Bosch feiert 2011 ein Doppeljubiläum. Vor 150 Jahren wurde der Gründer geboren, seit 125 Jahren besteht sein Unternehmen.  Ein Portrait.

Stuttgart - Niemand zweifelt ernsthaft daran, dass Robert Bosch einer der fortschrittlichsten Unternehmer des 20. Jahrhunderts gewesen ist. In Zeiten, in denen die meisten Fabrikbesitzer noch den Klassenkampf von oben führten, dachte der Schwabe weiter. Er führte den Achtstundentag ein, verstand humane Arbeitsbedingungen und ordentliche Löhne nicht als Almosen; Bosch, der "rote Bosch", wie er oft genannt wurde, überwand den Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit in der Marktwirtschaft - eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit nach dem Verständnis in der Zeit nach der Jahrhundertwende.

 

Deshalb klang es vielen ungewohnt kritisch, als jüngst Betriebsratschef Alfred Löckle bei der Feier des 150. Geburtstags von Robert Bosch und des 125-jährigen Firmenjubiläums sagte: "Unseren Firmengründer auf die Rolle des fürsorglichen Patriarchen zu reduzieren, hieße ihn sozialromantisch zu verklären." In seiner sachlich-ruhigen Art bestritt der 57-Jährige, dass "das soziale Geschehen in diesem Unternehmen geradlinig auf Großtaten von oben zurückzuführen" sei. Dass Bosch womöglich ein soziales Paradies sei.

Bosch verstand sich als Sozialist

Dass es den "roten Bosch" so nicht gegeben hat, ist allerdings keine Erkenntnis aus dem Jahr des Doppeljubiläums. Schon vor 25 Jahren hat der Journalist Hans Konradin Herdt, langjähriger Chefredakteur der "Börsen-Zeitung", in dem Buch "Bosch - Porträt eines Unternehmens" den "roten Bosch" als Missverständnis bezeichnet. "Er war ein schwäbischer Liberaler, nichts weiter - von keiner Partei zu vereinnahmen", schrieb Herdt. Der junge Bosch verstand sich allerdings noch selbst als Sozialist, wählte SPD (ohne Mitglied zu sein), kritisierte die vielfach als Land der Freiheit gefeierten USA, weil dort nach seiner Ansicht der "Eckstein" der Gerechtigkeit - die Gleichheit vor dem Gesetz - fehlte, und spendete Geld für die Arbeiterbewegung.

Das Weltbild des Unternehmers Robert Bosch im Jahr 1930 sah dann anders aus: "Unser Heil kann nicht beim sozialistischen Staat und nicht beim Staatssozialismus liegen", sagte er. Der damals 69-Jährige setzte, was auch heute noch nicht verstaubt klingt, auf die "freie Wirtschaft unter vernünftigen Sozialgesetzen von verantwortungsbewussten Leitern gemeistert". Politisch stand er da dem Liberalen Friedrich Naumann sehr nahe. Dass sich das Bild vom "roten Bosch" gleichwohl so hartnäckig gehalten hat, führte Herdt auf dessen Unternehmerkollegen zurück. In dem reaktionär geprägten Lager war Bosch als Verfechter einer freiheitlichen Gesellschaft Außenseiter - einer, der mit den Großindustriellen auch gesellschaftlich keinen Umgang pflegte. Bosch entzog sich dem Stereotyp seines Standes, schrieb Herdt.

Arbeiter hatten einen hohen Stellenwert

An der Legende vom "roten Bosch" hat der Unternehmer selbst den geringsten Anteil; denn aus den Motiven für sein Handeln machte er nie ein Hehl: "Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel Geld habe, sondern ich habe viel Geld, weil ich gute Löhne zahle", lautet die berühmt gewordene Erklärung für die eigene Geschäftspolitik. Die Arbeiter hatten bei ihm einen hohen Stellenwert; als "gleichberechtigte Vertragspartner" bezeichnete er sie. Schon vor dem Ersten Weltkrieg gab es eine Mitarbeitervertretung, die die Belange der Beschäftigten gegenüber der Leitung vertrat.

