Der Reutlinger Finanzbürgermeister Peter Rist trällerte in einer Gemeinderatssitzung mehrere Liedchen während seiner Haushaltsrede. Einen singenden Schultes findet dort niemand lustig.

Reutlingen - Wo man singt, dort lass’ Dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder.“ Die Erkenntnis des Dichters Johann Gottfried Seume hat sich Reutlingens Finanzbürgermeister Peter Rist offenbar als Grundlage für seine Haushaltsrede im Gemeinderat zu eigen gemacht. Kaum hatten sich die Räte niedergelassen, begann Rist am Rednerpult nicht nur zu sprechen, sondern auch zu singen. Seine durchaus ernste Darstellung des Zahlenwerks schmückte er mit Volksliedgut. Peter Alexanders „Ich zähle täglich meine Sorgen“ wurde zur Hymne des Finanzdezernats erkoren. Zur Lösung der Schuldenfrage bediente er sich Nenas „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“. Auch Johanna von Koczians „Das bisschen Haushalt“ erschallte im Ratssaal.

 

„Ich habe es mit Humor versucht“

Nun sieht sich Rist als Mann vom Fach. Nach Ablauf seiner Amtszeit im Juni 2013 will er von der Rathaus- auf die Volksmusik-Bühne wechseln, der Boulevard verlieh ihm bereits den Titel „Schalalalala-Schultes“. Was den singenden Bürgermeister zum jüngsten Auftritt bewog, tat er über Facebook kund: „Heute hatte ich abseits der Musik eine Aufgabe zu erfüllen, die mir sehr schwer fiel. Ich habe es mit Humor versucht, ganz im Sinne von Horaz: ‚Warum die Wahrheit nicht auch scherzend vortragen?’“

Jetzt weiß Rist, dass des Dichters Seumes Worte dieses Mal nicht zutreffen, an bösen Kommentaren mangelt es jedenfalls nicht. „Es kommt der Zeitpunkt, an dem auch die Würde des Amtes leidet“, befand ein Stadtrat. „Wir sind in einer Großstadt, nicht in Bempflingen“, kommentierte ein zweiter in Anspielung auf den Kabarettisten Hämmerle. Die Ratsfraktionen CDU, Grüne und SPD wollen Spott vorbeugen. Ein Filmteam hatte Rist in die Sitzung begleitet. „Wir wollen, dass die Aufnahmen nicht verwertet werden“, erklären die Fraktionen. Die Rede hatten einige Rathaus-Mitarbeiter vorab gelesen. „Die Schlagertitel waren drin, aber keiner hatte gedacht, dass er sie singt“, heißt es jetzt. Die darüber sichtbar entsetzte Oberbürgermeisterin Barbara Bosch lässt erklären, dass sie mit den Bürgermeistern die Fakten zwar abspreche, „aber nicht die Formulierungen“. Das „Schwäbische Tagblatt“ mutmaßt, die Gemeinderäte dürften bei Rist einen Song vermisst haben: „Time to say goodbye“.