Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat seine Meinung geändert: überlange Lastwagen sollen versuchsweise auch im Land fahren dürfen. Das lässt die Opposition ungläubig zurück und verärgert den BUND.

Stuttgart - Auch in Baden-Württemberg dürfen so genannte Gigaliner versuchsweise auf einigen Straßenabschnitten fahren. Entgegen früherer Aussagen hat der Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) dem Versuchsbetrieb zugestimmt. Das könne man „nur als ,Kniefall’ und Einknicken vor den Interessen der baden-württembergischen Industrie und Logistikbranche bezeichnen“, schreibt der BUND in einem offenen Brief an den Verkehrsminister.

 

Wie es scheint, ist die Opposition gegen diesen Schritt außerhalb des Parlaments schärfer als innerhalb des Landtags. Die Naturschützer monieren außerdem: „Dass ausgerechnet eine grün geführte Landesregierung bei offensichtlichen Interessengegensätzen sich gegen Umwelt- und Klimaschutz entscheidet, ist unverantwortlich und stellt unsere Bewertung der Politik der Landesregierung auf eine harte Probe.“ So die Landeschefin des BUND, Brigitte Dahlbender.

Glaubwürdiger Sinneswandel?

Dass Minister Hermann diese Post am Mittwoch erhalten hat, dürfte kein Zufall gewesen sein, denn genau an dem Tag hatte die FDP-Fraktion im Landtag in einer aktuellen Debatte das Anrollen der Lang-Lkw thematisiert. „Wie glaubhaft ist der Sinneswandel des Verkehrsministers?“ lautete die provozierende Frage. Doch rhetorisch zerstückelt wurde der Verkehrsminister nicht.

Zwar zog Jochen Haußmann (FDP) das bei den Grünen neu entdeckte Verständnis für die Belange der Wirtschaft in Zweifel: „Was ist das für eine Mittelstandspolitik?“ fragte er. Der Autokonzern Daimler werde beim Ministerpräsidenten vorstellig und prompt bewege dieser den Verkehrsminister dazu, die Zurückhaltung gegenüber den Gigalinern aufzugeben und Strecken für den Versuchsbetrieb beim Bund anzumelden. Und das, obwohl sogar im Koalitionsvertrag von Grünen und SPD festgeschrieben sei, dass sich Baden-Württemberg von diesem Verkehrsmittel fernhalten wolle; liefe es doch grün-roten Bemühungen zuwider, mehr Güter von der Straße auf die Schiene und auf Binnenschiffe zu bringen.

Auch Marcel Schwehr (CDU) lobte an Hermann nur eine perfekt geglückte Rolle rückwärts. Hermann habe sich zuvor „so deutlich, wie man es deutlicher nicht sagen kann“ gegen Lang-Laster ausgesprochen, weil sie eine Belastung für Straßen und Brücken und zudem klimaschädlich seien. „Ein echter Sinneswandel hat bei Ihnen nicht stattgefunden“, sagte Schwehr.

Keine größeren Belastungen

Dem BUND wäre es gerade Recht. Doch müssen die Hoffnungen bei dem Umweltverband schwinden, denn Andreas Schwarz (Grüne) lobte seinen Parteifreund extra für ein neues Beispiel gelungener Politik des Gehörtwerdens. „Wenn neue Erkenntnisse auftreten, lassen wir sie in unsere Politik einfließen“, sagte Schwarz. Solche Einsichten etwa ergäben sich aus einem Zwischenbericht, der die Erfahrungen mit Gigalinern in anderen Ländern beleuchte.

Demnach würden Straßen und Brücken nicht stärker belastet; auch die Verkehrssicherheit leide nicht. Jetzt wollten die Grünen wissen, welchen Klimaeffekt die Lang-Lkw wohl haben. Hans-Martin Haller (SPD) hat beobachtet, dass die Spediteure von den Lang-Lastern nicht begeistert seien, weil sie ihre Betriebsabläufe umstellen müssten. Auch der Verkehrsminister selbst relativiert das Problem. Nur „etwa fünf Prozent der Verkehre können mit Lang-Lkw abgewickelt werden,“ sagte Hermann.

Bei diesem Thema gebe es mehrere begründbare Standpunkte. Seine Meinung zu überdenken sei nicht anrüchig, sondern gute Politik. Und so habe er beim Bund beantragt, die A 81 von der bayerischen Landesgrenze bis Herrenberg in den Versuch aufzunehmen, die A 8 von der bayerischen Landesgrenze bis Karlsruhe und die A 5 von Karlsruhe nach Rastatt. Der BUND fordert Hermann auf, den Versuch noch zu stoppen. Sonst werde das Land unter Druck geraten, die Gigaliner für den Regelbetrieb zuzulassen und in der Folge die Infrastruktur dafür teuer herzurichten.