Bosch zahlte Löhne, die weit über dem Durchschnitt lagen. 1911 kam ein Bosch-Arbeiter zum Beispiel auf ein Jahreseinkommen von 2000 Mark; anderswo lag der Durchschnittslohn bei 1341 Mark. Vorreiter war Bosch auch bei der Arbeitszeitverkürzung, erst mit dem Neun-, dann mit dem Achtstundentag und den freien Samstagnachmittagen; Ostermontag, Himmelfahrt und der 1. Mai waren arbeitsfrei.

Nach acht Wochen ging der Gewerkschaft das Geld aus

Gleichwohl hat Löckle recht, wenn er "die Geschichte von Bosch auch als eine Geschichte der Emanzipation der Boschler" beschreibt. Ein zentrales Datum markiert das Jahr 1913, als es in dem Unternehmen unter nicht eindeutig geklärten Umständen zu einem großen Streik kam. Ausgangspunkt war die Entlassung von acht Arbeitern, darunter auch ein gewerkschaftlicher Vertrauensmann, dem wegen "Unbotmäßigkeit" gekündigt worden war. Daraufhin weigerte sich die Belegschaft in Feuerbach, zu 95 Prozent gewerkschaftlich organisiert, Überstunden zu machen. Zur gleichen Zeit sah sich Bosch mit der Forderung der Gewerkschaft nach zehn Prozent mehr Lohn für die überdurchschnittlich bezahlte Belegschaft konfrontiert. Bosch lehnte ab und legte einfach den Betrieb still (was er nicht als Aussperrung verstanden wissen wollte). Den Nichtorganisierten wurde nach drei Tagen ein Betrag in Höhe des Streikgeldes der Gewerkschaft gezahlt.

Der Kampf dauerte acht Wochen, dann ging der Gewerkschaft das Geld aus. Die Arbeiter wurden wiedereingestellt - "bis auf 900 missliebig gewordene", wie Hans-Erhard Lessing in seiner Biografie lapidar schreibt. Bosch selbst trat im Verlauf des Konflikts entgegen seiner bisherigen Überzeugung dem Verband der Metallarbeitgeber bei, um "gegen die Machtgelüste der Gewerkschaften" anzukämpfen. Als eigentlichen Verursacher des Streiks hatte er freilich nicht die Gewerkschaft im Blick, weil er sich nicht vorstellen konnte, in deren Visier geraten zu sein, sondern eine Frau.

Bosch tat sich mit stattlicher Autorität schwer

Der Unternehmer pflegte Umgang mit vielen linken Intellektuellen, darunter auch der Revolutionärin Clara Zetkin, auf deren Vermittlung hin Bosch 1905 politische Flüchtlinge aus Russland in seiner Firma aufnahm. Clara Zetkin war verheiratet mit dem Maler Fritz Zundel, der gleichfalls Kontakt zu den Boschs hatte und für die Familie malte. Irgendwann begannen Zundel und Robert Boschs jüngste Tochter Paula ein Verhältnis, das der Mann lange vor seiner Ehefrau geheim zu halten versuchte. Als die Sache aufflog, trennte sich die tiefgekränkte Clara Zetkin von ihrem Mann und willigte erst nach zehn Jahren in die Scheidung ein. Nach Boschs Lesart hatte der große Streik etwas mit der Rache einer gedemütigten Frau zu tun. Den nötigen Einfluss in der Arbeiterbewegung hatte Clara Zetkin auf jeden Fall.

