Uups, er macht es noch einmal: Ein Dutzend Jahre nach seinem ersten Swing-Album legt der Entertainer Robbie Williams ein vorzügliches neues vor. Es hat das Zeug zum Klassiker.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Uups, er macht es noch einmal. Ein Dutzend Jahre ist es her, dass Robbie Williams auf dem (so dachte man damals) Zenit seiner Karriere ein Album vorlegte, auf dem er von einer Ausnahme abgesehen ausschließlich Swingklassiker sang. „Swing when you’re winning“ hieß dieses brillante Werk, das ihm nicht nur ganz neue Hörerschichten erschloss, sondern seinen Ruhm zementierte – und im Übrigen sein bis heute meistverkauftes Album ist. „I will talk and Hollywood will listen“ hieß besagte Ausnahme, das einzige Stück auf der CD, das aus der Feder von Williams und seinem kongenialen Songwriter Guy Chambers stammte. Größenwahn hätte dieser Titel seinerzeit insinuieren können, wenngleich es dem britischen Entertainer schon damals gewiss nicht an Popularität mangelte – zwölf Jahre später klingt der Liedtitel aber fast schon untertrieben bescheiden. Denn wenn sich der 39-Jährige aus Stoke-on-Trent in der englischen Provinz Staffordshire heutzutage zu Wort meldet, merkt nicht nur tout Hollywood auf, sondern die ganze Welt hört zu.

 

Man muss sich die gepflegte Hybris halt leisten können. Sie beginnt schon damit, dass Robbie Williams erst vor exakt einem Jahr sein letztes Album mit dem auch nicht gerade devoten Titel „Take the Crown“ veröffentlichte, das so ziemlich überall auf der Welt an die Spitze der Charts stürmte. Sie setzt sich fort mit einer in jeder Hinsicht opulenten und für den Künstler gewiss fordernden dreimonatigen Stadiontournee durch Europa, die erst vor wenigen Wochen ihr Ende fand. Und nun ist das Stehaufmännchen schon wieder am Start – mit seinem gestern erschienenen Album „Swings both Ways“, bei dem sicher sein dürfte, dass es abermals in aller Munde und auf aller CD-Player landen dürfte – angesichts dieses abermals großen Wurfs völlig zu Recht.

Eine kesse Mischung und brillant obendrein

Die Nonchalance beginnt schon damit, ein vermeintlich ausgekostetes Projekt abermals aus der Schublade zu ziehen. Bei anderen würde man gähnen, bei Williams muss man staunen. Swingnummern, bei denen unweigerlich die Sohlen zu wippen beginnen, hat er sich erneut herausgepickt: prickelnde und geruhsamere wie Irving Berlins „Puttin’ on the Ritz“, Cab Calloways „Minnie the Moocher“, dazu Filmmusikklassiker wie „I wanna be like you“ aus dem „Dschungelbuch“ oder „If I only had a Brain“ aus dem „Zauberer von Oz“. Kess genug ist schon die Mischung, brillant obendrein die Neuinterpretationen.

Dazu hat er – diesmal dann den womöglich aufkeimenden Gedanken eines „Konzeptalbums“ lässig aus dem Weg räumend – auf dieses 16 Stücke starke Album als Kontrastprogramm auch noch achteinhalb eigene und endlich wieder mit Guy Chambers erarbeitete neue Songs gepackt, die er offenbar nebenbei in den vergangenen Monaten geschrieben und eingespielt hat, trefflich in Nashville, Hollywood (!) und den legendären Londoner Abbey Road Studios. Die Leistung allein zollt Respekt, hinzu kommt obendrein, dass diese neuen Stücke ausnahmslos hörenswert sind, beginnend schon beim wunderbaren Eröffnungspopsong „Shine my Shoes“; allein er wird überdauern.

In der Pose alter Heroen wie James Dean

„Achteinhalb“ schließlich steht hier, weil sich Robbie Williams noch eine besondere Grille gönnt: das Selbstplagiat. „Swing supreme“ heißt der Titel, es ist die Neueinspielung seines Lieds „Supreme“, das als Nummer nicht nur im Popklassikerkanon angekommen ist, sondern obendrein auch noch einer der vorzüglichsten Songs Williams’ schlechthin ist. Und im Grunde auf Gloria Gaynours „I will survive“ basiert, also quasi die Coverversion der Coverversion ist. Spaßig. Wobei „Swing supreme“ piano-, jazzbesenschlagzeug- und kontrabassbasiert wie eine Kammerbarjazznummer instrumentiert ist. Die meisten anderen Songs indes verfügen dazu über opulente Bläsersätze, wunderbar austariert, originell in der Klangfarbe, von den gestopften Trompeten über die schnatternden Klarinetten bis zum trötenden Baritonsaxofon. Sehr stimmig ist die dynamische Balance ausgefallen, selbst die Duettpartnergäste Michael Bublé, Kelly Clarkson, Olly Murs und Lily Allen fallen nicht unangenehm auf – allenfalls führt ihnen dieses Album vor Augen, dass sie noch gut an sich arbeiten können.

Die Produktion ist überdies erste Sahne, verpackt kommt dieses Album mit einem prachtvollen Booklet daher, in dem sich der größte Crooner dieser Tage optisch im Stil alter Heroen wie James Dean in Pose setzt. In den dazugehörigen Linernotes plaudert Williams unprätentiös und charmant die Entstehungsgeschichte dieser Alleinunterhaltersongs aus, die so gar nichts mit angestaubter Burschenherrlichkeit à la Frank Sinatra zu tun haben, sondern sich in der Summe zu einem Gute-Laune-Album der Extraklasse fügen, das sein mitnichten blasses letztes Werk „Take the Crow“ noch mühelos in den Schatten stellt. Oder noch mehr? Warum nicht! Die Prognose ist sicher nicht vermessen, dass „Swings both Ways“ das Zeug zu einem echten Klassiker hat.

Eleganter kann man mit einem Song nicht Ätsch sagen

Als vorletztes Lob dieser exzellenten Einspielung sei verzeichnet, dass sich der Damenschwarm Robbie Williams für den Titelsong „Swings both Ways“, den man kokett auch vielfach ausdeuten könnte, ausgerechnet den feinen Musiker Rufus Wainwright als Co-Autor und Duettpartner geladen hat, den derzeitigen König der Queer-Pop-Szene. Noch so eine Augenzwinkerei. Die letzte liefert er dann im Alleingang. In mächtiger Orchesterbesetzung nebst voluminösem Musicalchorsatz lässt „der Dicke von Take That“, wie sich Robbie Williams mal von Noel Gallagher schmähen lassen musste, den Song „No one likes a fat Pop Star“ vom Stapel. Ein letztes Statement. Denn der ansonsten hochgeschätzte frühere Oasis-Kopf Gallagher steht derzeit mit seiner Nachfolgeband High Flying Birds ein wenig abgehalftert im Regen da, während sich das quicklebendige frühere Boygroupmitglied Robbie Williams fast schon wie der Sonnenkönig fühlen darf. Eleganter als mit diesem Song könnte er nicht „Ätsch!“ sagen.