hat einen alten VW und nimmt ihn mit zur Disco - nicht gerade üblich bei Allgäuer Paaren. Sie tanzen Fox und Jive zu Shakin' Stevens. "Ich bin ein Melodienmensch, ich brauche keine harten Beats." Mit 24 heiraten sie.

Rist weiß, was er will. Studiert Verwaltung, arbeitet als Rechnungsprüfer, stellvertretender Kämmerer in Neresheim, Kämmerer in Isny. "Dann wurde mir die Haut zu eng, ich wollte ein großes Schiff lenken." In Reutlingen wählt man ihn zum Kapitän des Finanz- und Wirtschaftsdezernats. Da ist er 36 und Vater dreier Kinder.

"Und jetzt alle: heute steigt ne Party, heut ist richtig was looos. Leute, ihr seid riesig, wir sind famooos!" Shownebel auf der Bühne. Rist legt mit zwei jungen Tänzerinnen, die ihre Sache ganz prima machen, eine flotte Sohle aufs Parkett.

Verwunderung im Rathaus

Bei offiziellen Anlässen dachte er oft, wie kann man nur so langweilige Reden halten. Er war aufgeweckter. Den Weihnachtsmarkt eröffnete Rist mit Adventsliedern - "das kam super an, und ich bin trotzdem der Form gerecht geworden". Gegen den Narrensturm aufs Rathaus wehrte er sich mit Gesang. Zu den Heimattagen empfing er die Landesregierung musikalisch mit der Band Rist und die rockenden Räte Reutlingens. Während einer Klausurtagung des Gemeinderats fing er plötzlich an, a cappella zu singen, das nahm dem Ganzen die Schwere. "Ich bin beeindruckt von seiner Musikalität", sagt Helmut Treutlein, Chef der SPD-Fraktion. Seine Sache als Bürgermeister mache Rist auch ganz gut, "ein fleißiger Sachwalter der Reutlinger Finanzen". Freilich wünscht sich Treutlein einen mit noch mehr Profil im Amt, da kommt eigentlich nur ein Sozialdemokrat infrage.

Viele seien verwundert über den Schritt von Peter Rist gewesen, sagt Jürgen Fuchs, Vorsitzender der Freien Wähler. Der 67-Jährige war selbst mal Bürgermeister in Reutlingen. An eine Sängerkarriere hat er nie gedacht, obwohl er als Stütze des Liederkranzes galt. Er schätzt Rist und seine Arbeit, seine Schlager mag er eher nicht. "So eine CD zu Hause einzulegen, käme mir nie in den Sinn." Wohl nicht mal, wenn es um Umweltschutz geht.

"Und jetzt singe ich eine Ballade, die appelliert an das Gute in uns. Er weint schon, unser Planet, irgendwann verliert der Herrgott die Geduld." Rist trägt jetzt eine Trachtenlederhose. Kinder kommen auf die Bühne, er nimmt sie an die Hand: "Der Mensch hat nur das eine Steeernenzelt."

Man wollte ihn nicht loswerden

Was wurde nicht alles spekuliert: Rist habe schon lange genug davon, immer nur funktionieren zu müssen. Habe es satt, sich mit Kostensätzen, Ertragspositionen, Zuführungsraten rumzuquälen. Leute klopfen ihm auf die Schulter: "Sie machen's richtig. Mir stinkt mein Job auch gewaltig." Er sagt dann: "So weit würde ich es nie kommen lassen."

Rist leidet gar nicht. Es ist auch nicht so, dass er seinen Haushalt an die Wand gefahren hätte oder man ihn loswerden wollte. Für ihn gab es zwei Gründe aufzuhören. Seine Frau hatte Heimweh, sie wollte unbedingt zurück ins Allgäu. Zudem berief Rists Vater kurz vor seinem Tod eine Familienversammlung ein. Es ging um einen Nachfolger für den Gasthof. Er hatte an seinen Sohn Peter gedacht. "Da waren die Würfel gefallen, da machte es klack, klack, klack in meinem Kopf, und ich sagte mir, wenn ich schon meinen Vater beerbe, dann mache ich auch voll und ganz Musik." Damals hatte er bereits ein selbst geschriebenes Lied zum 40.Geburtstag seiner Frau aufgenommen.

"Immer wenn es mir nicht gutgeht, immer wenn der Wind zu stark weht, bist du da und nimmst mich in den Aaarm. Wenn ich mal nicht weiter weiß, wenn ich frier bei Schnee und Eis, dann bist duhuu ganz nah und mir wird waaarm..."

Rist ist echt

Ein Journalist hat geschrieben, Rists Musik sei "handelsübliche Schlagermassenware mit Rumpelreimen an Synthesizersoße, immer gut für ein bisschen Ohrenkrebs". Das ist gemein. Ein anderer meinte, es tue "fast weh, wie der naiv-glückliche Allgäuer auf der Bühne dem Sinn des Lebens nachspürt". Auch nicht sehr charmant.

Eine Frechheit wäre es aber, zu behaupten, dass Rist sich verstellt. Dass er auf Kuschelbarde und heile Welt macht, um abzusahnen. Rist ist echt. Er möchte den Menschen wirklich ein bisschen Glück schenken. Die Alltagsmühen vergessen machen. Was er im Rathausbüro sagt, könnte er genauso gut singen. "Ich will, dass die Leute was fühlen." - "Ich kenne keinen Neid." - "Ich denke von keinem Menschen schlecht." - "Im Zweifel entscheide ich mich für die Freiheit und nicht für die Sicherheit."

"Schalalalalala, schalalalala, wooh, wooh, wooh, schalalala. Schalalalala, schalalalala, wooh, wooh, wooh, schalalalala."

Er hat sein Gottvertrauen, seine Familie, sein Allgäu

Wahrscheinlich gleicht er seinem Vater. Der sei zwar spontan gewesen, habe aber auch immer alles gut durchdacht. Trotzdem wird sich Peter Rist bei seinem Start ins Musikbusiness wohl zunächst ans Ersparte halten müssen. Für einen Pensionsanspruch hätte er weitere zwei Jährchen dranhängen müssen. So tickt er aber nicht. "Ich denke nicht an Geld", sagt er. "Ich weiß auch noch nicht, wie ich meine Geschwister ausbezahlen soll. Aber ich lass mich nicht verkaufen, und ich lass mir von keiner Künstleragentur vorschreiben, welche Farbe mein Jackett haben soll." Man glaubt ihm das alles, auch wenn er manchmal ein Peter-Alexander-Lachen einstreut, das einen kurz innerlich erstarren lässt.

Er sorgt sich nicht. Er hat sein Gottvertrauen, seine Familie, sein Allgäu. Und so wird er bald seine Frau bei der Leitung des Berggasthofs unterstützen und die eigene Sängerkarriere befeuern. "Ob erste, zweite oder dritte Liga ist mir egal, in der dritten Liga spiel ich schon." Die Rückmeldungen der Fans überträfen alle Erwartungen. "Manche kommen sogar extra wegen mir nach Simmerberg, das ist der Wahnsinn." Fast wie bei Hansi Hinterseer. Aber der ist schon Champions League.

Peter Rist ist am Freitagabend, 22.15 Uhr, zu Gast bei Wieland Backes im SWR Nachtcafé.