Dass sich Bosch in seinem Drang nach Freiheit mit staatlicher Autorität schwertat, ist nicht verwunderlich. Der Historiker Paul Sauer hat das mit einer amüsanten, eher unpolitischen Anekdote untermauert. So wollte König Wilhelm II. von Württemberg, den Bosch trotz seiner monarchiekritischen Einstellung durchaus schätzte, einst dessen aufstrebendes Unternehmen besuchen. Der Firmenchef war einverstanden, aber den vom Hof vorgeschriebenen Frack als Bekleidung lehnte er ab. Nach längeren Verhandlungen lenkte Wilhelms Entourage ein und stimmte als Kompromiss einem schwarzen Rock zu. Doch kurz bevor der König kommen wollte, wurde Bosch krank und der Besuch fiel aus. Ein neuer Termin wurde vereinbart, aber diesmal verhinderte der Erste Weltkrieg die Visite. Der König traute sich nicht in die Fabrik, weil die Belegschaft dem Gast womöglich nicht den erwarteten Respekt entgegen gebracht hätte. So sagte der Monarch den Besuch ab; zuletzt, so heißt es bei Sauer, habe der Hof noch nicht einmal mehr auf dem schwarzen Rock bestanden.

Wie kaum ein Zweiter in Opposition zu den Nazis

Ernsthafter waren die Probleme, als Hitler an die Macht kam. Bosch und Hans Walz, der 1926 die operative Führung übernommen hatte, waren gezwungen, sich mit einem verhassten Regime auseinanderzusetzen. Bosch stand wie kaum ein zweiter Unternehmer in Opposition zu den Nazis, unterstützte den Widerstand und half jüdischen Mitarbeitern. Gleichwohl hatte die Ablehnung Grenzen. "Fast 700 Mitglieder der Deutschen Arbeitsfront (DAF) und der Nationalsozialistischen Betriebszellen-Organisation als Spitzel im Betrieb ließen es Hans Walz geraten sein, nur einen Widerstand in begrenzter Form zu wagen", schreibt Lessing. Bosch war als kriegswichtiger Betrieb klassifiziert und konnte sich deshalb dem System nicht entziehen. So wurden auch Zwangsarbeiter beschäftigt.

Distanz hielt Robert Bosch zu den Größen des Nazireichs, die zum Beispiel der Jubiläumsfeier 1936 fern blieben; Festredner war Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht. Gleichwohl konnte Bosch auch Hitler und Göring nicht ignorieren. Wie wenig sich die Gesprächspartner aber zu sagen hatten, geht aus der Notiz Boschs nach einem Treffen mit Hitler im September 1933 hervor: "Ich hatte keine Gelegenheit, auch keinen Wunsch, zu unterbrechen, denn es scheint mir das nutz- und zwecklos", schrieb er. Bosch musste hinnehmen, dass die Nazis zumindest versuchten, ihn und seine Erfolge propagandistisch für sich zu vereinnahmen.

So überbrachte ihm Robert Ley, der Leiter der Deutschen Arbeitsfront, zum 80. Geburtstag am 23. September 1941 die Ernennung zum "Pionier der Arbeit" und schenkte ihm ein Modell des späteren VW-Käfer. Als Bosch im folgenden Jahr am 12. März 1942 starb, ordnete das NS-Regime ein Staatsbegräbnis an, das in der Halle des Landesgewerbemuseums in Stuttgart stattfand; mit dabei war Reichswirtschaftsminister Walther Funk. Das stärkere Zeichen war jedoch, dass bei der anschließenden Einäscherungsfeier im Krematorium kein Vertreter des Regimes anwesend war.

Auch in Baden-Baden spüren ihn die Nazis auf

1861 Robert Bosch wird am 23. September in Albeck bei Ulm als elftes von zwölf Kindern von Servatius Bosch, Wirt des Gasthauses Krone, und seiner Frau Margaretha geboren.

1869 Die Familie zieht nach Ulm um; Bosch besucht bis zum Abschluss die Realschule und absolviert eine Feinmechanikerlehre.

1884/85 Aufenthalt in den USA und in England; unter anderem Tätigkeit bei Edison Machine Works und bei Siemens Brothers.

1886 Am 15. November Eröffnung der Werkstätte für Feinmechanik & Elektrotechnik in Stuttgart in der Rotebühlstraße 75B mit einem Gesellen und einem Lehrjungen. Schwerpunkt ist die Einrichtung von Telefonen sowie der Bau und die Reparatur von elektrischen Apparaten.

