Roberto Blanco „Leben und leben lassen“
Warum er sich einer Rassismusdebatte verweigert, wie er Ehrenmitglied der CSU wurde – und was er sich zu seinem 85. Geburtstag wünscht. Ein Gespräch mit dem Schlagersänger Roberto Blanco.
Warum er sich einer Rassismusdebatte verweigert, wie er Ehrenmitglied der CSU wurde – und was er sich zu seinem 85. Geburtstag wünscht. Ein Gespräch mit dem Schlagersänger Roberto Blanco.
Er ist der Unverwüstliche der deutschen Showbranche und vermutlich bekannter als die meisten Mitglieder der Bundesregierung: Seit 66 Jahren mischt Roberto Blanco in Film, Theater und vor allem in der Schlagerszene kräftig mit, ganz aktuell hat er seine Fans mit einem neuen Doppelalbum erfreut. Er steht in Didi Hallervordens Berliner Schlosspark-Theater im zweiten Teil von „Monsieur Claude und seine Töchter“ auf der Bühne und feiert dort am 7. Juni auch seinen 85. Geburtstag.
Herr Blanco, einer Ihrer größten Hits war „Ein bisschen Spaß muss sein“. Wie viel Spaß haben Sie so im Leben?
Jede Menge. Das Lied habe ich ja vor 50 Jahren aufgenommen und die Leute verlangen es noch immer. Ich bin ein dankbarer Mensch. Jeder Sänger, der diesen Beruf ergreift, ist froh, wenn er einen Hit hat. Jetzt feiere ich 50 Jahre „Ein bisschen Spaß muss sein“ genauso wie 50 Jahre „Der Puppenspieler von Mexiko“.
Und Sie spielen hier in Berlin Theater – ist das auch ein Spaßfaktor für Sie?
Alles, was ich mache, macht mir Spaß, wenn es auch dem Publikum Spaß macht. Ich werde ja von niemandem gesponsert, von keiner Zeitung, keinem Fernsehsender, von niemandem, nur das Publikum hält mich hoch. Und das macht Spaß.
Anfang Mai haben Sie Boris Becker nach seiner Verurteilung einen Brief geschrieben und ihn in der „Bild“-Zeitung veröffentlicht. Darin hieß es, dass Sie sich darauf freuen, mit ihm gemeinsam wieder „Ein bisschen Spaß muss sein“ zu singen.
Immer wenn wir uns gesehen haben, fing er an zu singen „Ein bisschen Spaß muss sein“, anschließend haben wir uns umarmt. Und ich freue mich, wenn das wieder passiert.
Hat er auf Ihren Brief geantwortet?
Nein, ich bitte Sie. Wissen Sie nicht, wo er ist? Er macht doch keinen Urlaub. Ich weiß, in welcher Situation er steckt, und ich habe ihm keinen Brief geschrieben, damit er ihn beantwortet. Eines Tages werden wir uns wiedersehen und dann wird er sich bedanken. Bestimmt. Das ist mir wichtig.
Können Sie nachvollziehen, wie Becker in diese finanzielle Schieflage gekommen ist, die letztlich zu seiner Verurteilung führte?
Ich habe geschrieben, dass er ein großartiger Sportler und ein großartiger Mensch ist. Aber was er privat macht, ist seine Sache.
Sie haben 2014 selbst mal ein selbstironisches Video gedreht, in dem Sie sangen, „Ein bisschen spar’n muss sein“. Hatten Sie damals auch finanzielle Probleme?
Es ist doch egal, was es war. Ich bitte Sie – Sie sind doch nicht nach Berlin gekommen, um mich zu kritisieren, was ich hatte und was ich nicht hatte. Was passé ist, ist passé. Jetzt spiele ich hier Theater im zweiten Teil von „Monsieur Claude und seine Töchter“, ich habe das Doppelalbum „Jetzt erst recht” aufgenommen, ich bin 66 Jahre im Showbusiness und ich werde 85 Jahre alt. Es gibt doch genug zu besprechen.
Lesen Sie aus unserem Angebot: Steht Semino Rossi bald wieder auf der Bühne?
Na dann: Warum stehen Sie mit 85 immer noch auf der Bühne?
Weil ich das kann. Ich bin gesund, ich kann Theater spielen, ich kann singen, ich habe mein Temperament. Ich fühle mich wie ein 40-Jähriger.
Was ist Ihr größter Wunsch zum Geburtstag?
Es ist der erste Geburtstag, an dem ich sehr viele Wünsche habe, allerdings nicht für mich allein. Ich wünsche mir für mich, meine Freunde und die ganze Welt Gesundheit, und dass die Epidemie vorübergeht. Dann wünsche ich mir Frieden, dass die Menschen endlich Menschen werden und nach dem Motto „Leben und leben lassen“ leben. Das ist das schönste Motto, das es gibt – ich wünsche mir, dass der liebe Gott mir die Kraft gibt, das an viele Menschen weiterzugeben. „Leben und leben lassen“ bedeutet, dass es keine Kriege gibt und keinen Streit zwischen Nachbarn, keinen Hass und keine Gier.
Springen wir mal eben 85 Jahre zurück ins Jahr 1937. Ihre Eltern kamen aus Kuba, Sie haben als Kind und Jugendlicher in Beirut und Madrid gelebt, bevor Sie dann in Deutschland Karriere machten. Wie kam es, dass Sie ausgerechnet in Tunis geboren wurden?
Meine Eltern waren auf Weltreise, deshalb wurde ich in Tunis geboren. Drei Monate später sind sie nach Paris gegangen und haben dort gelebt. Als der Krieg kam, haben sie Frankreich verlassen und sind nach Beirut gegangen, weil der Libanon ein neutrales Land war.
