Von Disco-Fox bis Chanson-Pop: Ricchi e Poveri und Toto Cutugno haben in der Stuttgarter Porsche-Arena die Klischees des Italo-Pop bestätigt – und sie gleichzeitig auf hübsche Art und Weise beiseite gewischt.

Stuttgart - Schon vor fast dreißig Jahren versuchte ein TV-Spot („isch ‚abe aber gar kein Auto!“) uns Deutschen beizubringen, dass die italienischen Momente des Lebens nicht nur darin bestehen, immer mal wieder einen Cappuccino statt eines Filterkaffees zu trinken, sondern vielmehr darin, die Dinge etwas großzügiger auszulegen und Fünfe mal gerade sein zu lassen. Daher sollte man auch nicht lange damit hadern, dass unter dem Motto „I Giganti Italiani“ am Samstagabend eben nicht die wirklichen Größen der grün-weiß-roten Popszene in der Porsche-Arena gastierten – Zucchero, Gianna Nannini oder Eros Ramazzotti –, sondern lediglich zwei, sagen wir: 1b-Vertreter des Genres.

 

Wobei: Mit zwanzig Millionen verkauften Tonträgern gehört die Discoschlagertruppe Ricchi e Poveri fraglos nicht zu den Nebendarstellern dieses Genres, und auch Toto Cutugno kann auf eine jahrzehntelange Erfolgskarriere zurückblicken. Die großen Zeiten beider Acts liegen freilich schon geraume Zeit zurück – rund zweitausendfünfhundert Besucher füllen die Halle allenfalls knapp zur Hälfte. Sie erleben einen Abend, der die Klischees des Italo-Pop gleichermaßen bestätigt als auch hübsch beiseite wischt.

Nostalgische ZDF-Fernsehgarten-Atmosphäre

Für die Klischees zuständig ist zunächst Gino Castelli. Ohne Begleitband muss er als Alleinunterhalter den Abend mit einem Potpourri aus Gassenhauern von „Gloria“ bis „Azzurro“ zum Vollplayback eröffnen. Sicher: ein undankbarer Einheizer-Job – allerdings auch ein reichlich überflüssiges Entree. Richtige Musik gibt es danach mit Ricchi e Poveri. Aus den frühen Achtzigern sind die Gruppenchefs Angela Brambati und Angelo Sotgiu übrig geblieben, eine vierköpfige Band rettet ihre Songs heutzutage in die Gegenwart.

Aber sage keiner, der älter als fünfzig ist, er kenne Hits wie „Sarà perché ti amo“, „Voulez vous dancer“ oder natürlich „Mamma Maria“ nicht – und mag er diesen Ohrwürmern auch nur zwangsweise in der Pizzeria oder in der Eisdiele um die Ecke zum Opfer gefallen sein, wenn es mit dem Bezahlen mal wieder nicht schnell genug ging. Eine nostalgische ZDF-Fernsehgarten-Atmosphäre liegt über diesem rund siebzigminütigen Auftritt zwischen Disco-Fox und Schlager-Pop, doch mag diese Musik auch komplett aus der Zeit gefallen sein: Sie taugt noch immer dazu, jede ins Stocken geratene Silvesterparty wieder in Schwung zu bringen – auch in der Porsche-Arena wird tüchtig getanzt und mitgesungen.

Cutugno überzeugt als Elder Statesman

Mit nochmals größerem Besteck wartet anschließend Toto Cutugno auf. Ein neunköpfiges Ensemble, darunter eine dreiköpfige Bläsersektion, trägt die Musik des Eurovision-Song-Contest-Gewinners von 1990 („Insieme“) in die Halle – und spielt dabei weit über gängige Italo-Pop-Muster hinaus. Von Big-Band-Stimmungen bis Soul-Funk reicht Cutugnos Spektrum, und seine italophilen Chansons bekommen schon mal schummrige Untertöne und eine tiefgründige Schwere.

„L’italiano“ etwa, Cutugnos heiter-melancholischer Blick auf das eigene Land und seine Schrullen, überzeugt mit kräftigem rhythmischem Punch statt schunkeligem Beat, und „Soli“ spielt dieses Nonett mit schön diffusen Sounds fernab jegliche Schnulzenhaftigkeit. Und Cutugno selbst spart sich jegliche eitle Pose oder platte Publikumsanimation und gefällt stattdessen im weißen Anzug als distinguierter Elder Statesman eines gerne mal hemdsärmelig populistischen Genres.