Als Maximilian Hubl schwer atmend die Matte verließ, tönten begeisterte „Maxi, Maxi“-Anfeuerungschöre durch die brechend volle Lindenbachhalle. Der Schwergewichtler der SG Weilimdorf hatte seinen Kampf gegen Andre Timofeev vom KSV Musberg zwar verloren, dabei aber nur drei Mannschaftspunkte abgegeben, anstatt der erwarteten vier. Gleiches galt für seinen Teamkameraden Paul Laible in der 71-Kilogramm-Klasse gegen den großen Favoriten Stefan-Ionut Coman – zwei Verlierer als heimliche Gewinner also. Es waren die beiden Überraschungen des Spitzenduells und Derbys der Ringer-Regionalliga, die beim 16:15-Heimsieg der Weilimdorfer zum Zünglein an der Waage wurden. Zugabe für die gastgebenden Nord-Stuttgarter: Sie sind nun Tabellenführer.
Vor den Augen von EM-Silbermedaillen-Gewinner Lucas Lazogianis und des dreifachen Weltmeisters Frank Stäbler entwickelte sich ein spannendes Spitzenduell mit teils tosender Stimmung im Publikum. „Ein toller Abend, und es gab kein Theater, obwohl es so eng war“, sagte Markus Laible, der sportliche Leiter der Weilimdorfer am Ende. Derweil haderte der Musberger Trainer Markus Scheibner: „Es ist natürlich ärgerlich, wenn man mit nur einem Punkt Differenz verliert. Ich denke, ein 16:16 wäre gerecht gewesen.“ Der besonderen Atmosphäre konnte aber auch er sich nicht entziehen: „Das war Werbung für den Sport.“
Erstmals bebte die Halle, als Scheibners Schützling Malte Ziegler in der 98-Kilogramm-Klasse gegen Paul Wahl einen 4:3-Punktsieg holte. Zuvor war es zwischen den beiden zu mehreren Kopfzusammenstößen gekommen. Die lautstark protestierenden Weilimdorfer Fans unterstellten dem Gegner Absicht, und die beiden Gastgeber-Trainer Kemal Demir und Behar Rohleder stellten den Olympia-erprobten Kampfrichter Antonio Silvestri in der Kampfpause erzürnt zur Rede. Blutig wurde es indes nur für Ziegler, der den packenden Kampf mit einem Kopfverband und unter Buhrufen respektive Jubel beendete. „Malte ringt schon hart, aber nicht unfair“, sagte Weilimdorfs Sportchef Laible über das verlorene Duell. „Ich denke, es war okay, ihn nicht zu verwarnen.“ Eine gewisse Portion Drama gehört im Derby eben dazu – ebenso wie ein Aufstellungspoker.
Statt ihr Eigengewächs Julian Kellermann auf die Matte zu schicken, traten die Musberger wie erwähnt mit dem Auslandsimport Coman an.„Ich hatte gehofft, dass sie es vielleicht nicht zu 100 Prozent ernstnehmen und mit ihrem eigenen, schwächeren Mann kommen“, sagte Laible. „Aber das ist Derby, da gibt man natürlich alles.“ Umso glücklicher war der Weilimdorfer Verantwortliche über die bärenstarke, am Ende ausschlaggebende Leistung seines Sohnemanns Paul gegen den Rumänen. Dessen defensive Herangehensweise zahlte sich dabei aus. So hielt er die erwartete Niederlage in Grenzen. „Da muss mehr passieren“, kritisierte Comans Coach Scheibner. „Wir haben uns definitiv mehr ausgerechnet.“
Gleiches galt im Schwergewicht. Weilimdorfs Hubl nutzte sein höheres Gewicht gegen den bundesligaerfahrenen Timofeev geschickt aus, ließ sich von den gegnerischen Täuschmanövern kaum irritieren und blieb überraschend lange auf den Beinen. Erst am Schluss spielte der Musberger gegen einen ausgepumpten Hubl seine Überlegenheit aus und brachte den Sieg mit einem sogenannten Double-Leg-Takedown unter Dach und Fach. Aber, bestätigt im Zuschauer Lazogianis auch ein Meister seines Fachs: „Er hat stilartfremd gegen einen guten Gegner überzeugt und nicht die erwarteten vier Punkte abgegeben.“
Für Lazogianis selbst steht am kommenden Wochenende der Bundesliga-Rückrundenauftakt mit dem ASV Schorndorf an. Für das nächste Jahr hat er bei den Europameisterschaften in Albanien den Titel im Visier. Das ganz große Ziel indes: eine Medaille bei der WM in Bahrain. Im Kreis der internationalen Ringer-Elite vermisst der wohl berühmteste Sohn der SG Weilimdorf aber hin und wieder die sportliche Heimat. „Manchmal fehlt mir das dortige Flair“, gab er zu und fügte etwas wehmütig an: „Die Stimmung, der Abend, das Derby – da will man wieder zurückkommen.“
Der bisherige Tabellenführer patzt
Seine Weilimdorfer haben durch den Sieg die Tabellenführung vom KSV Hofstetten übernommen, der gleichzeitig eine 15:20-Niederlage bei der RG Lahr kassiert hat – dem nächsten Gegner der Nord-Stuttgarter an diesem Samstagabend (Festhalle Kuhbach, 17 Uhr). Für die Musberger geht es indes zum RSV Schuttertal (Turn- und Festhalle Schuttertal, 20 Uhr).
„Da holen wir uns die Punkte zurück, die wir gegen Weilmdorf verloren haben“, kündigt der Trainer Scheibner bereits wieder gut gelaunt an. Um den Meistertitel wird es nun ein ganz enges Rennen. Vom Ersten Weilimdorf bis zum Vierten Tennenbronn sind es gerade einmal zwei Punkte Abstand. Scheibners Team ist nun Dritter.
Statistik zum Kampf
SG Weilimdorf – KSV Musberg
57 kg (griechisch-römisch): Dzhulakian – Perri 18:2-Überlegenheitssieg (Gesamt: 4:0); 130 kg (Freistil): Hubl – Timofeev 0:11-Punktniederlage (4:3); 61 kg (Fr.): Barath – Nikzad 9:6-Punktsieg (6:3); 98 kg (gr.-r.): Wahl – Ziegler 3:4-Punktniederlage (6:4); 66 kg (gr.-r.): Felix Bohn – Isaev 7:0-Punktsieg (8:4); 86 kg (Fr.): Vida – Staiger 16:0-Überlegenheitssieg (12:4); 71 kg (Fr.): Paul Laible – Coman 0:12-Punktniederlage (12:7); 80 kg: (gr.röm.): Lukas Laible – Leinmüller 16:0-Überlegenheitssieg (16:7); 75 kg: (gr.-r.): Florian Bohn – Ehrmann 0:16-Überlegenheitsniederlage (16:11); 75 kg: (Fr.) Plamadeala – Olenczyn 0:16-Überlegenheitsniederlage (16:15).