Mit seiner harten Kritik an der Ära Bobic hat sich der VfB-Sportchef Robin Dutt selbst unter Druck gesetzt. Sein Vorgänger verkneift sich bislang eine Antwort.

Stuttgart - Fredi Bobic ist wieder einmal im Ausland unterwegs wie so oft in den vergangenen Monaten. Als Botschafter des deutschen Fußballs war er am Montag in Prag und hat bei der Neuauflage des EM-Endspiels von 1996 mit den DFB-Allstars 3:6 gegen Tschechien verloren. Anschließend ging es weiter nach Warschau, wo Bobic am Donnerstag beim Europa-League-Finale als TV-Experte im Einsatz ist.

 

Die Neuigkeiten aus der Heimat entgehen ihm aber auch in der Fremde nicht. Der frühere Manager des VfB hat sich sehr gefreut über den Klassenverbleib seines Herzensclubs aus Bad Cannstatt. Die anschließenden Einlassungen seines Nachfolgers Robin Dutt dürften ihn dann aber weniger amüsiert haben, auch wenn sich Bobic dazu vorerst öffentlich nicht äußern will.

Der VfB-Präsident Bernd Wahler nickt zustimmend

In gnadenloser Deutlichkeit rechnete Dutt am Montag mit der Zeit ab, als er noch nicht Sportvorstand des VfB war (die StZ berichtete). Von fehlender sportlicher Kompetenz sprach er, von einer völlig missratenen Kaderplanung und einer Mannschaft ohne Struktur. Zudem sei die Nachwuchsarbeit sträflich vernachlässigt worden, den Scouts habe niemand zugehört, eine einheitliche Spielphilosophie von der Jugend bis zu den Profis sei ein Fremdwort gewesen. Unter ihm werde alles anders, sagte Dutt, „da gibt es keine One-Man-Show mehr“. Der Präsident Bernd Wahler, der als Vereinschef eigentlich die Verantwortung für solche Fehlentwicklungen trägt, saß neben dem Manager auf dem Podium, nickte zustimmend – und bereicherte die Rückschau mit dem Hinweis: „Wir wissen heute, dass wir an einzelnen Personen zu lange festgehalten haben.“

Es war eine denkwürdige Generalabrechnung, eine Komplettvernichtung der Arbeit des früheren VfB-Sportchefs, wie es sie in dieser Form selbst im häufig überhitzten Fußballgeschäft noch nicht oft gegeben hat. Entsprechend groß sind nun die Diskussionen darüber, ob ein solch knüppelhartes Nachtreten richtig ist oder falsch.

Robin Dutt legt den Finger in manche Wunde

Man kann es einerseits so sehen: Robin Dutt hat endlich das gemacht, was der VfB in den vergangenen Jahren immer mit vielen Worten angekündigt, aber nie in die Tat umgesetzt hatte: die schonungslose Aufarbeitung der Vergangenheit, die Beantwortung der Frage, warum dieser stolze Verein so tief gesunken ist. Dutt hat den Finger ohne Zweifel in manche Wunde gelegt. Niemand wird ernsthaft bestreiten können, dass in den vergangenen Jahren vieles falsch gelaufen ist. Sonst hätte der VfB nicht zum wiederholten Mal gegen den Abstieg kämpfen müssen. Der Manager hat sich für seine Analyse ein halbes Jahr Zeit genommen und mit der Veröffentlichung seiner Erkenntnisse gewartet, bis die Saison vorüber war. Und: er hat keine Namen genannt und erklärt: „Es geht nur darum, aus Fehlern zu lernen.“

Andererseits kann man es aber auch so sehen: Nicht nur im Fußball ist es normalerweise gute Sitte, entlassenen, weil erfolglosen Mitarbeitern keinen Dreck hinterherzuwerfen. Diese Regel war in der Vergangenheit ganz sicher nicht zum Schaden von Dutt selbst. Bestimmt hätten sie in Leverkusen einiges darüber zu berichten gehabt, warum Dutt als Bayer-Coach nicht einmal eine Saison überstand. Und interessant wäre es auch gewesen, von den Bremer Verantwortlichen zu erfahren, warum Werder dieses Jahr erst dann attraktiven und erfolgreichen Fußball spielte, als nicht mehr Dutt auf der Bank saß, sondern sein Nachfolger Viktor Skripnik. Man hat darüber nichts gehört, die Vereine schwiegen – genau wie damals der DFB, obwohl sie dort fassungslos waren, als Dutt schon nach zehn Monaten um die Auflösung seines Vierjahresvertrages als Sportdirektor bat.

Über Ginczek und Kostic spricht Dutt nicht

Dutt mag Bobic’ Namen nicht explizit genannt haben – doch wen sonst soll er gemeint haben, als den Mann, der mehr als vier Jahre lang versucht hat, den VfB durch ewige Führungskrisen und Sparrunden zu führen? Dass Bobic Fehler gemacht hat, auf dem Transfermarkt etwa oder in der Zusammenarbeit im Verein, weiß inzwischen jeder. Er hat im Sommer aber auch Daniel Ginczek und Filip Kostic geholt, ohne die der VfB abgestiegen wäre. Über sie hat Dutt, ein Neuling im Job des Clubmanagers, nicht gesprochen – dafür aber über die vielen Profis im Kader, für die es „keinen Markt“ gebe. Man muss kein Fachmann sein, um zu ahnen, dass sich die eigene Verhandlungsposition nicht verbessert, wenn man seine Spieler öffentlich als Ladenhüter bezeichnet.

Es ist die Frage, ob sich Robin Dutt mit seiner Abrechnung einen Gefallen getan hat. Sicher ist: er hat sich dadurch selbst unter Druck gesetzt und angreifbar gemacht. Er wird nun liefern müssen. Nicht nur Fredi Bobic wird ganz genau hinschauen, ob es der neue Manager besser kann.