Mit „Exodus“ verfilmt der Macher von „Alien1“, „Thelma & Louise“ und „Blade Runner“ den Auszug der Israeliten unter Moses. Trotzdem ist der britische Regisseur Ridley Scott (77) nicht religiös.

Stuttgart - Ganz taufrisch wirkt Ridley Scott nicht, als man ihm zum Interview im Nobelhotel am Berliner Bebelplatz trifft. Eher ein wenig müde und unkonzentriert. Aber der Regisseur, der für so unterschiedliche Klassiker wie „Alien“, „Blade Runner“ oder „Thelma & Louise“ verantwortlich zeichnete und noch immer fast jährlich neue Filme (zuletzt: „The Counselor“) dreht, ist auch schon 77 Jahre alt und obendrein erkältet. Die Muße, vor dem Gespräch über sein neues Werk „Exodus: Götter und Könige“ die St. Hedwigs Kathedrale direkt vor seinem Fenster zu bewundern, hat der Brite trotzdem.
Mister Scott, schon bevor jemand „Exodus: Götter und Könige“ gesehen hatte, wurde heftig darüber diskutiert. Vor allem in Hinblick auf die weißen Schauspieler, die Ägypter und Israeliten darstellen. Hat Sie diese Diskussion überrascht?
Ehrlich gesagt ja. Mal abgesehen davon, dass man namhafte Stars braucht, um einen Film dieser Größenordnung überhaupt finanziert bekommen, habe ich die Besetzung einfach danach ausgesucht, wer mir am besten geeignet schien. Christian Bale ist zum Beispiel jemand, der mich schon lange interessiert hat. Und mittlerweile hat er eine Reife erreicht, die ihn außergewöhnlich macht. Denken Sie nur an „American Hustle“. Als Moses kam er mir deswegen frühzeitig in den Sinn. Davon abgesehen sprechen wir hier doch nicht über „American Gangster“. Wenn ich damals in der Rolle des Frank Lucas statt Denzel Washington einen weißen Schauspieler besetzt hätte, könnte ich verstehen, wenn jemand sauer wird.
Historisch korrekt dürfte die Hautfarbe Ihrer Darsteller für Nordafrikaner um 1500 vor Christus aber nun einmal nicht sein.
Da bin ich mir gar nicht so sicher. Ägypten war damals die Handelszone schlechthin, ein zentraler Knotenpunkt im globalen Verkehr. Nirgends war man damals weiter entwickelt. Frankreich oder Spanien waren verglichen mit den Ägyptern vor 5000 Jahren ziemliche Wildnis. Und wie es sich für ein solches Zentrum der Welt gehört, haben sich dort eben die verschiedensten Kulturen und Nationen gemischt. Schwarze und Weiße, Mulatten, Äthiopier, Sudanesen. Eben eine Vielfalt ethnischer Gruppen. Das spiegelt sich durchaus in der Besetzung des Films nieder. Nefertari zum Beispiel wird von Golshifteh Farahani gespielt, einer der besten iranischen Schauspielerinnen, mit der ich schon bei „Der Mann, der niemals lebte“ zusammengearbeitet hatte. Maria Valverde (in der Rolle der Zippora, Anm. d. Red.) ist Spanierin, Ghassan Massoud aus Syrien. Und Moses’ Ziehmutter wird von der großartigen, palästinensisch-israelische Schauspielerin Hiam Abbas verkörpert.
Die Geschichte von Moses wurde im Kino schon oft erzählt . . .
Moment, so oft nun auch wieder nicht. Zumindest gibt es höchstens zwei oder drei Varianten, die es sich überhaupt anzugucken lohnt. Allen voran natürlich Cecil B. DeMilles „Die zehn Gebote“, der damals überhaupt nur gedreht wurde, weil sein Star Charlton Heston so mutig war, seinen Ruhm dafür einzusetzen, dass jemand diesen Film dreht. Aber weder habe ich mir den jetzt noch einmal zu Gemüte geführt, noch habe ich mich überhaupt von seiner Existenz beeinflussen lassen. Ich hatte einfach Lust, diese Geschichte in der angemessenen Größenordnung zu erzählen.
Gab es für Sie auch einen spirituellen Grund, diese Geschichte ins Kino zu bringen?
Sie meinen, ob ich selbst religiös bin? Nein, bin ich nicht. Ich würde nicht so weit gehen, mich als Atheisten zu bezeichnen. Denn das würde ich vermutlich – wie so viele Dinge, die ich sage – schon morgen wieder bereuen. Aber Agnostiker bin ich auf jeden Fall.
