Jeder Zehnte bekommt mindestens einmal im Leben ein Harnsteinproblem. Die Medizin hat neue Methoden entwickelt, um die Steinchen zu entfernen. Trinkverhalten, Ernährung und Lebensstil können das Risiko für eine Erkrankung beeinflussen.

Delfine sind klug. Sie werden deshalb von der US-Navy eingesetzt, um beispielsweise Unterwasserminen aufzuspüren. Und so wie bei anderen Mitgliedern des Personals achtet man dort auch auf die Gesundheit der Meeressäuger und schickt sie regelmäßig zum medizinischen Check, bei dem auch Nieren und Harnwege untersucht werden. Denn dort bilden sich immer wieder Harnsteine, die am Ende – wie beim Menschen – zur berüchtigten Nierenkolik führen können.

 

Von Delfinen lernen

Deshalb interessiert sich auch Jeffrey Rimer für die Tiere. Er forscht an der University of Houston, wie man die Bildung von Nierensteinen verhindern könnte. In einer neuen Studie haben er und sein Team herausgefunden, dass sich bei den Delfinen die Ammoniumsalze der Harnsäure, die sogenannten Ammonium-Urate, umso weniger zum Stein auskristallisieren, wenn sie in einer bestimmten räumlichen Ausdehnung und Verknüpfung – den sogenannten Tautomeren – vorliegen. „Offenbar reichen schon“, wie der US-amerikanische Chemiker betont, „relativ wenige Tautomere in den Salzen aus, um das Kristallwachstum zu verlangsamen oder sogar komplett zu blockieren“. Was bedeutet: Selbst wenn sich immer mehr Urate im Urin ansammeln, muss das nicht im Harnstein enden, sofern die Salze ausreichend „tautomerisiert“ sind. Im Gegenteil. Mehr Ammonium-Urat könnte sogar heißen: mehr Tautomere, die das Steinrisiko verringern. Und möglicherweise ließe sich ja, so die Hoffnung Rimers, deren Anzahl gezielt durch eine entsprechende Ernährung erhöhen.

Freilich: Der Körper von Delfinen funktioniert anders als der des Homo sapiens. Was sich auch darin zeigt, dass ihre Harnsteine oft aus Ammonium-Urat bestehen, während sie beim Zweibeiner in zwei von drei Fällen aus Kalziumoxalat gebildet werden. Nichtsdestotrotz sieht Martin Schönthaler, Leiter der Endo-Urologie am Universitätsklinikum Freiburg, die Delfinstudie als ein Indiz dafür, „dass bei den Harnsteinen mehr Bewegung ist und sie nicht so fix und unveränderlich sind, wie man bei der Mehrheit von ihnen angenommen hat“.

Männer trifft es doppelt so häufig wie Frauen

Was dies für künftige Präventions- und Therapiemethoden bedeutet, wird sich zeigen. Dass man auf diesem Gebiet neue Impulse braucht, ist unbestritten. Denn mindestens zehn Prozent der Bevölkerung bekommen mindestens einmal in ihrem Leben ein Harnsteinproblem. Männer trifft es doppelt so häufig wie Frauen, das Haupterkrankungsalter liegt zwischen 30 und 50 Jahren. Wenn der Stein in einem der beiden Harnleiter zur Blase stecken bleibt, kann der Harn nicht mehr abfließen, sodass die Wandspannung in Nierenbecken und Harnleiter dramatisch zunimmt. Das kann zu den extremen Schmerzen der Nierenkolik führen. „Betroffene Frauen sagen oft, das sei schlimmer als eine Geburt“, berichtet Schönthaler.

Flüssigkeitsmangel ist ein Risikofaktor

Zu den Faktoren, die das Risiko für Harnsteine erhöhen, gehören die genetische Veranlagung wie auch der Lebensstil. Zu den klassischen Risikofaktoren zählt hier der Flüssigkeitsmangel, weil er die Konzentration der harnsteinbildenden Salze im Urin erhöht, und eine fleischbetonte Ernährung, weil sie durch Purine den Harnsäuregehalt im Urin erhöht. Übergewicht spielt ebenfalls eine Rolle. Ein Stein, der einen Durchmesser von etwa einem halben Zentimeter erreicht hat, muss entfernt werden. In den 1980ern wurde dazu die Stoßwellentherapie entwickelt, die den Stein per Schalldruck zertrümmert. Ihr Nachteil: Der Stein zerfalle in viele Teilchen, die beim weiteren Abtransport über die Harnwege erneut stecken bleiben könnten, so Schönthaler. Die Stoßwellentherapie wird deshalb weniger genutzt als früher. Stattdessen behandelt man derzeit vor allem mit der Ureterorenoskopie (URS), bei der ein Endoskop über die Harnröhre und Blase hoch in den Harnleiter bis zum Stein geführt wird. „Dort wird dann der Stein mithilfe eines kleinen Körbchens geborgen“, erklärt Harald Seeger, Leiter der Nephrologie am Kantonsspital Baden in der Schweiz. Oder aber man zertrümmert ihn, beispielsweise mithilfe eines Lasers, der mit dem Endoskop miteingeführt wurde. Bei größeren Steinen wird das Endoskop durch einen kleinen Schnitt am Rücken in das Nierenbecken oder in die Niere eingeführt.

Es muss nicht bei einem Stein bleiben

Ein Problem bleibt, unabhängig von der Entfernungsmethode: 30 bis 50 Prozent der Patienten müssten damit rechnen, in den ersten fünf bis zehn Jahren wieder einen Stein zu bekommen, warnt Seeger. Dabei lasse sich durch kleine Veränderungen das Risiko verringern: körperlich aktiver werden, Übergewicht reduzieren, weniger Salz und Fleisch konsumieren und die Flüssigkeitszufuhr auf 2,5 Liter pro Tag erhöhen.

Welche Getränke sind ratsam?

Risiko
 Laut einer Übersichtsstudie des UT Southwestern Medical Center in Dallas solle man sich von traditionellen Vorstellungen verabschieden, was die Art der Getränke und ihre Auswirkungen auf das Harnsteinrisiko angeht.

Kaffee
Tee wird aufgrund seiner Oxalate immer noch als Problem gesehen, obwohl er sogar – aufgrund der Gerbstoffe – die Harnsteinbildung reduziert. Softdrinks hingegen erhöhen das Steinrisiko, während Kaffee, auch entkoffeinierter, es wiederum senkt, um acht Prozent pro Tasse.