Nicht einmal vier Monate nach der Eröffnung ist ein Küstenradweg in Rio de Janeiro eingestürzt. Er war als Attraktion für die Sommerspiele gebaut worden. Zwei Männer ertranken. Das kann schwerwiegende politische Folgen haben.

Rio de Janeiro - Haben die Ingenieure geschlampt? Oder war einfach eine Laune der Natur schuld? Wie auch immer, der Einsturz eines auf Pfeilern über dem Meer geführten Radweges in Rio de Janeiro stellt plötzlich die Verlässlichkeit der Olympia-Bauten in Frage – und das an dem Tag, an dem in Athen die olympische Flamme entzündet wurde. Zwei Menschen starben bei dem Unglück, ein dritter wurde zunächst vermisst.

 

Der Weg gehört zu den Bauwerken, die nicht direkt mit den Olympischen Spielen in Verbindung stehen, aber zu den Projekten zählt, die Rio de Janeiro im Zuge der Spiele verwirklicht. Sie sollen die Akzeptanz der Bevölkerung für das teure Sportfest erhöhen. Als „schönsten Radweg der Welt“ rühmte Rios Bürgermeister Eduardo Paes die knapp vier Kilometer lange Konstruktion bei ihrer Einweihung im Januar, und das ist vermutlich nicht übertrieben.

Der Radweg verbindet zwei Nobelviertel

Der Weg, der über elf Millionen Euro gekostet hat, verbindet die Nobelviertel Leblon und São Conrado. Er wird an dem felsigen Küsten-Abschnitt auf Stelzen hoch über dem Atlantik geführt und bietet fabelhafte Ausblicke – in die Ferne des Ozeans, aber auch senkrecht hinab, dorthin, wo die Wellen an den Felsen krachen.

Zum Zeitpunkt des Unglücks hatte die wegen des Vollmondes ohnehin hohe Flut ihren Höhepunkt erreicht. Drei auf einander folgende Wellen krachten bis in die Höhe des Radwegs hinauf, und eine davon erfasste ein Stück der Fahrbahn von unten. Die Beton-Piste wurde durch die Wucht des Wassers auf etwa 50 Meter gelöst, drehte sich um und stürzte ins Meer. Augenzeugen zufolge standen oder fuhren drei Menschen auf den in die Tiefe gerissenen Stück. Zwei Leichen wurden danach von einem Hubschrauber aus geborgen, das dritte Opfer ist noch nicht gefunden.

Folgen des Klimawandels einkalkulieren

Der Ozean-Spezialist David Zee sagte der lokalen Presse, solche Bauwerke müssten in ihrer Planung auch die Folgen des Klimawandels einkalkulieren – also auch höhere Wellen. Aber zugleich äußerte Zee die Vermutung, dass die Konstruktion falsch kalkuliert gewesen sei. Der Felsformation am Unglücksort weise eine große, senkrecht verlaufende Furche auf, die wie ein Trichter gewirkt und die Macht der Wellen verstärkt habe. Andere Experten sagten, die Fahrbahn sei nicht fest genug mit den Stelzen verbunden gewesen; sie sei quasi nur aufgelegt gewesen und habe sich deshalb durch den Stoß von unten gelöst.

Bürgermeister Paes, der seinen Athen-Aufenthalt verkürzte, nannte das Unglück „unverzeihlich“, was darauf hindeutet, dass er nicht die Kräfte der Natur verdächtigt, sondern die Firma, die die Kräfte der Natur offenbar nicht hinreichend berücksichtigt hat. Das Unternehmen, das den Radweg konstruiert hat, brauchte ein halbes Jahr länger als geplant und besserte seine Forderungen mehrmals nach, sodass der Weg am Ende 30 Prozent teurer wurde. Dass sie der Familie von Rios Tourismus-Sekretär gehörte, gibt dem Unglück eine Wendung, die dem ehrgeizigen Bürgermeister politisch schaden könnte.

Generelle Überprüfung sämtlicher Olympia-Bauten gefordert

Gerardo Portela, Spezialist für Risiko-Konstruktionen am renommierten Coppe-Institut der Bundesuniversität Rio, forderte eine generelle Überprüfung sämtlicher Olympia-Bauten. „Die Tests sind unter Zeitdruck geschehen, da niemand passt richtig auf“, sagte der Professor der Zeitung „Extra“. Die Sicherheitsvorkehrungen für Großbauwerke vollzögen sich in Pendelbewegungen. Nach Unfällen werde eine Zeit lang scharf hingeschaut, dann kehre wieder der Schlendrian ein. „Wir haben eine Kultur der Euphorie“, sagte Portela, „Hauptsache, das Bauwerk ist fertig, selbst wenn es nicht hundertprozentig sicher ist“.