Natalie Geisenberger und Dajana Eitberger haben Kinder bekommen – und fahren nach der Babypause schon wieder in der Weltspitze mit. Bei der Heim-WM holen die Rodlerinnen Silber und Bronze.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Schönau am Königssee - Einen Wickelraum gibt’s noch nicht am Eiskanal am Königssee. Man sollte drüber nachdenken, an der 1740 Meter langen Bob- und Rodelbahn bei Schönau einen einzurichten. Es könnte Bedarf bestehen, wenn die Rodlerinnen ihre Weltcup-Rennen bestreiten oder im Training auf dem Schlitten mit mehr als 100 km/h durch den Eiskanal rasen. Denn die Rodlerinnen Nadine Geisenberger und Dajana Eitberger sind seit einigen Monaten Mütter – wer weiß, ob sie ihre Söhne doch mal mit zur Arbeit nehmen. Ausnahmsweise. „Wenn ich beim Training oder bei Wettkämpfen an der Bahn bin, ist mein Sohn nicht dabei“, sagt Natalie Geisenberger, „an den Bahnen sind keine Zuschauer erlaubt – und da hat auch ein kleines Kind nichts verloren.“

 

Die Bayerin verkündete 2020 die Ankunft des kleinen Leo, der am 2. Mai geboren wurde. Dajana Eitberger brachte ihren Levi am 21. Februar per Kaiserschnitt zur Welt – die Sprösslinge sind noch kein Jahr alt, da stehen ihre Mamas schon wieder auf dem Podium bei einer WM. Bei den Titelkämpfen, die coronabedingt vom kanadischen Whistler nach Bayern verlegt worden waren, gewann die 32 Jahre alte Geisenberger die Silbermedaille, Eitberger (29) sicherte sich Bronze hinter der neuen Weltmeisterin Julia Taubitz. Die Sportsoldatin aus Oberwiesenthal ist erst 24 und führt den Kinderwunsch noch ziemlich weit unten auf ihrer Prioritätenliste. „Silber fühlt sich gut an“, freute sich Geisenberger, „ich kann stolz auf das sein, was ich erreicht habe.“

Geisenberger organisiert die Familie neu

Platz zwei ist für die langjährige Herrscherin der Rodelwelt, Olympiasiegerin von 2018 und 2014, neunmalige Weltmeisterin und siebenmalige Gewinnerin des Gesamtweltcups, keine schmerzhafte Niederlage, im Gegenteil: Sie ist Bestätigung, dass es möglich ist, den Anforderungen von Spitzensport und den Aufgaben als Mutter gleichzeitig gerecht werden zu können. „Wenn ich das Abenteuer wage, als Mutter in den Sport zurückzukehren, dann nur, wenn ich den Kleinen mitnehmen kann“, sagte die Miesbacherin vor ihrem Comeback, „ich kann mir nicht vorstellen, monatelang weg zu sein, ihn kurz an Weihnachten zu sehen und dann das nächste Mal im März. Das schafft mein Mutterherz nicht.“

Der Weltcup ist für Geisenberger ein Familienprojekt. Ehemann Markus Scheer geht weiter seinem Job als Banker nach, nur eben häufiger von unterwegs aus. Er kümmert sich um Leo, wenn sich die Mama in die Eisrinne stürzt. Bei Wettkämpfen übernehmen auch mal die Großeltern die Aufsicht über den Enkel im Hotel – und Familienhund Bounty ist auch meist mit von der Partie.

Kaiserschnitt bremst Eitberger

Bei Dajana Eitberger sieht die Organisation ein wenig anders aus. Ihr Sohn geht in die Kita, wenn die Mama auf Rodel-Tournee ist. „Aber grundsätzlich haben wir dieselben Themen“, erzählt Geisenberger, „früher haben wir uns darüber unterhalten, wo es welche Handtaschen gibt – jetzt geht’s darum, wo es 25 Prozent auf Windeln gibt.“ Das größte Problem für die junge Mutter Eitberger war sie selbst wegen ihres enormen Ehrgeizes. Wegen des nicht geplanten Kaiserschnitts kehrte sie später als gedacht zurück. „Mit meiner Geduld hatte ich mehr zu kämpfen als mit den Wehwehchen im Bauch“, berichtete die Silber-Gewinnerin von Pyeongchang 2018.

Die schnelle Rückkehr aufs Podium verdanken die Rodel-Mamas der Dominanz der Deutschen – bei den vergangenen 30 Weltmeisterschaften ging der Titel der Frauen nur viermal nicht an ein Mitglied des Bob- und Schlittenverbands Deutschland (BSD). In der Technik ist der Schlitten nach einer Fehlentwicklung im Winter 2019/20 wieder führend. Die Athleten haben beste Trainingsbedingungen, kein anderes Land besitzt vier Eiskanäle (Altenberg, Oberhof, Winterberg und Königssee). Die Förderung ist bestens. Gute Voraussetzungen für Geisenberger und Eitberger, bei Olympia 2022 in Peking noch um Medaillen zu kämpfen – auch wenn die kinderlose Generation nachdrängt. Julia Taubitz holte am Königssee zweimal Gold (Sprint, Einzel) und eine Silbermedaille (Teamstaffel).