Antonia Baum schreibt in ihrem neuen Roman „Siegfried“ über die Stimmen der Mütter, Väter und Großmütter. Hört denn die Gewalt nie auf? Jedenfalls ist da eine junge Mutter, die ihrem Mann sagt, dass sie ihn betrogen hat, und sich selbst in die Psychiatrie einweist.

Psychologie und Partnerschaft: Eva-Maria Manz (ema)

Er ist schwer zu erklären, wenn jemand ihn nicht kennt: dieser Blick. Der urteilende, auch der dünkelhafte. „Der Blick von Hilde ist durch tausend Männer gegangen, er lag auf Siegfried, dann auf mir, er ist durch uns durchgegangen.“ So lässt Antonia Baum ihre Erzählerin klagen im neuen Roman „Siegfried“. Hilde ist die Großmutter, Siegfried der Vater. Mutter und Erzählerin selbst, auch eine junge Mutter, bleiben namenlos in dieser Geschichte, die an nur einem Tag spielt und doch ein halbes Frauenleben erzählt. Und diese Namenlosigkeit ist ebenso Programm wie das Sezieren des Blickes: Man möchte nicht urteilen, aber bemerkt doch die fehlenden Manieren des Gegenübers, die unvorteilhafte Kleidung und vieles mehr – da sind die Stimmen im Kopf, die Urteile der Großmütter und Väter und Mütter, so oft wiederholt, dass sie sich festgesetzt haben wie eine Begleitmusik. So angespitzt, hat man natürlich ein besonders ausgeprägtes Gespür für die Schwächen des Gegenübers, und bohrt in diesen Wunden, man kann ja gar nicht anders. Oder? Setzt sich diese Gewalt immer fort?