Stuttgart im Zeichen der Zunge: Seit Freitagabend sind die Rolling Stones im Kessel. Allein die Anwesenheit der Rocklegenden elektrisiert viele in der Stadt. Die Band hat als große Familie das Hotel bezogen – mit Hund und Enkelin.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Vielleicht ist diese „Familie“ ein bisschen größer als andere Familien – aber irgendwie doch auch recht normal, wenn man sie im Hotelfoyer erlebt. Gut, das machen nicht alle: Mit einer im Inneren umgebauten Privat-Boeing 767 sind die Rolling Stones mit der Crew, Verwandten, Background-Sängern und Bodyguards am Freitag kurz vor 18 Uhr auf dem Stuttgarter Flughafen gelandet. Im Foyer des Hotels Le Méridien unweit der Großbaustelle für S 21 herrscht aber etwa eine Stunde später ein fröhliches, ja durchaus familäres Durcheinander, da die Zimmerkarten verteilt werden. Patti Hansen, die gerade mal um 13 Jahre jüngere Frau von Keith Richards, die in den 1970ern ein Model-Star war, muss erst mal mit dem Hund raus. Ihre französische Bulldoge hat wichtige Geschäfte zu erledigen, die nicht unbedingt was mit Rockmusik zu tun haben.

 

Von den Fans, die seit Stunden vor dem Eingang hinter der Absperrung warten, wird sie sofort erkannt. Freundlich erfüllt die First Lady der Stones alle Autogrammwünsche und freut sich, dass der First Dog der Stones von den Wartenden gestreichelt wird. Ein ganz normales Frauchen scheint sie zu sein, das seinen Hund liebt wie Zehntausende andere auch.

Zu einer Großfamilie gehören Frauen und Hunde – aber natürlich auch Enkel. Eine junge Frau mit blonden Haaren ist gut gelaut. Ihr Opa ist mit 77 Jahren der Älteste der Rolling Stones. Die Enkelin von Charly Watts trägt ein T-Shirt mit roter Zunge und steuert erst einmal die Bar an. Die Fans, die vor der Drehtür warten, kennen sie. Fast scheint es, als würden auch die Autogrammjäger draußen zur Familie gehören. Alles läuft sehr unaufgeregt ab.

Die Autogrammjäger haben Verständnis, dass die Stars Ruhe wollen

Etwas enttäuscht sind die Fans, dass Mick Jagger, Keith Richards, Ron Wood und Charlie Watts in vier dunklen Mercedes-Limousinen an ihnen vorbei direkt in die Tiefgarage gefahren werden. Von dort geht es im Aufzug ganz nach oben in die Etage der Präsidentensuite. Die zum Teil von weither angereisten Fans filmen die vier Autos. Alle Legenden fahren getrennt mit Bodyguards und/oder Frauen. Aber es herrscht auch Verständnis draußen hinter der Absperrung, dass die Rockgiganten keine Autogramme geben. „Sie werden müde sein“, meint einer mit Fotomappe rücksichtsvoll. So jung sind die Helden nicht mehr. Man will ihnen Ruhe gönnen. Ob es die letzte Tour im Zeichen der Zunge sein wird? „Ach nein“, lautet eine Antwort bei den Fans, „die Musiker vom Buena Vista Social Club sind noch mit 80 und 90 aufgetreten.“ Es sei nicht schlimm, wenn die Stones bei der nächsten Tour auf Hocker säßen. Sollen sie irgendwann mit Rollatoren auf die Bühne?

Auf dem Flughafen waren die vier Stones zunächst in einen Hubschrauber verfrachtet worden. Man wollte ihnen einen möglichen Stau am Freitagnachmittag in Stuttgart ersparen. Der Heli brachte die Stars nicht auf den Wasen, wie es zunächst hieß, sondern auf einen Landeplatz in Nähe des Hotels, von dem sie in Le Meridien chauffiert worden sind. Auf der Brücke beim Le Meridien steht ein einsamer Demonstrant gegen Schadstoffe und Feinstaub mit Maske. Die Fans erklären Patti Hansen, wie sie mit ihrem Hund über die Brücke zu ein bisschen Grün inmitten der Großbaustelle kommen.

Warum sind die Karten gerade in Deutschland so teuer?

Bei den Fans hinter der Absperrung wird diskutiert, warum die Karten für die Stones gerade in Deutschland so extrem teuer sind. Zwei Schweizer sind da, die mit ihren Idolen mitreisen, sowie ein 28-jähriger Kroate, der vergangene Woche schon in Berlin bei den Musiklegenden war. „Ob in der Schweiz oder in Frankreich“, sagt einer, „überall ist es halb so teuer wie hier.“ Seien die Deutschen wirklich so viel reicher? Der Schwarzmarkt aber, darüber freut man sich, breche zusammen, weil die Mercedes-Benz-Arena am Samstag (Einlass um 17 Uhr) nicht ausverkauft ist. Der 28-jährige Kroate erzählt erfreut: „Ich hab’ für einen Sitzplatz 100 Euro bezahlt – für einen Platz, der regulär 239 Euro gekostet hätte.“ Kusi Murer hat ein Foto dabei, das ihn mit den Stones zeigt. Er wurde als größter Fan der Schweiz gewählt und bekam dafür ein Treffen mit den Stars geschenkt.