Im StZ-Interview spricht der Werder-Bremer-Trainer Robin Dutt vor der Partie am Samstag beim VfB Stuttgart über Äußerlichkeiten, seinen Berufs – und über sein schlechtes Gewissen.

Stuttgart – - Robin Dutt hat Spaß an diesem Gespräch. „Das sind ja mal etwas andere Fragen“, sagt der Trainer von Werder Bremen. Vor dem Spiel seiner Mannschaft am Samstag beim VfB Stuttgart nimmt er sich Zeit für die Antworten.
Herr Dutt, wer hat die Novelle „Kleider machen Leute“ geschrieben?
Ich kenne das Stück, auf den Namen des Autors komme ich jedoch nicht.
Es war Gottfried Keller im Jahr 1874. Finden Sie auch, dass Kleider Leute machen?
Ja, da ist was dran. Schließlich hat jeder seinen eigenen Stil. Das sagt dann schon etwas über die Persönlichkeit aus.
Sie sind immer tipptopp angezogen, wenn Sie im Stadion sind. Was wollen Sie mit ihrem äußeren Erscheinungsbild zum Ausdruck bringen?
Zunächst einmal ist es nicht so, dass ich mich bewusst für meinen Auftritt im Stadion kleide. Ich ziehe mich so an, dass ich mich wohl fühle oder so, wie wenn ich jemanden besuchen würde. Dazu brauche ich nicht lange. Ich gehe zum Kleiderschrank und hole das heraus, was mir gerade gefällt.
Ein reiner Zufall ist die Auswahl aber kaum?
Als Trainer ist man auch Repräsentant seines Vereins. Von daher hat man die Aufgabe, sich so zu zeigen, dass es mit dem Gesamtbild übereinstimmt. Das ist dann jedoch wiederum bei jedem anders. Thomas Schneider ist zum Beispiel ein junger, sportlicher Trainer. Dazu passt sein Outfit mit dem Trainingsanzug – zu mir nicht.
Warum nicht?
Weil man authentisch sein muss.
Sind Sie eitel?
Ich bin so eitel wie viele andere auch. Die einen geben es zu – andere nicht. Das ist auch bei uns Trainern so. Als wir mit Leverkusen in der Champions League gespielt haben, habe ich sogar eine Krawatte getragen, weil ich es passend fand und Lust dazu hatte. Kollegen wie Jürgen Klopp, Sami Hyypiä oder sogar Christian Streich tauschen auf internationaler Bühne den Trainingsanzug zu Gunsten eines feinen Zwirns.
Das ist die Fassade. Wie würden Sie sich inhaltlich als Trainer beschreiben?
Für mich steht Kommunikation an erster Stelle. Ob sie ins Autoritäre überschwenkt, hängt dann von den Spielern ab. Am liebsten würde ich das ganze Jahr kooperativ kommunizieren, denn das würde bedeuten, dass keine Regeln verletzt worden sind.
Haben Sie diese Philosophie schon einst während Ihrer Zeit bei den Stuttgarter Kickers verfolgt?
Damals war ich autoritärer als heute. Heute nehme ich einen Spieler im Zweifel lieber in den Arm und sage in freundschaftlichem Ton zu ihm: Beim nächsten Mal machen wir das aber anders. Ich glaube, dass man mit Harmonie gute Leistungen herauskitzeln kann – ohne dass man über alles den Mantel der Harmonie stülpen darf.
Die Grenze ist fließend.
Natürlich muss man auf der Hut sein.
Als langjähriger Kickers-Trainer dürften Sie ein gespaltenes Verhältnis zum VfB haben?
Überhaupt nicht. Viele handelnde Personen kenne ich schon lange, etwa Fredi Bobic und Ralf Becker, mit dem ich schon auf dem Bolzplatz gekickt habe. Außerdem steht der VfB traditionell für gute Jugendarbeit. Das imponiert mir.
Bleiben wir beim Thema. Was erwarten junge Spieler heutzutage von einem Trainer?
