Schlimmer kann so etwas nicht geraten, hat man sich bei „Noah“, Darren Aronofskys Bibel-Horrorfilm, gedacht. Zwingt Ridley Scott uns jetzt, dieses Urteil zu revidieren?

Stuttgart - Man kennt solche unglückseligen Berufungen aus der Bibel zuhauf: Einer soll Prophet werden, möchte das aber gar nicht. Soll den Willen Gottes jenen verkünden, die bestenfalls höhnen und schlimmstenfalls den Verkünder totschlagen werden. Ablehnen aber darf man die Berufung nicht, Gott verhängt sonst Beugehaft, wie gegen Jona, den er im Bauch eines Walfischs schmoren lässt.

 

Man kennt die Angebote, die man nicht abschlagen kann, auch aus dem Arbeitsleben und aus Mafiafilmen. Und Hollywood ist voll davon: Kreative müssen ihrer Karriere zuliebe an Projekten mitarbeiten, die ihnen so wenig geben wie uns. Der Brite Ridley Scott aber, der schon mehr als ein Kapitel Filmgeschichte geschrieben hat, mit „Alien“ (1979), „Blade Runner“ (1982), „Thelma & Louise“ (1991) und „Gladiator“ (2000), muss vor niemandem mehr Männchen machen. Wenn er sich auf ein Projekt einlässt, dann ist er davon überzeugt.

Der Bibelfilm „Exodus: Götter und Könige“ ist also keine Auftragsarbeit. Scott hat diesen Film gewollt, und man muss fürchten, er hat ihn so gewollt, wie er jetzt zweieinhalb Stunden lang in 3-D über die Leinwand rumpelt.

Charlton Heston reloaded

Die Geschichte von Moses, dem jüdischen Knaben, der im Weidenkörbchen auf dem Nil in die Arme der ägyptischen Oberschicht treibt, der als Mann dann weit oben steht in der Hierarchie jener Macht, die das jüdische Volk als Arbeitssklaven hält, der selbst erniedrigt wird, aber die Sklaven zur Revolte treibt und mit massiver Unterstützung Gottes eine von himmlischen Plagen durchgerüttelte ägyptische Großmacht zwingen kann, ihn und all die Seinen ziehen zu lassen – diese knallbunte, wunderpralle, mythensatte Mär hat Hollywood zu einem klassischen Ausstattungsschinken geformt, zu Cecil B. DeMilles „Die zehn Gebote“ aus dem Jahr 1956, mit Charlton Heston als Moses und Yul Brynner als Pharao Ramses.

DeMilles entwaffnend kitschiger, revuebunter, heldenkiefernstrenger Bilderbogen provoziert geradezu historisch fundiertere oder intellektuell bissigere Gegenentwürfe. Aber diesen Stachel scheint der mittlerweile 77-jährige Ridley Scott nicht gespürt zu haben. Sein „Exodus“ mit Christian Bale als Moses und Joel Edgerton als Ramses wirkt vielmehr wie ein Remake von „Die zehn Gebote“, aber wie ein verquältes: Charlton Heston reloaded.

Es ist ein Wundermärchen, das bei den naturwissenschaftlich Aufgeklärten nicht anecken möchte, aber auch ein Abenteuerspektakel, das die erzkonservative religiöse Rechte der USA nicht in ihrer Buchstabengläubigkeit stören möchte. Obendrein ist es ein Film, der seine Konfrontation gern politisch lagerübergreifend erzählen will. Den modernen Juden soll ein ergreifendes Pathosstück über die Befreiung ihrer Vorfahren aus grausamer Knechtschaft geboten werden. Der arabische Raum aber soll sich in diesen Ägyptern noch halbwegs positiv wiedererkennen können. Die Feinde der Juden sind eigentlich gar keine, nur eine Hochkultur, die Schwächere nicht absichtlich niederdrückt. Das bleibt das Treiben fieser Einzelner hinter dem Rücken von Regenten, die sich von historischer Notwendigkeit zu ihren Haltungen getrieben sehen.

Schlingern, schwanken und eiern

Scott versucht, für seine anfangs auf der höchsten Führungsebene Ägyptens agierenden Figuren eine Haltung zwischen zeremonieller Steifheit und glaubhafter Dynamik zu finden. Aber meist wirkt das zu lässige Ergebnis falsch. Doch die Kabbeleien zwischen Moses und Ramses, die anfangs noch Brüder sind, geeint in der Sorge ums Reich, getrennt durch Ramses’ Rivalitätsdenken, sind in ihrer Künstlichkeit nichts gegen die Maschinerie der Wunder.

Frosch-, Fliegen- und Heuschreckenplagen muss Scott auffahren, Blattern und Hungersnot, Würgengel des Herrn, die Ägyptens Erstgeborene töten, und schließlich, als die Streitwagen Pharaos den davonziehenden Israeliten nachsetzen, ein sich teilendes Meer, das die Fliehenden passieren lässt, um die Verfolger dann zu verschlingen. Scott eiert, schlingert und schwankt von naturwissenschaftlicher Rahmenerklärung zu himmlischen Visionen, dass einem schwindlig wird.

Doof statt schizophren

Gott schickt immerhin keine imposanten Engel. Er kommt als Bub zu Moses, und die Forderungen, Erklärungen, Zurechtweisungen des Bürschchens legen zumindest eine Spur zur empörenden Unlogik, Grausamkeit und Manipulationsfreude göttlichen Handelns im Alten Testament.

Aber dann schreckt Scott doch wieder vor sich selbst zurück. Er wagt es eben nicht, diese Figur eindeutig als eine schizophrene Abspaltung der Moses-Persönlichkeit zu zeichnen. Zwar fehlt „Exodus“ der garstig reaktionäre Kern von Darren Aronofskys „Noah“-Neuverfilmung. Aber die ewige Schaukelei lässt alles Erzählte in Doofheit gerinnen: kein würdiges Denkmal für Moses also.

Exodus: Götter und Könige. Großbritannien, USA, Spanien 2014. Regie: Ridley Scott. Mit Christian Bale, Joel Edgerton, John Turturro, Aaron Paul. 151 Minuten. Ab 12 Jahren.