Mit ihrem Urteil vom 8. Dezember haben die Mannheimer Richter das Stuttgarter Urteil bestätigt – und die Landeshauptstadt hatte mit ihrer Berufung keinen Erfolg. Sie muss den Eltern eines inzwischen vierjährigen Buben die Mehrkosten für die teurere Privatkrippe erstatten: 5290 Euro.

Stuttgart - Es bleibt dabei: Die Stadt Stuttgart muss dafür zahlen, dass sie einem kleinen Buben den Rechtsanspruch auf einen Platz in einer städtischen Krippe oder der Tagespflege nicht erfüllt hat. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (VGH) hatte am 8. Dezember verhandelt und hat die Landeshauptstadt nun dazu verurteilt, die Mehrkosten für die teurere Privatkrippe zu erstatten. Er bestätigte somit eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. November 2014, gegen die die Stadt Berufung eingelegt hatte. Es ist das erste obergerichtliche Urteil dieser Art im Südwesten und dürfte nicht nur für Stuttgart Folgen haben.

 

Hier geht's zum Kitakompass

Ob die Stadt gegen das Urteil vorgeht und Nichtzulassungsbeschwerde einlegt, sei noch offen, sagte Bürgermeisterin Isabel Fezer (FDP): „Wir werden erst die schriftliche Begründung abwarten müssen. Damit rechnen wir in den ersten Monaten des Jahres 2017 – dann prüfen und entscheiden wir.“

„Wir freuen uns über das Urteil“, sagte Dieter Schenk, der den jetzt vierjährigen Lukas (Name geändert) als Anwalt vertritt. „Der VGH hat der Familie zu Recht den Aufwendungsersatz zugesprochen. Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ergibt sich aus dem Gesetz – hieran muss sich die Stadt halten.“

VGH: Privatbetreuung entbindet Stadt nicht

Doch genau dies hat die Stadt nach Auffassung der Mannheimer Richter nicht getan. Da die Stadt dem kleinen Lukas weder im Jahr 2013 noch 2014 einen Platz in einer städtischen Kita oder in der Kindertagespflege bereitstellen konnte, meldeten ihn seine Eltern, die beide berufstätig sind, in dem privaten Early Bird Club an, der für die Betreuung deutlich höhere Gebühren verlangt. Somit fielen zwischen August 2013, als der Rechtsanspruch in Kraft trat, bis November 2014 deutliche Mehrkosten im Vergleich zu den städtischen Gebühren an: Laut VGH muss die Stadt Lukas’ Eltern die Mehrkosten von 5290 Euro erstatten. In seinem Urteil machte der VGH deutlich, dass das „bloße Versorgtsein“ mit einem privaten Betreuungsplatz die Stadt als Trägerin der Jugendhilfe nicht davon entbinde, die unter dreijährigen Kinder „in den Kreis der Anspruchsberechtigten einzubeziehen“. Auch die Tatsache, dass die Stadt den Betrieb privatgewerblicher Kitas finanziell fördere, führe „für sich genommen nicht zur Erfüllung des Rechtsanspruchs auf frühkindliche Förderung“. Die Familie des kleinen Lukas als Kläger sei zudem „nicht verpflichtet“ gewesen, die Verschaffung eines Betreuungsplatzes durch die Stadt Stuttgart einzuklagen.

Bereits in der mündlichen Verhandlung hatte Christoph Sennekamp, der Vorsitzende Richter des 12. VGH-Senats, deutlich gemacht, dass die Stadt der Familie doch noch in der Verhandlung vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht vor zwei Jahren einen Kitaplatz hätte anbieten können. Und für ein unwirtschaftliches Verhalten des Klägers – etwa eine Luxusbetreuung – sehe der VGH auch im Blick auf den Early Bird Club mit Biokost und Englischangebot keine hinreichenden Anhaltspunkte.

Bürgermeisterin: Stadt wird ihre Vergabepraxis nicht ändern

Welche Konsequenzen zieht die Stadt Stuttgart aus dem Urteil – etwa bei der Verteilung der Kitaplätze? „An der Vergabepraxis werden wir nichts ändern“, kündigte Fezer an. Sie erklärte: „Also nach wie vor sind Kriterien wie Kindeswohl, die Erwerbstätigkeit der Eltern, ein Geschwisterkind, das schon in der Einrichtung ist, und wenn ein Elternteil allein erzieht, relevante Kriterien.“ Die Frage, ob klagende Eltern künftig bei der Vergabe der Kitaplätze Vorrang haben, wie es das Urteil der Mannheimer Richter nahelegt, beantwortete die Bürgermeisterin mit einem klaren Nein.

Doch gerade diese sozialpolitisch orientierten Vergabekriterien hatten dazu geführt, dass der kleine Lukas trotz Geltendmachung seines Rechtsanspruchs bei den Wartelisten hinten runter fiel – und seine Eltern nach umfangreicher erfolgloser Krippensuche den Klageweg wählten und auf die Privatkrippe auswichen.

85 Eltern wollen sich Differenzbetrag erstatten lassen

Derzeit stehen in Stuttgart 2595 ein- und zweijährige Kinder auf der Warteliste. Insgesamt haben laut Jugendamt 412 Familien ihren Rechtsanspruch geltend gemacht, 38 Klagen laufen noch, und 85 Eltern haben beantragt, dass die Stadt ihnen den Differenzbetrag für die teurere Privatkrippe erstattet. Es könnten also weitere Kosten auf die Stadt zukommen.

Welche Folgen das Urteil für den weiteren Ausbau hat? „Wir tun bereits heute alles, was möglich ist“, sagt Fezer. Allein in diesem Jahr gebe die Stadt 316 Millionen Euro für Betriebskosten und Investitionen aus sowie 44 Millionen Euro Ausbaupauschale. Eine Fortführung der Großstadtzulage für Erzieherinnen lehnte die Stadtverwaltung jedoch ab – trotz 200 unbesetzter Stellen und Hunderter blockierter Plätze.