Nach zwei Jahren Coronapause wird in Berglen wieder ein riesiges Osterfeuer entzündet. Für den Ort ist das Fest ein jährlich herbeigesehntes Klassentreffen – für Außenstehende die Gelegenheit für spektakuläre Fotos.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Samstagabend, gut eine Stunde vor Sonnenuntergang. Auf dem Gelände vor dem Vereinsheim der Eintracht Rettersburg weht ein Hauch von Woodstock. Sicher, die in Teilen lokal besetzte Band Untiteled ist wohl noch nicht ganz auf dem Niveau, auf dem einst Jimmy Hendrix oder The Who waren, aber die Stimmung ist absolut prächtig. Horden von Kindern tollen ausgelassen auf der Wiese umher, Pärchen, Freunde, Familien samt Hunden haben sich trotz wieder deutlich gesunkener Temperaturen auf Picknickdecken und Isomatten niedergelassen, oder stehen in Grüppchen zusammen und bewundern einen riesigen, mit Holzpaletten aufgeschichteten Berg. Alle warten geduldig auf das Event, auf das man zuletzt wegen Corona zwei Jahre verzichten musste.

 

Tradition wurde vor 35 Jahren begründet

Vor genau 35 Jahren ist in dem Berglener Teilort buchstäblich eine Tradition entzündet worden, die bis heute um die Osterzeit regelmäßig hunderte Feierwillige nach Rettersburg zieht. Die Idee dazu habe ein „Reingeschmeckter“ aus Norddeutschland mitgebracht, sagt Harald Häfner, der die Organisation des Festes vor elf Jahren übernommen hat. Häfner war seinerseits zu der Zeit in den Berglen ein frisch Zugezogener, wenngleich nicht aus Bremerhaven, sondern dem traditionell seelenverwandten Schorndorf. Dort ist das Straßenfest Schowo ein für die ganze Stadt und darüber hinaus ähnlich wichtiger Fixpunkt im Jahresablauf. „Das Osterfeuer in Berglen ist wie ein großes Klassentreffen“, sagt denn auch Holger Niederberger, in Berglen aufgewachsen, zwischenzeitlich nach Berlin ausgewandert, und jetzt zum Bürgermeister seiner Herzens- und Heimatgemeinde gewählt: „An Karsamstag kommen alle Töchter und Söhne der Berglen in Rettersburg zusammen.“

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Nicht nur der Holzpalettenberg ist im Lauf der Jahre gewachsen – heuer auf stolze sieben mal elf Meter – auch das Fest habe sich behutsam modernisiert, sagt Harald Häfner. So sei sein erster Akt als Organisator ein Gang zu den örtlichen Pfarrern gewesen. Weil diese nichts dagegen hatten, was bisher unterschwellig verpönt war, darf seither eine Live-Band zum feurigen Event aufspielen. Auch der Tierschutz ist weitgehend befriedet worden. Damit sich keine Kleintiere in dem Stapel aus gut 3000 Einwegpaletten einnisten, wird beim Aufbau im unteren Bereich entsprechende Vorsorge getroffen.

Schwaben-Cola und heimisches Lamm-Gyros

Die eigentliche, mutmaßlich eher norddeutsche Tradition des Osterfeuers – den Winter zu vertreiben und mit der Asche die Felder fruchtbar zu machen – steht in Berglen nicht unbedingt im Vordergrund. Mit Schwaben-Cola und Lamm-Gyros von Schafen aus heimischer Zucht hingegen setzt man bewusst auf Regionalität. Und den Holzstapel darf nach wie vor, nach einer vorherigen Fackeltanzeinlage, die Volkstanzgruppe der Eintracht entzünden.

Kurz vor 21 Uhr ist es nach zweijähriger Abstinenz dann wieder so weit. Die Tänzer umkreisen den Palettenturm und stecken ihre Feuerstäbe hinein. In wenigen Minuten fressen sich die Flammen nach oben und lodern meterhoch in den Himmel. Stück für Stück weichen die Schaulustigen nach hinten – das Feuer entwickelt eine enorme Hitze – um dann wieder zusammenzurücken. Die jüngeren Kinder werden nach Hause gebracht, der Rest feiert befeuert von den Eindrücken bis in die Nacht hinein weiter.