Für das neue United World College, ein Projekt der Robert-Bosch-Stiftung, sollen die alten Landschaftspfleger die Kartaus verlassen.  

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Die Robert-Bosch-Stiftung tut Gutes: Vor dem 150. Geburtstag des schwäbischen Tüftlers, Erfinders und Unternehmers kündigte die Stiftung an, dass sie dem United World College (UWC) ein schönes Areal spendiert. In Freiburg, in dem alten Kartäuserkloster nordöstlich der Innenstadt, sollen bereits am 1. August 2014 gut 200 ausgewählte begabte Schüler aus der ganzen Welt die gymnasiale Oberstufe absolvieren und das International Baccalaureate, machen können. Das Projekt kostet 40 Millionen Euro, das Land übernimmt die Hälfte der Betriebskosten für das Internat.

 

Die UWCs sind vom Reformpädagogen Kurt Hahn, der mit Robert Bosch befreundet war, geschaffen worden, um Jugendliche "für eine tolerantere, friedlichere und gerechtere Welt" vorzubereiten. Freiburg wurde als Standort auserkoren, weil in Greencity Umwelt und Nachhaltigkeit besonders gut zu unterrichten seien und auch "soziale Projekte, an denen sich die Schüler aktiv beteiligen" zum Konzept gehörten.

Dagegen kann niemand etwas haben. Das werde wohl das erste Großvorhaben in Freiburg sein, frohlockte Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne), gegen das nicht protestiert werde. Der OB ist zugleich Verwaltungsratsvorsitzender der Stiftung, die unter anderen die Heiliggeiststiftung verwaltet, der der das zehn Hektar große Grundstück gehört.

Teile des früheren Kartäuserklosters mit Bauernhof, historischem Wasserkraftwerk, Wirtshaus und Nebengebäuden sind 250 Jahre alt. Zwölf neue Gebäude für Schüler und Lehrkräfte werden am östlichen Berghang neben das historische Kloster gebaut. Wie ein Tessiner Bergdorf solle es aussehen, sagen die Architekten.

Die weniger beliebten Fakten rund ums Internat

Mit Bekanntwerden der Baupläne lässt nun die Anfangseuphorie nach. Bei der ersten - und es soll auch die einzige bleiben - Bürgeranhörung bemühte der parteilose Baubürgermeister Martin Haag viel Pathos: "Das ist Freiburgs Beitrag für eine bessere Welt." Schließlich sei die Bosch-Stiftung keine Heuschrecke. Doch es gibt einen Pferdefuß der guten Sache, den der Stadtplaner Wulf Dseking eher beiläufig erwähnte, als gefragt wurde, was eigentlich mit denen werden soll, die bisher für die schöne Welt der Kartaus gesorgt haben.

Dass die landschaftliche reizvolle Ecke am Rande der Großstadt in einem gepflegten Zustand ist, verdankt sie Menschen, die Pferde, Ziegen und Schafe halten, Obstanlagen hegen - und einen historischen Küchengarten saniert und zum Kulturdenkmal gemacht haben. Der Kräutergarten könne bleiben, erklärte Stadtplaner Daseking. Muss er sowieso, denn er steht unter Denkmalschutz. Die "Person", die ihn derzeit betreue, würde eben "ausgetauscht", beschied Daseking. "Da bleibt mir glatt die Luft weg", entfuhr es einer Zuhörerin.

Auch Günter Rohrbach, stellvertretender Leiter der Stiftungsverwaltung geht davon aus, "dass alle Flächen benötigt werden". Tatsächlich wurde den vier Anwohnern, dem Landwirt, dem früheren Hausmeister der Kartaus, Roland Schüle, seit 75 Jahren dort ansässig, und dem Ehepaar Seitz-Schüle schriftlich angekündigt, dass sie ihre Quartiere im kommenden Jahr räumen sollen, wenn die Bosch-Stiftung die Kartaus übernehmen wird.

Kräutergarten könnte in den Unterricht einbezogen werden

Dabei wäre es pädagogisch wertvoll, den Kräutergarten in das Unterrichtskonzept einzubeziehen. Die Schüles, beide Agraringenieure von Beruf, haben dies bereits angeboten. Wo könnte Nachhaltigkeit besser gelehrt werden als beim Wachsen und Werden von Pflanzen? Der Kartäusergarten ist ein 2000 Quadratmeter großes historisches Nutz- und Anschauungsobjekt, er gehörte zur Daseinsvorsorge der Klosteranlage.

Das in Fachkreisen viel beachtete und gut besuchte Areal mit Beeten für Obst, Gemüse und Heilkräuter hat Eva Maria Schüle zunächst allein und seit einigen Jahren zusammen mit einer Gruppe von bis zu 20 ehrenamtlichen Helfern entrümpelt und neu bepflanzt.

"Wenn gebaut wird, gibt es Eingriffe, wir werden sie aber ökologisch so verträglich wie möglich vornehmen", beteuert der Baubürgermeister Martin Haag. "Es ist zu begrüßen, dass Freiburg um eine interessante Schulinstitution bereichert wird", räumt die Architektin Katharina Ungerer-Heuck ein. Doch sie sieht noch "erheblichen Optimierungsbedarf bei der praktischen baulichen Umsetzung des Vorhabens und bei der Harmonisierung der unterschiedlichen Interessen".

Internat reduziert den Wert des Kulturdenkmals

Die Wertigkeit der Gesamtanlage als Kulturdenkmal wurde mit dem Betonbau des Johannisheims, das die Heiliggeistspitalstiftung 1966 baute, bereits erheblich beeinträchtigt. Die Oberkonservatorin i.R. befürchtet, dass diese Bausünde sich potenziert, wenn ein weiterer freier Hang zugebaut wird.

Die Neubauten könnten ihrer Ansicht nach weitaus "harmloser" oberhalb des Altenheims platziert werden und noch günstiger wäre es, den Internatsbetrieb insgesamt im Gebäudekomplex des Altenheims unterzubringen, denn das wird in wenigen Jahren ohnehin geräumt. Allerdings feiert die Bosch-Stiftung 2014 den 50. Geburtstag, und dann soll in der Kartaus alles fertig sein.