Rike Scheffler reichert ihre Gedichte gern mit Stimmen und Klängen an. Jetzt wurde sie zur Stadtschreiberin von Ludwigsburg bestimmt. Sie will mit Mikrofon und Soundmaschinen die besondere Atmosphäre der Barockstadt im Jahr des Stadtjubiläums einfangen.

Ludwigsburg - Ludwigsburg feiert Jubiläum und gönnt sich deshalb neben vielen Festveranstaltungen auch eine echte Premiere: Im Rahmen der 300-Jahr-Feier wurde erstmals die Stelle einer Stadtschreiberin oder eines Stadtschreibers ausgeschrieben. Die Wahl der Jury fiel auf die Berliner Lyrikerin Rike Scheffler. Für sie sei Ludwigsburg ein unbeschriebenes Blatt, sagte die 32-Jährige während einer Vorstellung für die Presse. Sie sei überhaupt das erste Mal hier. Sie verspreche sich davon „einen frischen Blick auf die Stadt“, sagte Wiebke Richert, die Leiterin des städtischen Fachbereichs Kunst und Kultur. „Wir haben bewusst jemand von ganz außen genommen.“

 

„Resonanzraum Stadt“

Für die Künstler ist eine Stadtschreiberstelle üblicherweise vor allem eine Förderung – also eine Art Stipendium. Das wird auch in diesem Fall so sein. In einem wesentlichen Punkt jedoch werde sich das Ludwigsburger Angebot von dem anderer Städte unterscheiden, betonte Richert: „Bei uns soll die Stadtschreiberin nicht einsam in ihrer Klause sitzen und an einem großen Werk arbeiten.“ Das entspreche einer alten und eher überholten Auffassung von Literatur.

Von Rike Scheffler werde hingegen erwartet, dass sie sich auch oft und mit allen Sinnen in der Stadt bewege, sagte die Kulturamtsleiterin. Das sei auch im Sinne des künstlerischen Anliegens der Lyrikerin, die sich nach eigener Aussage für „den Resonanzraum Stadt“ interessiert, sagte Stefanie Stegmann, die Leiterin des Stuttgarter Literaturhauses, die der Jury angehörte. Scheffler kenne in ihrer Kunst keine akademischen Trennlinien zwischen Roman, Essay oder Gedicht: „Ihre Texte sind durchdrungen von Klanglandschaften.“

Dazu gehöre auch, dass sie mit Musikern und Künstlern zusammenarbeite und ein Aufnahmegerät oder eine Loopmaschine benutze, um Klangcollagen zu erstellen, sagte Scheffler. Erste eigene Texte habe sie bereits im Alter von sechs Jahren geschrieben. „Das war auch schon immer musikalisch“, sagt sie. Erst recht, als sie begonnen hatte, Klavierunterricht zu nehmen. Nach einem Studium der Psychologie hat sie das Deutsche Literaturinstitut in Leipzig besucht. Seither lebt sie als freischaffende Autorin in Berlin.

Residenz in der Karlskaserne

In Ludwigsburg wird sich Rike Scheffler vor allem in den Monaten Mai und Juni aufhalten. Für diese Zeit werde der 32-Jährigen eine Wohnung in der Karlskaserne zur Verfügung gestellt, sagt Richert. Wann und wo sie in dieser Zeit auch öffentlich auftreten werde, sei noch nicht ausgemacht. Fest stehe indes, dass sie im Oktober, im Rahmen der baden-württembergischen Literaturtage, die wegen der Stadtjubiläums in diesem Jahr in Ludwigsburg stattfinden werden, einen Auftritt hat. Vielleicht zeige sich dann auch, dass Ludwigsburg einen besonderen Klang hat oder dass es Dinge gibt, die die Einheimischen aus reiner Gewohnheit überhören.

Die Gesamtkosten für die Stadtschreiberstelle betragen 8000 Euro. „Dabei werden wir aber auch von der Wüstenrot-Stiftung unterstützt“, sagt Richert. Im Herbst hatte die Jury getagt, der neben der Literaturhauschefin Stegmann auch Ulrich Raulff, der Direktor des Marbacher Literaturarchivs, Christine Lehmann vom baden-württembergischen Schriftstellerverband, die Autoren Silke Scheuermann und Matthias Göritz sowie Thomas Stierle, der Leiter der Stadtbibliothek, angehörten.