Die Änderung des Vereinsrechts untersagt es Rockern, ihre Symbole öffentlich zur Schau zu stellen. Die Stuttgarter Hells Angels gehen nicht auf Konfrontation und lassen ihre Kutten erst mal im Schrank, während die Polizei noch eine Strategie austüftelt.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart - Am Mittwoch haben sich die Stuttgarter Hells Angels handwerklich betätigt. Es ging um ihr Clubhaus an der Weberstraße im Leonhardsviertel – genauer gesagt um die Schriftzüge und Vereinsembleme. Wo vor kurzem „Hells Angels forever“ stand, steht heute nur noch „Angels forever“. Denn seit Donnerstag ist das neue Vereinsrecht in Kraft, das es den großen Rockerclubs unabhängig ihrer Ortszugehörigkeit verbietet, ihre Symbole zu tragen oder sonstwie öffentlich zur Schau zu stellen.

 

Verbotsversuche in der Vergangenheit scheiterten genau an diesem Punkt: Nur weil ein Ortsverein der Rocker in Hamburg als kriminelle Vereinigung verboten ist, konnte man Rocker in Stuttgart nicht dafür belangen. Durch ist der Streit im die Rockerkutten damit aber noch lange nicht.

Gesetz ist umstritten

Zumindest der Stuttgarter Hells-Angels-Chef Lutz Schelhorn hat angekündigt, rechtlich gegen die Gesetzesänderung vorzugehen und eine Verfassungsbeschwerde einzureichen. „Das Gesetz wird völliges Chaos verursachen, da es überhaupt nicht praktikabel ist“, sagt er. Er sieht in der Gesetzesänderung den erneuten Versuch, pauschal gegen Rocker vorzugehen und die „Subkultur“, wie er sagt, zu Unrecht zu kriminalisieren.

Der Gesetzgeber hat diese Argumentation offenbar nicht gelten lassen. Der Bundestag hat der Änderung des Vereinsgesetzes zugestimmt, der Bundespräsident unterschrieben. Dabei zeigte eine Anhörung im Januar, dass das Gesetz unter Experten keineswegs unumstritten ist.

Verfassungsrechtliche Probleme

Daniel Heinke vom Landeskriminalamt Bremen betonte, dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sei aus strategischer Perspektive der Kriminalitätsbekämpfung „uneingeschränkt zuzustimmen“. Ähnlich sieht es Professor Michael Knape von der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht. Die Gesetzänderung sei ein „Schritt in die absolut richtige Richtung“.

Zu einer ganz anderen Bewertung kommt der Stuttgarter Staatsrechtler Ulrich Battis. Der Gesetzentwurf sei ein „untauglicher Versuch“, bestimmte Kennzeichen aus der Öffentlichkeit zu „verbannen“. Dabei gehe es um problematische Eingriffe in Grundrechte. Kathrin Groh, Professorin für öffentliches Recht an der Universität der Bundeswehr München, sagte, auch sie sehe einige verfassungsrechtliche Probleme. Diese halte sie aber für lösbar.

Polizei noch unschlüssig

Während auf die Gerichte offenbar noch eine Menge rechtstheoretische Arbeit wartet, muss sich die Stuttgarter Polizei indes um deutlich pragmatischere Dinge kümmern: Wie umsetzen, was der Gesetzgeber verlangt?

„Dazu laufen aktuell Gespräche mit verschiedenen Behörden“, sagt Polizeisprecher Stephan Widmann. Klar sei allerdings, dass Höllenengel, die von der Polizei mit ihrer Kutte erwischt werden, mit einer Anzeige wegen der Zurschaustellung verbotener Symbole rechnen müssen. Ungeklärt ist allerdings, ob die Beamten auch angehalten sind, den Rockern ihre Kutten abzunehmen – sie gelten in der Szene als wichtiges Identifikationssymbol.

Auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart will Verstöße gegen das Kuttenverbot zwar aufnehmen. „Da muss dann jeder Fall einzeln geprüft werden“, sagt Jan Holzner von der Pressestelle der Staatsanwaltschaft.

Präzedenzfall bei Museumsnacht?

Doch auch wenn die Rocker ihre Kutten erst mal im Schrank lassen und die Fassade ihres Clubhauses an die neue Rechtslage anpassen: Probleme bleiben. Etwa bei Tätowierungen. „Soll ich mir fürs Schwimmbad die Tattoos abkleben, oder gar einen Burkini holen? Ich habe mir immerhin legale Tätowierungen stechen lassen. Das ist doch lächerlich“, sagt Lutz Schelhorn.

Ein Präzedenzfall, wie die Behörden mit dem neuen Vereinsgesetz umgehen, dürfte die Lange Nacht der Museen am 25. März werden. Da hat auch Schelhorns Atelier im Industriegebiet in Feuerbach geöffnet – der Mann ist hauptberuflich Fotograf. „Ich werde mein Atelier nicht komplett umdekorieren oder umgestalten. Dort ist mein Leben, sind meine Clubabzeichen allgegenwärtig“ , sagt er.

BGH hatte Gesetz gekippt

Wie die Polizei darauf reagiert, scheint derzeit völlig unklar. Schelhorn lässt’s jedenfalls drauf ankommen und hat seine Teilnahme an der Kulturveranstaltung nicht abgesagt.

Die Vorgeschichte, Rockern das Tragen ihrer Abzeichen verbieten zu wollen, ist lang. Der erste Vorstoß von Politik und Behörden wurde 1984 von einem Gericht gekippt. Der letzte, das war 2015, kam sogar bis zum Bundesgerichtshof (BGH). Dieser urteilte, dass die Kuttenverbote, die die Justizministerien der Länder erlassen hatten, nicht rechtens seien. Ob es das Bundesgesetz jetzt ist? Das wird die Justiz noch eine Weile beschäftigen.