Im Projekt „Gesund und fit“ der Riedseeschule in Kooperation mit dem Jugendhaus Möhringen lernen Schüler Körperbewusstsein.

Möhringen - Esra lässt sich überraschen. Deswegen schaut die Sechstklässlerin der Riedseeschule auch nicht in den Spiegel vor sich, sie lässt Erzieherin Tina Reidel vom Jugendhaus Möhringen einfach mal machen. Und Reidel steckt ab, kämmt, toupiert und sprayt. Kein einfaches Unterfangen, denn Esra hat kräftige Haare, sehr lockig und viele Wirbel im Haaransatz. „Ich hätte am liebsten glatte Haare“, sagt Esra mit Bedauern. „Man will immer das, was man nicht hat“, antwortet Tina Reidel, den Mund voller Haarklammern.

 

Morgens löst die Schülerin die Frisurfrage in der Regel mit einem Pferdeschwanz. Aber im Rahmen der Projektwoche „Gesund und fit“ will sich die Werkrealschülerin aus der Klasse 6b verwöhnen lassen. Das Ergebnis ist eine lässige Hochsteckfrisur. „Boah Esra, das sieht richtig super aus. Das musst du häufiger machen“, lobt eine Klassenkameradin, die wenige Schritte entfernt sitzt und sich die Nägel orangefarben lackieren lässt.

Rollstuhl-Parcours, um die Fitness zu testen

Körperbewusstsein entwickeln, sich in seiner Haut wohlfühlen – das sind die Ziele der viertägigen Projektwoche „Gesund und fit“ der Sechstklässler der Riedseeschule. Seit Dienstag läuft sie in Kooperation mit dem Jugendhaus Möhringen und nutzt Angebote aus der zeitgleich dort stattfindenden Gesundheitswoche „Fit’n’fun“. Ein Rollstuhl-Parcours ist aufgebaut, es werden Massagegeräte geschreinert, in einem Raum wird die persönliche Fitness auf einem Stepp-Gerät ermittelt.

Ziel ist es, den Schülern etwas über die Themen Gesundheit, Wellness und Sport zu vermitteln. „Wir versuchen, das Programm so praktisch wie möglich zu machen“, erklärt Schulsozialarbeiter Steffen Kopp das Konzept. „Denn Aktion und selbst Erfahrungen zu machen, das spricht die Schüler am ehesten an.“ Ebenfalls im Programm ist ein Besuch bei der Familienberatung „pro familia“ in Stuttgart, ein Nachmittag im Hochseilgarten der Schule und als Abschluss ein gemeinsam zubereitetes Frühstück.

Längst nicht jeder Schüler müsse für diese Themen sensibilisiert werden, sagt Kopp. „Viele machen Sport, sind in einem Verein, viele Eltern geben ihren Kindern ein Vesper mit.“ Aber es gebe eben auch diejenigen Eltern, die ihre Kinder die Nachmittage komplett vor dem Computer verbringen lassen. Und die, die ihre Kinder ohne Frühstück in die Schule kommen lassen, geben ihnen nur einen Euro mit, um sich etwas zu essen kaufen zu können. „Logisch, dass die Kinder dann Chips und keine Banane kaufen“, sagt Kopp.

Die Konsequenz dessen verspürt gerade ein Schüler im Hof des Jugendhauses. Er will sich am Kletterstand aus dem ersten Stock abseilen. Aber: Der Sicherungsgurt ist zu eng für ihn. Mit Ziehen und Nachjustieren kann der Jugendhausleiter Andreas Bernhard das Problem richten. „Aber eines muss ich Dir sagen, mein Lieber“, sagt Bernhard und gibt dem Jungen einen Klaps auf die Schulter. „Daran bist du nicht ganz unschuldig, du bist etwas schwer für dein Alter.“

Einige joggen gleich über den Hof

Häufig gehe es darum, Grundlegendes zu vermitteln. Etwa bei einem Gang durch den Supermarkt: „Wir zeigen den Kindern dann, was die Angabe der Inhaltsstoffe bedeutet. Dass Leitungswasser genauso gesund und lecker ist, wie das abgefüllte Wasser manch einer teuren französischen Marke“, sagt Kopp. Ein weiterer wichtiger Baustein ist das Bewegungstagebuch. Zu Beginn der Projektwoche hat jeder Schüler einen Schrittzähler bekommen. Es gewinnt nicht der, der am meisten gelaufen ist – Kopp zählt am Freitag das Gesamtergebnis der Klasse zusammen. „Da sind die Schüler schon gut dabei. Einige sind gleich eine Runde um den Schulhof gejoggt, um das Ergebnis zu steigern.“

Eine Woche voller Aktionen – aber reicht das? „Wir können den Schülern nur Anregungen geben“, sagt Kopp. Immer wieder erlebe er es, dass Schüler dabei bleiben, sich danach tatsächlich für einen Verein entscheiden. Oder aber nachmittags ins Jugendhaus Möhringen kommen, um dort das Bogenschießen, dass sie in der Projektwoche kennengelernt haben, weiter zu üben. Klar sei auch, dass manche Schüler nach der Projektwoche nichts ändern. „Für sie ist die Projektwoche dann eine Highlightwoche, an die sie sich gerne erinnern“, sagt Kopp. Um nachhaltigen Erfolg zu erzielen, hält er es für wichtig, die Schüler länger zu begleiten. Als Beispiel nennt der Schulsozialarbeiter die „Gesunde Pause“, ein Halbjahres-Projekt, dass vor drei Jahren an der Riedseeschule stattgefunden hat: „Gewisse Dinge müssen sich halt einschleifen.“