Grünen-Urgestein Rezzo Schlauch und der Historiker Reinhold Weber haben ein Buch über die Geschichte der Grünen in Baden-Württemberg vorgelegt. Der doppelsinnige Titel: „Keine Angst vor der Macht.“

Stuttgart - Es gibt Bilder, die sagen mehr als tausend Worte. Bilder wie jenes aus dem Jahr 2006, als die CDU mit dem damaligen Ministerpräsidenten Günther Oettinger an der Spitze gerade souverän die Landtagswahl gewonnen hatte. Die schwarz-gelbe Koalition war bestätigt, CDU und FDP würden weiter zusammen regieren. Alles Routine, so schien es. Doch dann begann Oettinger plötzlich, mit den Grünen über eine Regierung zu sprechen.

 

Das Foto zu Oettingers Coup findet sich auf Seite 171 in der am Montag im Emons-Verlag erscheinenden Geschichte der Grünen in Baden-Württemberg. Es zeigt fünf Menschen, vier davon lächeln beseligt: die beiden Christdemokraten Oettinger und Willi Stächele sowie die beiden Grünen Winfried Kretschmann (damals Fraktionsvorsitzender) und Andreas Braun (Landesparteichef). Der fünfte Politiker, der auf dem Foto zu erkennen ist, steht hinter Oettinger. Er wirkt angefressen, die Mundwinkel zeigen nach unten. Stefan Mappus, das zeigt das Bild, hielt nicht viel von dem schwarz-grünen Zirkus.

Zu viel Mappus

Er machte dem Spuk dann auch schnell ein Ende. Der Grüne Rezzo Schlauch schreibt in dem gemeinsam mit Reinhold Weber von der Landeszentrale für politische Bildung vorgelegten Band „Keine Angst vor der Macht: Die Grünen in Baden-Württemberg“, dass sich zwar auch 2006 noch kein schwarz-grünes Bündnis im Südwesten ergeben hätte. Doch lässt sich Schlauch so verstehen, dass hinter der Sondierung eine Strategie steckte: „In einer gemeinsamen Pressekonferenz wollten Oettinger und Kretschmann bekannt geben, dass es bei dieser Regierungsbildung nicht zu einer Koalition kommen werde, dass aber die Möglichkeit für spätere Zeiten nicht ausgeschlossen sei.“ Mappus habe diese Überlegungen mit einem Interview jäh beendet. Zu der beabsichtigten gemeinsamen Pressekonferenz kam es nicht mehr.

In Schlauchs Lesart beendete Mappus eine Entwicklung, die pfeilgerade auf Schwarz-Grün hinausgelaufen wäre. Tatsächlich galt Baden-Württemberg als mögliches Testfeld für ein solches Experiment. Im Südwesten gaben sich die Grünen pragmatisch, und zeigten sich von dem barocken Machtbewusstsein, das die CDU ausstrahlte, durchaus angetan. So wollten sie auch sein. In der CDU wiederum erkannten die helleren Köpfe, dass eine Koalition mit den Grünen helfen könnte, die eigene, inhaltlich angestaubte Partei zu modernisieren. Mappus aber, schreibt Schlauch, habe mit der Kultur des miteinander Redens gebrochen. „Ihm ging es um Konfrontation.“

Politik mit Maß und Mitte

Für Christoph Palmer, einst CDU-Minister unter Ministerpräsident Erwin Teufel und inzwischen Unternehmensberater, leidet Schlauchs Deutungsmuster unter zu viel Mappus. Koalitionen seien eine Frage der Konstellation, und Oettinger habe sich schlecht mit den Grünen einlassen können, wo es doch mit dem angestammten Partner FDP zu einem Bündnis reichte. Palmer ließ es sich nicht nehmen, bei der Buchvorstellung mit den Autoren Schlauch und Weber seine Sicht auf fast 40 Jahre Grünen darzulegen. Die Südwest-Grünen seien immer eine Diskussionspartei gewesen – mit einer erstaunlichen Breite an Persönlichkeiten. Vor allem habe der Landesverband das „Arrangement mit der Wirklichkeit“ gesucht. „Grüne machen Politik mit Maß und Mitte, und haben das auch während des Regierens nicht von den Rändern her gemacht.“

In dem klug und unterhaltsam konstruierten Band „Keine Angst vor der Macht“ berichtet Rezzo Schlauch als Akteur und Zeitzeuge. Seine Erinnerungen und Überlegungen sind verschränkt mit Kapiteln, in denen der Historiker Weber fundiert die Geschichte der Grünen aufarbeitet. Dazwischen finden sich kurze Interviews mit wichtigen Protagnisten der Zeit: Erwin Teufel, Erhard Eppler und anderen.