1887 Heirat mit Anna Kayser, Schwester seines Freundes Eugen Kayser; Kinder Margarete (geboren 1888), Paula (1889) und Robert (1891).

1897 Erste erfolgreiche Anwendung der Bosch-Niederspannungs-Magnetzündung im Auto.

1901 Am 1. April bezieht Bosch mit 45 Arbeitern die Elektrotechnische Fabrik Robert Bosch in der Stuttgarter Hoppenlaustraße.

1902 Boschs Mitarbeiter Gottlieb Honold entwickelt die Hochspannungszündung mit Zündkerze und schafft damit den Durchbruch. Einer der ersten Kunden: Gottlieb Daimler.

1906 Einführung des Achtstundentags anlässlich des 100.000. Magnetzünders. Von den jetzt möglichen Doppelschichten zu je acht Stunden verspricht sich Bosch Vorteile.

1909 Bosch will die Fertigungstiefe erhöhen und Teile, die für den Bau von Magnetzündern gebraucht werden, selbst herstellen. Hierfür errichtet er in Stuttgart-Feuerbach eine Fabrik, das sogenannte Presswerk. Zunächst werden dort Messingteile und Stahlmagnete gefertigt; später kommt noch eine Gießerei hinzu.

1910 Einführung des arbeitsfreien Samstagnachmittags aus Anlass der Produktion des 500.000. Magnetzünders.

1911 Hans Walz wird Boschs Privatsekretär.

1912/13 Bosch baut Anlasser und bietet damit komplette elektrische Kraftfahrzeuganlagen bestehend aus Magnetzündung mit Zündkerzen, Anlasser, Lichtmaschine, Scheinwerfern und Reglerschalter an.

1914 Bosch hat einen Exportanteil von 88 Prozent, und gut die Hälfte des Vermögens steckt in Vertretungen und Werken im Ausland. Entsprechend hoch sind die Kriegsschäden.

1916/17 Bosch spendet die Gewinne von 20 Millionen Mark aus Rüstungsaufträgen für gemeinnützige Zwecke, davon 13 Millionen Mark für den Bau des Neckarkanals.

1919 Die Mitarbeiterzeitung „Bosch-Zünder“ erscheint erstmals. Ihr Ziel: die Identifikation mit der Firma fördern und die Motivation erhöhen.

1923 Bosch testet erste Prototypen von Einspritzpumpen für Dieselmotoren; die Serienfertigung beginnt 1927. Erster Kunde ist MAN.

1926 Bosch übergibt die operative Führung seines Unternehmens an Hans Walz.

1927 Scheidung von Anna und Heirat mit Margarete Wörz; Kinder Robert (geboren 1928) und Eva (1931).

1932/33 Diversifizierung durch Kauf von Junkers (Gasgeräte) und Blaupunkt (Radios) sowie den Bau von Hausgeräten; Kinoprojektoren, Elektrowerkzeuge und TV-Technik folgten.

1934 Bosch zahlt den Mitarbeitern erstmals eine Arbeits- und Erfolgsprämie.

1937 Einstellung des früheren Leipziger Oberbürgermeisters Carl Goerdeler, der zu den führenden Köpfen des Widerstands gehört.

1938 Hans Walz überweist 1,2 Millionen Mark an den Sonderfonds Jüdische Mittelstelle.

1940 Das Robert-Bosch-Krankenhaus wird eröffnet. Die Stiftung des Krankenhauses erfolgte 1936 aus Anlass des 50. Firmenjubiläums.

1941 Seinen 80. Geburtstag feiert Bosch im Kurhotel Brenner in Baden-Baden. Trotz Flucht aus Stuttgart spüren ihn die Nazis auf und überreichen ihm den Orden „Pionier der Arbeit“.

1942 Am 12. März stirbt Bosch. Er wird auf dem Stuttgarter Waldfriedhof beigesetzt.