Mit einer kleinen Pilotstudie am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart will man herausfinden, ob Lachen dem Herzen helfen kann. Das Ziel ist, dass die Teilnehmer trotz ihrer Krankheit gelassener werden.

Stuttgart - Die sieben Frauen sind herzkrank und sollen das Lachen lernen. Sie stehen im Robert-Bosch-Krankenhaus um einen Tisch herum und halten gemeinsam einen Stift, der an vielen Fäden hängt. Ihre Aufgabe ist es, im Team ein Haus zu zeichnen. „Womit fangen wir an?“, fragt eine. „Mit dem Boden, hier vorne“, kommt prompt die Antwort. Die Frauen rufen sich munter zu, was noch fehlt, ziehen an ihren Fäden und malen Wände, Dach und Kamin. Was entsteht, ist ein Kinderbild. Passend zur Zeichnung ist auch die Stimmung im Raum. Die Frauen wirken offen, sogar ein klein wenig ausgelassen. Es ist Humortraining im Krankenhaus.

 

Was im ersten Moment wie ein Witz klingen mag, ist eine ernste Angelegenheit. Im Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK) wird derzeit an einer Pilotstudie gearbeitet, die herausfinden soll, ob Patienten mit Brustschmerzen und psychosomatischen Herzbeschwerden durch ein Humortraining Linderung erfahren können. „Alle Patienten haben eine Arterienverkalkung am Herzen. Als Arzt habe ich alles gemacht, was die Medizin hergibt, muss aber feststellen, dass die Patienten immer noch Schmerzen in der Brust haben“, sagt Peter Ong, Oberarzt in der Kardiologie des RBK. Von den 27 Frauen und dem einen Mann, die bisher an der Studie teilgenommen haben, haben einige Bypässe, andere Stents, alle aber haben schon „ganz viele Tabletten geschluckt“, wie Ong sagt. „Die Patienten haben dennoch jeden Tag Schmerzen in der Brust und sind in ihrer Lebensqualität stark eingeschränkt. Der Leidensdruck ist hoch“, stellt der Kardiologe fest. Die kleine Pilotstudie am RBK soll jetzt zeigen, ob Humor dem Herzen helfen kann.

Quatsch machen ist erlaubt

Die Frauen sind mit ihrem Bild fertig. Jetzt müssen sie einen Ball durch eine Tür jonglieren, wieder mit Hilfe von Fäden, wieder in der Gemeinschaft. Die Frauen lachen, unterhalten sich über die Fäden hinweg, der Ball bleibt oben. „Spiele sind wichtig, die Patienten erlauben sich selbst, Quatsch zu machen und sie werden ermutigt, sich auszuprobieren“, erklärt Barbara Wild, Chefärztin der Fliedner Klinik in Stuttgart, einer neuen Tagesklinik für Psychiatrie und Psychosomatik. Die Psychiaterin hat bereits zwei Studien zur Wirkung des Humortrainings auf depressive Patienten sowie auf Medizinstudenten gemacht und ist deshalb auch bei der aktuellen Studie dabei, die von der Eckart-von-Hirschhausen-Humor-Stiftung und dem Förderverein des RBK finanziert wird. „Bei den Studenten haben wir gesehen, dass sie danach mit Stress besser umgehen konnten.“

Was aber gehört zu einem seriösen, wissenschaftlich begleiteten Humortraining dazu? Spiele, Übungen aus dem Improvisationstheater, Witze erzählen, über den eigenen Humor und den der Eltern reflektieren. „Die Teilnehmer sollen lernen, mit einer gelasseneren Grundhaltung auch an problematische Situationen heranzugehen“, erklärt Wild. Torsten Fuchs, der seit Jahren als Clown in verschiedenen Kliniken arbeitet und jetzt auch einmal die Woche die herzkranken Patienten trainiert, ergänzt: „Die Frauen sollen wieder Leichtigkeit spüren und sich das Leben nicht schwer machen.“

Studienergebnisse könnten im Herbst vorliegen

Wichtig sind auch die Untersuchungen. Allen Patienten werden vor Beginn und am Ende des Trainings Haarproben genommen und auf das Stresshormon Cortisol hin untersucht, damit die Werte verglichen werden können. Zudem stehen am Anfang und am Ende ein Belastungs-EKG und umfangreiche Fragebögen zum gesundheitlichen Befinden aller Teilnehmer. „Wir wollen Veränderungen wissenschaftlich dokumentieren“, sagt Peter Ong. Die Studienergebnisse werden frühestens im Herbst vorliegen. Nach den Sommerferien soll noch eine vierte Humorgruppe starten, damit am Ende die Werte für rund 40 Patienten vorliegen. „Die Studie soll schließlich auch aussagekräftig sein“, so der Oberarzt.

Die Frauen sitzen inzwischen im Kreis, jede erzählt, was sie aus den Sitzungen der vergangenen Wochen mitgenommen hat. Für Marieluise Pietrzok aus Plüderhausen steht das Ergebnis nach der siebten und letzten Gruppensitzung schon fest: „Ich bin kein trübsinniger Mensch, aber das Training hat mir geholfen, den Humor auch in schwierigen Situationen zu bewahren.“ Die 67-Jährige hat drei Herzkatheter gelegt bekommen und leidet noch immer an hohem Blutdruck. Auch die Stuttgarterin Lilo Herthneck kommt zu dem Schluss: „Wenn ich die Dinge gelassener nehme, kann ich mit meinen verengten Herzkranzgefäßen besser leben.“ Irena Paszek berichtet, dass sie auf einer Tausend-Kilometer-Autofahrt die Witz-CD, die alle Teilnehmerinnen im Kurs bekommen haben, angehört und einige Witze auch ins Polnische übersetzt habe. Daraufhin erzählt eine andere Teilnehmerin ihren neuesten Witz. „Was ist der Unterschied zwischen einer russischen Hochzeit und einer russischen Beerdigung? Ein Besoffener weniger.“ Die Frauen lachen.