Dass sie in die Prozesse miteinbezogen werden. Dass man nicht diktiert, sondern miteinander kommuniziert. Dass man sie davon überzeugt, warum man eine Aufgabe vorgibt. Dass man ihnen Wege und Lösungen aufzeigt. So könnte ich noch einige Dinge aufzählen und eine Weile weitermachen.
Bremsen Sie sich nicht.
Da hat sich in den letzten Jahren einiges verändert. Die moderne Spielergeneration ist ganz anders aufgewachsen und hat einen ganz anderen pädagogischen Ansatz. Das fängt ja schon im Elternhaus an. Früher wurde deutlich autoritärer erzogen. Das funktioniert heute nicht mehr.
Was bedeutet diese Entwicklung für einen Trainer?
Er hat es mit intelligenten jungen Leuten zu tun, die vieles hinterfragen und Antworten von hoher Qualität hören wollen. Sie sind taktisch bereits hervorragend ausgebildet und können sich fußballerisch exakt artikulieren. Da ist man als Trainer gefordert.
Kann ein Trainer bei den Kickers, in Freiburg, Leverkusen und Bremen gleich arbeiten oder muss er sich auf die jeweiligen Gegebenheiten einstellen?
Jeder Verein hat seine eigene Philosophie. Deshalb passt nicht jeder Trainer an jeden Ort. Leider merkt man das oft erst, wenn man schon dort ist. Zu den Kickers und nach Freiburg habe ich gepasst – und jetzt zu Bremen passe ich auch. In Leverkusen war das dagegen nicht hundertprozentig der Fall. Aber das war nicht schlimm.
Sie sind bei Bayer schnell gescheitert. War das kein Totalschaden für Sie?
War es nicht. Im Gegenteil, es war sogar mein wichtigstes Jahr im Fußball. Wir haben in der Champions League die Gruppenphase überstanden und ich habe eine Menge über mich selber gelernt. Ich habe da Fehler gemacht. Das gebe ich zu. Da bricht mir kein Zacken aus der Krone.
Diese Erkenntnis dürfte Ihnen schon während Ihrer Ära bei Bayer gekommen sein. Wie haben Sie das Ende erlebt?
Es war ein schleichender Prozess. Sehen Sie, in Freiburg und nun in Bremen habe ich das Gefühl, dass alles leicht von der Hand geht. Die Mannschaft zieht mit. In Leverkusen fiel mir alles etwas schwerer – ohne genau sagen zu können, warum.
Stört es Sie eigentlich nicht, dass die fachliche Kompetenz eines Trainers in aller Regel nur darauf reduziert wird, ob er ein Spiel verliert oder gewinnt?
Das unterschreibt man in diesem Job ja. Mich ärgert nur, wenn der Respekt verloren geht und wenn die Vorwürfe unter die Gürtellinie zielen. Dann wehre ich mich.
Nach Ihrem Auftritt in Leverkusen gingen Sie als Sportdirektor zum Deutschen Fußball-Bund (DFB), aber nur ein Jahr lang. Haben Sie kein schlechtes Gewissen, weil Sie da etwas Unvollendetes zurückgelassen haben?
Genau diese Frage habe ich mir im Sommer auch gestellt.
Die Antwort?
Natürlich war das nicht die Ideallösung. So etwas darf nicht zur Regel werden, aber mir hat die Teamarbeit und der tägliche Umgang mit den Spielern gefehlt. Das hatte ich unterschätzt. Und für den DFB wäre es ja auch schlechter gewesen, auf dieser Position einen zu haben, der nicht mit Leib und Seele bei der Sache ist.
In Bremen sind Sie voll dabei?
Hier bin ich richtig. Das ist ein großer Verein mit einer großen Tradition und einem sehr angenehmen Umfeld. Ich bin mir sicher, dass wir die Zeit kriegen, um Werder wieder auf Kurs zu bringen. Die Verantwortlichen wissen, dass das nicht von heute auf morgen klappen kann.
Wissen Sie auch schon, welchen Anzug Sie beim Spiel in Stuttgart tragen werden?
Vielleicht gar keinen, vielleicht auch nur ein Sakko und Jeans. Habe ich auch schon gemacht. Sicher ist nur, dass ich nicht wie ein Lumpensammler daherkomme.