Die Bundesbank sieht erste Hinweise für eine Überhitzung des Immobilienmarkts. In einigen Ballungsräumen seien die Preise bereits überhöht – auch in der Landeshauptstadt Stuttgart.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Stuttgart - Die Bundesbank sieht in den niedrigen Zinsen ein erhebliches Risiko. „Je länger die Phase niedriger Zinsen anhält, umso größer ist die Gefahr, dass es zu Übertreibungen in bestimmten Marktsegmenten kommt“, sagte Vizepräsidentin Claudia Buch am Dienstag bei der Vorstellung des Bundesbank-Finanzstabilitätsberichts. Überhöhte Preise seien schon jetzt bei Unternehmensanleihen sowie bei Immobilien in Ballungsräumen zu beobachten. So seien die Preise in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Köln, München und Stuttgart seit 2008 um gut ein Drittel gestiegen.

 

Zwar gingen von den Preissteigerungen auf dem Immobilienmarkt bisher „keine übermäßigen Risiken für die Finanzstabilität“ aus, betonte Buch. In einigen Städten gebe es aber eine Überbewertung „in der Größenordnung von 20 bis 25 Prozent“. Obendrein würden Immobilienkäufe dort zum Teil vollständig kreditfinanziert. Sollten die Preise einbrechen und vermehrt Kredite ausfallen, so wäre dies für die Banken eine erhebliche Belastung. „Wir beobachten den Immobilienmarkt sehr genau. Sobald wir Gefahren für das Finanzsystem erkennen, werden wir handeln“, sagte Buch.

Eine Option wäre, dass die Aufsichtsbehörden Banken mit riskanten Immobilienkrediten höhere Eigenkapitalpuffer vorschreiben. Buch sprach sich außerdem für die Einführung eines weiteren Instruments aus, für das bislang noch die gesetzliche Grundlage fehle: Die Möglichkeit, eine Obergrenze für Kredite gemessen am Wert der Immobilie festzuschreiben.

Umfrage unter 116 Banken in 24 Städten

Die Bundesbank verwies auf eine Umfrage unter 116 Banken in 24 Städten – darunter auch Heidelberg, Mannheim, Dresden und Leipzig. Dieser Erhebung zufolge übersteigt jede dritte seit 2009 vergebene Hypothek den Beleihungswert der Immobilie. Letzterer wird von den Banken berechnet und liegt in der Regel unter dem Kaufpreis, die Abschläge sind allerdings regional sehr unterschiedlich.

In ihrem Finanzstabilitätsbericht fordert die Bundesbank deshalb ein neues Konzept zur Messung der Fremdfinanzierung von Immobilien. Auch sonst lässt die Datenbasis offenbar zu wünschen übrig: Zahlen zum Verhältnis der Kreditrate zum frei verfügbaren Einkommen der Darlehensnehmer seien „praktisch nicht verfügbar“, heißt es in dem Bericht. Die wenigen vorhandenen Daten deuteten jedoch darauf hin, „dass Kredite mit hohem Fremdkapitalanteil nicht nur an Kunden vergeben wurden, für die die monatliche Kreditrate keine große Belastung im Vergleich zum Einkommen darstellt“.

Die großzügige Kreditvergabe hängt auch damit zusammen, dass die Marge der Banken sinkt. Laut Bundesbank ist die Spanne zwischen den Zinserträgen, die die Institute von Kreditnehmern erhalten, und den Zinsaufwendungen für Einlagen deutlich geschrumpft. Dieser Effekt werde zum Teil durch mehr Umsatz – also höhere Darlehensvolumina – konterkariert. Bisher seien die Standards für die Kreditvergabe zwar kaum gelockert worden, teilte die Bundesbank mit, langfristig bestehe aber die Gefahr, dass die niedrigen Zinsen „besonders bei ertragsschwachen Instituten zu einer erhöhten Risikoneigung“ führten, sagte der für Bankenaufsicht zuständige Vorstand Andreas Dombret.

Banken seien nicht gegen alle Risiken gefeit

Die deutschen Banken sollten stattdessen „ihre Geschäftsmodelle überprüfen – auch vor dem Hintergrund von Überkapazitäten im Bankenmarkt“, forderte Dombret. Die operativen Erträge der elf international tätigen deutschen Banken seien im ersten Halbjahr 2014 gegenüber dem Vorjahr um acht Prozent gesunken. „Langfristig müssen deutsche Banken mehr verdienen, um im Wettbewerb bestehen zu können“, sagte Dombret. So könnten die besonders stark von Zinserträgen abhängigen Volksbanken und Sparkassen neben Krediten verstärkt andere Dienstleistungen für mittelständische Unternehmen anbieten, beispielsweise Absicherungsgeschäfte gegen Wechselkursschwankungen, regte der Ex-Banker an. Solche Geschäfte laufen zwar über die Spitzeninstitute Dekabank und DZ Bank, die einzelnen Sparkassen und Volksbanken bekommen für die Vermittlung von Kunden aber Provisionen.

Höhere Erträge sind aus Sicht der Bundesbank auch im Interesse der Finanzstabilität notwendig. Denn trotz der Aufstockung der Eigenkapitalpolster seit der Finanzkrise seien die Banken nicht gegen alle Risiken gefeit: „Abrupte und massive Veränderungen von Vermögenspreisen könnten zu Funktionsstörungen im gesamten Finanzsystem führen“, warnte Bundesbank-Vizepräsidentin Buch. Trotz aller Reformen der vergangenen Jahre wäre dann nicht auszuschließen, dass strauchelnde Banken erneut vom Steuerzahler gerettet werden müssten, um einen Flächenbrand zu vermeiden. Das dürfe aber nur in Ausnahmefällen geschehen. „Staatliche Mittel dürfen nur als Ultima Ratio eingesetzt werden“, mahnte Buch.