Robert Harris ist zurück – und macht in „München“ in der Ära weiter, mit der er vor Jahrzehnten bekannt geworden ist, im Nationasozialismus. Ob sich die Lektüre lohnt, erfahren Sie hier.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

München - Es ist ja schon ein bisschen auffällig: Mit der Rückkehr des Nationalismus und rücksichtsloser Aut0kraten in die Weltgeschichte mehren sich die Autoren, die mit ihren Geschichten den Lesern offenbar verdeutlichen wollen, wie zerbrechlich der Weltfrieden ist. Auch der Thrillerautor Robert Harris reiht sich ein und widmet sich nach dem Papstthriller „Konklave“ in seinem neuesten Werk dem Münchener Abkommen von September 1938, in der die sogenannte „Sudetenkrise“ beigelegt wurde und sich Hitler den überwiegend von Deutschen bewohnten Landstrich der Tschechoslowakei unter den Nagel riss.

 

Vordergründig galt mit dem „Diktat von München“ ein Krieg in Europa noch einmal als abgewendet. Heute indes wissen wir, dass der teuer erkaufte Frieden nur von kurzer Dauer war. Im März 1939 ließ Hitler die restliche Tschechoslowakei besetzen, mit dem Überfall auf Polen im September zog er den Kontinent und die Welt doch in den Abgrund des Zweiten Weltkrieges.

Ein Diktator mit einem Funken Restvernunft?

Von alledem wissen die Protagonisten in Harris’ „München“ natürlich nichts. Sie müssen einschätzen, ob in dem sinistren Diktator noch ein Funken Restvernunft schlummert, und für sich die Frage beantworten, ob sich Hitlerdeutschland mit dem Sudetenland wirklich zufrieden geben will. Denn eines scheint den Spitzenpolitikern in Frankreich und Deutschland klar: Einen Krieg können sie für die Tschechoslowakei nicht riskieren, in ihren heimischen Parlamenten wäre er kaum durchsetzbar.

Hier finden Sie die besten Krimis und Thriller des Jahres 2017.

Dies ist die Ausgangslage, als sich im September 1938 die Premierminister Chamberlain (Großbritannien) und Daladier (Frankreich) mit den Diktatoren Mussolini und Hitler treffen, um eine gewaltfreie Lösung für die von Hitler bewusst eskalierte „Sudetenkrise“ zu finden. Mit dabei sind in Harris’ Thriller im jeweils britischen und deutschen Gefolge die Diplomaten Hugh Legat und Paul von Hartmann. Der deutsche von Hartmann hat sich den Zugang zur Konferenz erschlichen, tatsächlich gehört er einer Widerstandszelle gegen Hitler an.

Tödliche Konsequenzen für Millionen Europäer?

Beide Diplomaten kennen sich noch vom Studium und suchen den Kontakt. Aber worum geht es wirklich? Um ein Attentat auf Hitler? Soll der drohende Krieg verhindert oder den britischen und französischen Politikern die wahre Natur der Hitlerschen Territorialpolitik vor Augen geführt werden – mit womöglich tödlichen Konsequenzen für Millionen Europäer?

Kenntnisreich schildert Robert Harris das Vorgeplänkel und die eigentliche Konferenz von München, mit allen Staatsmännern samt deren Marotten. Drumherum spinnt er ein Komplott mit allerlei Intrigen, in dem die Beteiligten alle ihre ganz eigenen Pläne und ihren Vorteil im Blick haben, während um sie herum Weltgeschichte betrieben wird. Wer Harris’ gut recherchierte Thriller mag, wird auch von „München“ nicht enttäuscht sein.

Robert Harris: München. Aus dem Englischen von Wolfgang Müller. Heyne Verlag München 2017. Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 22 Euro. Auch als E-Book, 17,99 Euro, und als Hörbuch, 22 Euro.