Ihre Mutter war ein Varieté-Star und ist gestorben, als Sie zwei Jahre alt waren. Haben Sie eigentlich eine Erinnerung an sie?
Haben Sie eine Erinnerung an Ihre Mutter mit anderthalb oder zwei Jahren? Ich nicht. Ich bin ein Mensch und kein Roboter. Aber ich habe insofern eine gute Erinnerung, weil mein Vater viel von ihr erzählt und mir viele Fotos gezeigt hat. Alle Freunde meiner Eltern haben mir gesagt, wie toll sie war – Mercedes Blanco war eine einmalige Person.
Viele Leute glauben ja, Roberto Blanco sei ein Künstlername.
Ich will niemanden beleidigen, aber ich nenne sie dumme Leute. Ich habe seit meiner Anfangszeit als Künstler immer gesagt, dass ich Roberto Zerquera Blanco heiße. Zerquera war der Name meines Vaters, Blanco der meiner Mutter. Udo Jürgens ist ein Künstlername, Thomas Anders auch, Tony Curtis auch – ich bin der einzige Künstler, der seinen richtigen Namen trägt.
Mit zwei Jahren sind Sie in Beirut in ein Kloster gekommen, in dem französische Nonnen eine Mädchenschule betrieben.
Mein Vater hat mit seinem Orchester in Nachtclubs gearbeitet und musste mehrfach am Abend ins Hotel fahren und gucken: Was macht Roberto? Schläft er? Ist er wach geworden? Bis der Besitzer des Nachtclubs ihn gefragt hat, warum er mich nicht in ein Internat gibt. Aber wer nimmt einen Jungen von zwei Jahren? Die Nonnen würden ihn nehmen, sagte der Nachtclubbesitzer, seine Tochter war auch da. Und tatsächlich: Wir sind hingegangen, ich mit meinen Kugelaugen hab dann auf dem Schoß der Oberin gesessen und sie immer angeguckt. Sie hat sich sofort in mich verliebt und gesagt: Der bleibt bei uns. Es gab 1000 Mädchen und 300 Nonnen – ich war der einzige Junge. Das Maskottchen und Püppchen, das von Arm zu Arm gereicht wurde.
Sie hatten eine gute Zeit im Kloster?
Eine wunderschöne Zeit. Als ich acht war, haben sie mich dann aber zweimal erwischt, wie ich den Rock eines Mädchens hochgehoben habe. Da hieß es: Jetzt ist die Zeit gekommen, dass Roberto zu einem Buben-Internat geht.
Sind Sie ein gläubiger Mensch?
Ja.
Und, was viele nicht wissen, Sie sind Ehrenmitglied der CSU.
Auch. Ich hatte eine Gala auf einem CDU/CSU-Kongress mit dem Max-Greger-Orchester, Roy Black und Roberto Blanco im Programm. Als man mir während der Show applaudierte, habe ich gesagt: Ich weiß, warum ihr mich engagiert habt: Wir Schwarzen müssen zusammenhalten. Da sprang der Strauß von seinem Stuhl auf, kam auf die Bühne und sagte: Das ist das neue Ehrenmitglied der CSU.
Dann gibt es noch den ehemaligen bayerischen Innenminister Joachim Herrmann von der CSU, der 2015 in einer Talkshow sagte, „Roberto Blanco war immer ein wunderbarer Neger“.
Ja, und? Was wollen Sie hören?
Vielleicht, dass Sie ganz einfach empört waren?
In welcher Welt leben Sie eigentlich? Man sollte die Kirche doch im Dorf lassen, der Ton macht die Musik. Wenn jemand über mich sagt, „er ist ein wunderbarer Neger“, soll ich beleidigt sein? Warum? Sagen Sie mir einen Grund, warum ich, Roberto Blanco, beleidigt sein sollte, wenn jemand sagt, ich sei ein wunderbarer Neger.
Ganz einfach, weil das Wort Neger heute nicht mehr akzeptiert wird.
Heute wird viel darüber gestritten, was man sagen darf und was nicht. Solche Diskussionen würde es nicht geben, wenn wir hier Krieg wie in der Ukraine hätten. Da haben die Leute andere Sorgen.
Sie meinen also, vereinfacht gesagt, wer keine Probleme hat, macht sich welche?
Genau. Warum darf man heute nicht mehr Zigeunerschnitzel sagen? Und warum darf man Führerschein sagen, das könnte man ja auch verbieten. Die Leute müssen mir nicht sagen, wann ich beleidigt sein soll. Genauso wie sie mir nicht sagen sollen, wann ich lustig sein oder Hunger haben muss. Jeder soll sein Leben leben und vor seiner eigenen Tür kehren. Darum sage ich: Leben und leben lassen.
Lesen Sie aus unserem Angebot: Schlagerstar tritt kürzer – was ist mit Jürgen Drews?
Leben
Roberto Blanco wird am 7. Juni 1937 in Tunis als Sohn der kubanischen Tänzerin und Sängerin Mercedes Blanco und des Varieté-Künstlers Alfonso Zerquera geboren und ist gerade mal zwei Jahre alt, als seine Mutter stirbt. Als 19-Jähriger kommt Roberto Blanco nach Deutschland. Zwölf Jahre lang ist es ruhig um den Schauspieler und Sänger, bevor er 1969 mit dem Song „Heute so, morgen so“ die Deutschen Schlagerfestspiele gewinnt. Damit beginnt für Blanco, der 1971 deutscher Staatsbürger wird, seine beste Zeit, in der er 1972 mit „Ein bisschen Spaß muss sein“ und „Der Puppenspieler von Mexiko“ seine größten Hits landet.