Die EU will sich bei Roaminggebühren und Netzneutralität als Anwalt der Verbraucher profilieren. Doch die von Kommission und Europaparlament vereinbarten Regeln sind zwangsläufig Kompromisse, schreibt StZ-Wirtschaftsredakteur Andreas Geldner.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Gerne lassen sich die EU und insbesondere das Europaparlament als Anwälte der Verbraucher feiern. Immer wieder waren Brüssel und Straßburg wichtige Treiber, um in einem europäischen Binnenmarkt ärgerliche Benachteiligungen aufzuheben. Die hohen Roaminggebühren, die Mobilfunkkunden aufgebürdet werden, wenn sie außerhalb ihres Heimatlandes telefonieren, sind ein solches Ärgernis, das weder technisch noch administrativ zu rechtfertigen ist.

 

Trotzdem sollten verbraucherfreundliche Spielregeln objektive Kosten und technische Zwänge nicht ignorieren. Im Kleingedruckten enthält die nun mit großem Aplomb verkündete Abschaffung der Roaminggebühren auch solche Klauseln. Einen tatsächlich entstandenen technischen Zusatzaufwand dürfen sich die Telekommunikationsanbieter weiterhin vergüten lassen. Auch Vieltelefonierer im Ausland können zur Kasse gebeten werden. Solche Einschränkungen sind sinnvoll, wenn nicht die große Mehrheit der Nutzer eine Minderheit subventionieren soll. Dass die Formulierungen einigen Auslegungsspielraum eröffnen und juristischen Streit provozieren, steht auf einem anderen Blatt.

Aber noch viel wachsweicher hat die EU die sogenannte Netzneutralität formuliert, also das Prinzip, dass alle Daten im Netz gleich behandelt werden. Im Kleingedruckten stehen so viele Relativierungen und Ausnahmen, dass dies in der Praxis leicht abzuschwächen ist. Und das ist auch gut so! Angebote wie das TV-Streaming übers Internet oder Anwendungen für das autonome Fahren haben ein radikales Verständnis von Netzneutralität technologisch überholt. Datenströme müssen heute anders gemanagt werden als zur Anfangszeit des Massen-Internets.

Dass große Anbieter nicht willkürlich einzelne Kunden diskriminieren dürfen und dass auch Start-ups eine Chance haben müssen, ist eine Selbstverständlichkeit, die auch über das Wettbewerbsrecht hätte geregelt werden können. Die EU-Verantwortlichen haben lieber die populäre Vokabel der Netzneutralität gewählt – und deren Bedeutung gleichzeitig abgeschwächt. Doch wichtiger als Begriffsgeklingel ist die Frage, ob in der Praxis eine sinnvolle und pragmatische Regelung herauskommt. Und dafür lässt der EU-Beschluss vernünftigerweise genügend Spielraum.