Bei Filmen wie „Exodus“ sucht das Publikum oft nach Parallelen zur heutigen Zeit, nach Metaphern von zeitgemäßer Relevanz. War das auch Ihr Zugang?
Oh nein. Ich nehme bei Geschichten, die mich interessieren, einfach immer den instinktiven, natürlichen Zugang. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass heutzutage ganz ähnliche Dinge passieren und viele Konflikte immer noch die gleichen sind. Mit dem Unterschied allerdings, dass wir heute viel schlimmere Waffen haben als die Menschen damals. Und dass wir heute fast sieben Milliarden Menschen sind, die durch Kommunikationsmittel wie Twitter jederzeit und überall mit einander sprechen können, verändert natürlich alles. Dadurch werden bisweilen Krisen heraufbeschworen, die es oft gar nicht geben müsste und die es vor allem vor 50, 100 oder 2000 Jahren nicht gegeben hätte.
Da schweifen Sie jetzt etwas ab. Moses sagt im Film mal mit Blick auf das versprochene Land: „Dieses Land ist schon besetzt. Was ist, wenn sie uns dort nicht wollen?“ Darin muss man doch geradezu einen Kommentar über die heutige Situation im Konflikt zwischen Israel und Palästina erkennen?
Ja, sicherlich. Aber auch nicht mehr als das. Das ist eine 5000 Jahre alte Geschichte, und ich bin nicht der Erste, der sie erzählt. Damals ist Moses mit 400 000 Menschen dort aufgetaucht und es wäre ziemlich unklug gewesen, so viele Arbeitskräfte abzulehnen. Und auch heute haben die Juden in Israel ein Zuhause gefunden. Aber was das nun eigentlich heißt . . . Ich werde da aber nicht weiter drauf eingehen. Um die heutige Situation geht es in meinem Film nicht. Und ich bin auch nicht Oliver Stone.
Anders als manche Ihrer Kollegen, die die Digitalisierung beklagen, scheinen Sie extrem empfänglich für die neue Technologien des Kinos zu sein.
Oh ja, ich liebe digital, 3D und all diese Dinge. Aber das ist noch gar nicht so lange her. „Königreich der Himmel“ und „Black Hawk Down“ habe ich noch auf Film gedreht. „Robin Hood“ auch, meine ich. Ich glaube, „Prometheus“ war mein erster digital gedrehter Film, glaube ich. Jedenfalls kann ich mir jetzt nichts anderes mehr vorstellen. Für mich als Kontrollfreak ist es fantastisch, nicht mehr auf Film zu drehen.
Warum genau?
Wenn man einen Film weltweit in die Kinos bringt, muss man locker 10 000 bis 15 000 Kopien produzieren. Auf Film kann man immer nur 1000 identische produzieren, was ein Albtraum ist. Alle 1000 Kopien muss man den Film wieder von Neuem aufziehen und justieren. Bei den digitalen Kopien drückt man heute einen Knopf am Computer und alle 15 000 Versionen sind exakt identisch.
Und 3D? Was sind bei einem Film wie „Exodus“ die Vorteile?
Die Plagen etwa, von denen die Israeliten heimgesucht werden, hätte ich ohne 3D und moderne Tricktechnik niemals angemessen umsetzen können. Oder große Menschenmengen. Wobei man sagen muss, dass es da schon seit einigen Jahren tolle Möglichkeiten gibt. Ich erinnere mich noch, dass ich bei „Königreich der Himmel“ zum Beispiel nie mehr als 800 Statisten am Set hatte. Auf der Leinwand war dann trotzdem eine Armee von über 17 000 Männern zu sehen. Solche Dinge wären ohne das digitale Arbeiten schlicht nicht möglich.
Sie sind also kein bisschen nostalgisch?
Kaum. Das letzte Mal, dass doch ein bisschen Nostalgie in mir hochkam, war vor nicht allzu langer Zeit in London. Da lief im Fernsehen „Die Duellisten“, mein erster Film von 1977. Da blieb ich hängen und muss wirklich sagen: wunderschön. Gekostet hat der damals 800 000 Dollar. Wir haben mit nur einer einzigen Kamera gedreht, über Weihnachten in Bordeaux. Das war dann schon mal eine Gelegenheit mich zu fragen, was aus unseren Budgets heutzutage geworden ist.