Linkspartei-Chef Bernd Riexinger stellt sich Spekulationen entgegen, wonach der neue Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn quasi entmachtet werden solle. Als Verantwortlicher für den Bundestagswahlkampf habe Höhn „eindeutig den Hut auf“.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Es ist gerade sechs Wochen her, als der Spiritus Rector der Linken, Gregor Gysi, auf dem Parteitag von den zwei Lokomotiven sprach, die aufeinander zurasen – und er stünde in der Mitte. Hass konstatierte er in der Fraktion. Nun stellt Bernd Riexinger, der in Göttingen in einer offenen Feldschlacht mit Katja Kipping an die Spitze gewählt worden ist, fest: „Ich glaube, dass wir wieder im gleichen Zug und in die gleiche Richtung fahren.“ All die seitherigen Diskussionen in der Fraktion und mit ostdeutschen Vertretern hat er als „außerordentlich konstruktiv“ empfunden. Und selbst Gysi sage nun, „dass es schon lange nicht mehr so gut war“.

 

Übernächste Woche startet das Führungsduo eine Sommertour, bei sich Riexinger im Osten und Kipping im Westen bekannter machen wollen. Der Stuttgarter hofft, dass die Eigenwerbung genauso angenommen wird wie die anderen Kommunikationsangebote an die Basis. Ist es mehr Glück oder Pech, dass vielerorts die Sommerpause den Elan bremst? Seit dem Parteitag wird kaum noch öffentlich gestritten – so kennt man die Linkspartei gar nicht.

„Der Bundesgeschäftsführer hat den Hut auf“

Allenfalls eine Personalspekulation erinnert an das vormalige Chaos: Dem neuen Geschäftsführer Matthias Höhn (36) solle im Bundestagswahlkampf der Lafontaine-Getreue Ulrich Maurer an die Seite gestellt werden, heißt es. Nun stellt Riexinger am Rande einer Landesausschusssitzung in Stuttgart im StZ-Gespräch klar: „Die Diskussion habe ich nicht verstanden, weil von Anfang an im Bundesvorstand geklärt war, dass Matthias Höhn der Wahlkampfleiter sein wird.“ Darunter werde zwar ein Team mit dem versierten Wahlkämpfer Maurer, dem Brandenburger Thomas Nord und anderen angesiedelt. „Doch den Hut auf hat eindeutig der Bundesgeschäftsführer.“

Die Spitzenkandidatur soll möglichst erst nach der Landtagswahl in Niedersachsen, die am 20. Januar stattfindet, festgelegt werden. Zuerst müssten die Landesverbände ihre Listen aufstellen. „Wir haben nur darauf bestanden, dass der Vorschlag von der Parteiführung kommt“, sagt Riexinger. Dies werde offenbar so akzeptiert. Die Entscheidung solle dann der Bundesvorstand treffen. Über Personen will er nicht reden. Dem Vernehmen nach mag Lafontaine nicht mehr antreten. Dann wäre das Feld frei für Sahra Wagenknecht. Gysi lehnt die Lebensgefährtin von Lafontaine an dieser Stelle angeblich ab. Tritt er dann trotzdem an? Zu vereinzelten Vorschlägen, drei Kandidaten aufzustellen, sagt Riexinger nur: „Bisher wird von einer Doppelspitze ausgegangen, aber es gab noch keine organisierte Diskussion.“

Mit sieben bis acht Prozent in das Wahljahr gehen

Alle großen Meinungsforschungsinstitute sehen die Linke derzeit bei sechs bis sieben Prozent. Das ist deutlich weniger als die 11,9 Prozent bei der Wahl 2009. Dennoch ist der Vorsitzende zufrieden: „Wir sind weg von der Debatte nach dem Parteitag, wonach die Linke um den Einzug in Bundestag bangen muss.“ Der weitere Absturz sei ausgeblieben. Somit befindet Riexinger: „Wenn wir das stabilisieren und mit sieben bis acht Prozent in das Wahljahr gehen, wäre ich ziemlich zufrieden.“ Viel wird vom Verlauf der Schuldenkrise in Europa abhängen: „Die Frage wird sein, ob die Leute glauben, dass unsere Konzepte eine echte Alternative sind.“ Da sei noch viel Vertrauensarbeit zu leisten. Bislang werde die Krise von keiner Partei vernünftig vermittelt. „Wir bilden da keine Ausnahme.“ Dabei habe die Linke ein „Alleinstellungsmerkmal“, sagt der 56-Jährige. Sie sei die einzige im Bundestag vertretene Partei, die den Rettungsschirm ESM und den Fiskalpakt ablehnen.

Unverständnis zeigt der frühere Verdi-Geschäftsführer für jene Gewerkschaften, die die Konzepte der Linken nicht stärker aufgreifen. Auch unterstütze seine Partei mit Grünen und Jusos, mit Wohlfahrtsverbänden und anderen Gruppen die Initiative „UmFairteilen“. Ein bundesweiter Aktionstag steht am 29. September an. Verdi und GEW machten mit, die IG Metall nicht. „Das verstehe ich nicht“, kritisiert Riexinger. Als Gewerkschafter wünsche er sich, dass die Europapolitik ein wichtigeres Politikfeld für die Arbeitnehmervertreter werde.

Dass der Chef nicht für den Bundestag kandidieren will, sei intern eher positiv aufgenommen worden – nach dem Motto: „Endlich ist da jemand, der sich um die Partei kümmert.“ Zudem decke Kipping als Abgeordnete den Teil ab. Und er habe mehr Zeit, sich den Parteiinterna zu widmen.