Die Riester-Rente hat die Erwartungen nicht erfüllt, meint die baden-württembergische Rentenversicherung. Sie will deshalb ein Alternativmodell anbieten.

Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)

Stuttgart - Nach zehn Jahren Riester-Rente sei es höchste Zeit, Bilanz zu ziehen, meint Hubert Seiter, der Chef der baden-württembergischen Rentenversicherung. Dass sein Zeugnis für diese Form privater Altersvorsorge keineswegs schmeichelhaft ausfällt, verwundert nicht. Schließlich ist Seiter schon qua Amt Lobbyist der traditionellen Altersvorsorge. Doch der Jurist kann sein Urteil auch mit Fakten untermauern. Zum einen würden zu wenige von dem Angebot erreicht – nur rund 40 Prozent aller Personen, die Anspruch auf eine staatliche Förderung dafür haben, riestern auch. Zum anderen hätten sich manche mit der Riester-Einführung verbundenen Hoffnungen zerschlagen.

 

Rund 5000 Riester-Produkte gibt es schon auf dem Markt

So bleibe wohl die Rendite angesichts der Schwäche der Kapitalmärkte hinter den Erwartungen zurück, würden Vertriebskosten und Provisionen bei manchem der rund 5000 Riester-Produkte heftig zu Buche schlagen. Außerdem gebe es Kritik an der Transparenz. Somit zeigt sich für Seiter, dass Riester die gesetzliche Absenkung des Ruhegelds nicht auffangen werde. Die Rentenversicherung Baden-Württemberg, die ihren Charakter als Non-Profit-Organisation herausstreicht, hat deshalb eine Alternative entwickelt: das Vorsorgekonto. Die Idee ist im Grunde simpel. Schon heute kann jeder, der vorzeitig in den Ruhestand geht und deshalb Abschläge von der Rente in Kauf nehmen muss, das Minus durch eine freiwillige Zahlung ausgleichen und dann lebenslang Altersgeld in voller Höhe bekommen. Diese Möglichkeit spielt in der Praxis freilich so gut wie keine Rolle. Nur 0,4 Prozent nutzen diese Chance, weil erstens kaum jemand damit vertraut ist und zweitens die Sache ins Geld gehen kann. Wer 38 Monate eher aus dem Berufsleben ausscheidet und stets durchschnittlich verdient hat, der muss 36 000 Euro hinlegen, um den monatlichen Abzug von 113 Euro zu vermeiden.

Das ist für die meisten viel zu teuer. Hier setzt das Vorsorgekonto an. Darauf könnte der Betrag künftig frühzeitig angespart werden. Das fiele umso leichter, wenn es die gleiche staatliche Förderung wie bei Riester gebe.„Man käme mit denselben Beiträgen wohl hin“, sagt Expertin Claudia Tuchscherer, die das Modell weiterentwickelt. Nach Ansicht der Rentenversicherung ließe sich so auch Altersarmut verhindern. Deren Umfang drohe zuzunehmen. Wegen der Rente mit 67 werde die Höhe möglicher Abzüge, wenn jemand vorzeitig aus dem Beruf ausscheidet, nämlich wachsen. Momentan arbeiten nur etwa 36 Prozent bis zur gesetzlichen Altersgrenze. Diese Quote wird wohl wegen der Demografie und dem Fachkräftemangel steigen. Doch auch für diejenigen, die bis zum Ende durchhalten, wäre das Vorsorgekonto nicht verloren. „Dann gibt es eine Rente on top“, sagt Seiter, der verspricht, dass das Geld sicher nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches angelegt würde. Aktien sind damit verboten, die Risiken begrenzt, die Renditechancen jedoch auch.

Das Wettbewerbsrecht macht Probleme

Vorerst muss Seiter allerdings dicke Bretter bohren. Da gilt es, wettbewerbsrechtliche Bedenken auszuräumen, nach denen ein staatlicher Träger nicht so ohne Weiteres den Privaten Konkurrenz machen darf. Man plane deshalb mit einer Solidarkomponente, berichtet der Jurist. Das Risiko, aus gesundheitlichen Gründen früher in Rente gehen zu müssen, solle abgesichert werden – und zwar ohne Gesundheitsprüfung, wie sie bei den Privaten üblich ist. Die Baden-Württemberger müssen überdies die anderen 15 Träger der Rentenversicherung noch überzeugen. Und es gilt, die Politik zu gewinnen. Das grüne Verbraucherschutzministerium im Land hat Seiter immerhin schon auf seiner Seite. „Wir bewerten das Modell positiv“, sagt ein Sprecher von Minister Alexander Bonde.

Grundsätzlich kämen für das Angebot zwar auch andere staatliche Träger wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau infrage, aber die Rentenversicherung verfüge mit ihren Beratungsstellen über eine passende Infrastruktur. Auch im SPD-Arbeitsministerium gibt es Sympathien für den Plan. Der Südwesten hat bereits bei der Konferenz der Verbraucherschutzminister dafür geworben, aber keine Mehrheit gefunden. Der rentenpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag begrüßt den Vorschlag ebenfalls. „Wir brauchen ein transparentes Angebot der öffentlichen Hand, um mehr Menschen mit niedrigem Einkommen zum Riestern zu bewegen“, sagt Wolfgang Strengmann-Kuhn.

Die Union ist skeptischer. „Die Rentenversicherung ist keine Sparkasse. Sie hat im Versicherungsgeschäft keine Erfahrung“, sagt der Bundestagsabgeordnete Peter Weiß. Die bisherige Trennung zwischen Umlageverfahren und Kapitaldeckung sei gut begründet. „Ich glaube nicht, dass sich daran etwas ändert.“ Unter Schwarz-Gelb im Bund lässt sich die Neuerung voraussichtlich nicht durchsetzen. „Wir bleiben aber dran“, sagt der Bonde-Sprecher. Als Nächstes sei im November eine Fachkonferenz in der Berliner Landesvertretung dazu geplant. Seiter zeigt sich ebenfalls hartnäckig. Er schielt schon auf die nächste Legislatur: „Wenn am Ende die Rente nicht reicht, werden dafür doch wir geschlagen.“