Auf die Deutsche Bahn AG (DB) kommt Ungemach zu. Einige private Eisenbahnunternehmen verlangen Schadenersatz in Millionenhöhe. Die Logistikfirma Bertschi aus dem Kanton Aargau bereitet zudem eine Haftungsklage vor. Grund: Das Risikomanagement für die Rheintalbahn sei „derart nachlässig“, dass die Kosten nicht auf die betroffenen Firmen abgewälzt werden könne.

Rastatt/Aargau - Wenn in der Nacht zum Montag die Rheintalstrecke wieder in Betrieb geht, ist das Thema für die DB damit noch längst nicht abgehakt. Die monatelange Sperrung aufgrund der Tunnelbaupanne hat weitreichende Folgen. Nicht nur, dass Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Donnerstag im Interview mit unserer Zeitung eine Milliarde Euro für neue Bahn-Investitionen gefordert hat. Nun verlangen einige private Eisenbahnunternehmen von der DB Schadenersatz in Millionenhöhe. In einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Schreiben an die DB heißt es: „Bisher blieben alle Hilferufe zur Bewältigung der finanziellen Folgen der Havarie unbeantwortet.“ Erlösausfälle und Mehrkosten bei Umleitungen summieren sich nach Schätzung des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen (NEE) allein für die Bahn-Unternehmen im Güterverkehr auf 100 Millionen Euro. Auch beim Verband Spedition und Logistik (VSL) Baden-Württemberg heißt es: „Uns fehlt ein Signal von der Bahn. Vorstand Pofalla und auch Verkehrsminister Dobrindt ducken sich weg“, kritisiert Geschäftsführer Andrea Marongiu. Zudem steht der Bahn womöglich eine weitere Klage ins Haus. Denn die Logistikfirma Bertschi aus Dürrenäsch im Kanton Aargau muss derzeit täglich bis zu 150 Lkw einsetzen, um seine Container zu transportieren. Das frisst viel Zeit: Mit dem Güterzug benötigen die Container zweieinhalb Stunden von Karlsruhe nach Basel. Mit dem Laster dauert es wesentlich länger. Das Transportunternehmen geht davon aus, dass der Firma ein Umsatzverlust von rund 50 Millionen Schweizer Franken (43,7 Millionen Euro) entsteht. Jan Arnet von der Bertschi-Geschäftsleitung sagte jetzt gegenüber dem Schweizer Fernsehen: „Es ist schade, dass der Kunde das Vertrauen in ein bis dahin sehr stabiles System verloren hat.“ Es sei nun wichtig, die Kunden zu überzeugen, dass die Sperrung eine einmalige Sache gewesen sei.

 

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Kritik an der Bahn

Die Deutsche Bahn will er aber nicht so einfach aus ihrer Verantwortung entlassen. Sein Hauptkritikpunkt: Die DB Netz habe es versäumt, ein einspuriges Notfallgleis zu bauen, über das weiterhin Güterzüge hätten fahren können. Bertschi werde deshalb rechtliche Schritte einleiten. Arnet: „Wenn das Risikomanagement derart nachlässig ist, muss man eine Haftungsklage machen.“ Die Kosten könnten nicht auf die betroffenen Firmen abgewälzt werden. Man formuliere derzeit deshalb eine entsprechende Klage, der sich andere Unternehmen anschließen wollen. Direkt können die Bahn allerdings nur Operateure des kombinierten Verkehrs wie Hupac oder die Frankfurter Kombiverkehr KG oder Privatbahnen verklagen, die mit der DB einen Mietvertrag abgeschlossen haben. Spediteure wiederum müssen ihre Schadensansprüche bei den Operateuren geltend machen. Diese dürften solche Forderungen jedoch an die Bahn weiterreichen.

Bereits Ende August hatte der Transportunternehmer Hans-Jörg Bertschi der „Deutschen Verkehrs-Zeitung“ gesagt, dass sein Unternehmen die Sperrung verkraften werde. Er rechne aber mit Werkschließungen bei anderen Firmen. Bertschi ist auch Verwaltungsratsvorsitzender des im alpenquerenden Güterverkehr tätigen schweizerischen Operateurs Hupac. Er prophezeite schon damals, dass der Transport von Rohstoffen sowie von Halb- und Fertigerzeugnissen ins Stocken kommen werde, wenn in Italien die Produktion nach den Sommerferien wieder in vollem Umfang angelaufen sei.

Für den Warentransport ist die Rheintalstrecke die zentrale Nord-Süd-Achse zwischen den Seehäfen von Rotterdam und Genua. Normalerweise verkehren hier bis zu 200 Güterzüge am Tag.