Nach der Eskalation im seit lange schwelenden Konflikt bemühten sich am Tag danach alle im deutschen Rodel-Team um Schadensbegrenzung. Auch Unruhestifterin Tatjana Hüfner, die ihre übermächtige Konkurrentin Natalie Geisenberger anerkennend lobte.

Nach der Eskalation im seit lange schwelenden Konflikt bemühten sich am Tag danach alle im deutschen Rodel-Team um Schadensbegrenzung. Auch Unruhestifterin Tatjana Hüfner, die ihre übermächtige Konkurrentin Natalie Geisenberger anerkennend lobte. 

 

Krasnaja Poljana - Irgendwann war es Rodel-Königin Natalie Geisenberger leid. „Damit haben wir das Thema gehabt, oder?“, sagte die Olympiasiegerin am Mittwoch. Alle lachten mit im Deutschen Haus von Krasnaja Poljana - doch was die 26-Jährige charmant und locker verkaufte, war ernst gemeint. Die von Konkurrentin Tatjana Hüfner ausgelöste Debatte über Ungleichbehandlungen im Rodel-Team schlug nach Geisenbergers Gold-Coup am Dienstag so hohe Wellen, dass der überlegene Olympia-Triumph der Miesbacherin fast ein wenig unterging.

Knapp zwei Stunden nach dem Sieg der Weltmeisterin sorgte die chancenlose Zweite Hüfner auf der offiziellen Pressekonferenz für einen Eklat. „Es wurde gerade mir persönlich schwer gemacht und mir wurden viele Steine in den Weg gelegt“, attackierte die Vancouver-Olympiasiegerin wie aus dem Nichts, als ihre Konkurrentin noch gar nicht im Raum war. „Natalie Geisenberger bekommt deutlich mehr Unterstützung.“

Das saß. Wenig später waren beide im Kufenstüberl, die eine in der einen Ecke, die andere immer möglichst weit entfernt. Und Hüfner legte noch einmal nach. Dass sich der - in Berchtesgaden ansässige - Bob- und Schlittenverband für Deutschland (BSD) im vergangenen Sommer von Hüfners Oberhofer Trainer André Florschütz getrennt habe, sei für sie nur schwer zu verdauen gewesen. „Da wird einem Sportler der Boden unter den Füßen weggezogen“, klagte die viermalige Weltmeisterin.

Unterstützung erhielt sie von David Möller. „Fakt ist, das Trainer-Karussell hat sich am Stützpunkt Oberhof regelmäßig gedreht“, erinnerte der zweimalige Weltmeister. Im Vorfeld auf Olympia seien die Rahmenbedingungen für die Psyche der Sportler wirklich „sehr ungünstig“ gewesen. „Und wenn man dann beim Höhepunkt Olympia keinen Ansprechpartner hat, dem man vertraut, dann ist das schwierig.“

"Wir als Verband haben uns nichts vorzuwerfen"

Das versteht auch BSD-Sportdirektor Thomas Schwab, der Hüfner und Möller lange als Rodel-Bundestrainer begleitet hatte. „Dass das nicht günstig war, da kann man nicht widersprechen“, sagte er. Zugleich stellte er klar: „Wir als Verband haben uns nichts vorzuwerfen.“

Was bei der offensichtlich alles andere als schönen Trennung vom früheren Weltklasse-Doppelsitzer Florschütz vorgefallen ist, wollen alle Seiten für sich behalten - auch der Olympia-Zweite von Turin. Der Nachrichtenagentur dpa gestand er aber: „Ich werde nichts mehr in Richtung Rodel-Sport machen. Ich bin sehr enttäuscht worden.“

Hinter dem Ausbruch Hüfners steckt ein seit langem schwelender Konflikt. Nie waren sich die Athleten in der Einzel-Sportart Rodeln grün. Auch etwa Hüfners Vorgängerinnen Sylke Otto und Silke Kraushaar waren alles andere als beste Freundinnen. Und bei vier Stützpunkten in Deutschland - neben Oberhof und Berchtesgaden/Königssee noch Altenberg und Winterberg - herrscht immer eine Rivalität. „Es wurde denjenigen, die nicht aus Berchtesgaden kommen, doch relativ schwer gemacht“, klagte Hüfner am Mittwoch.

Wahr oder nicht - ein Team sind die Rodler ganz bestimmt nicht. Wenn die Kufen-Sportler gemeinsame Fotos bei Facebook posten, bleiben die bayerischen Vertreter um Olympiasieger Felix Loch ebenso unter sich wie die ostdeutschen Athleten um Hüfner. Und da bekommt es natürlich einen Beigeschmack, wenn die Bayern um Überflieger Loch und Geisenberger auch in Sotschi wie in einer eigenen Liga fahren.

„Wenn solche Unterschiede bei den Zeiten entstehen, dann weiß man als Fachmann, dass das nicht normal sein kann“, sagte Florschütz. Zwar will keiner der ostdeutschen Athleten offen sagen, dass er beim Material benachteiligt worden sei. Doch die Klagen nach den Rennen sprachen Bände: Der Thüringer Möller sprach von einem nicht konkurrenzfähigen Schlitten - er landete auf Platz 14. Die Oberwiesenthalerin Anke Wischnewski sagte: „Mein Schlitten hat einfach keinen Speed gefunden.“ Sie wurde Sechste.

Trotz der Olympia-Erfolge wird der BSD im Nachklapp auf Sotschi nun einige Konflikte aufarbeiten müssen. Am Tag danach waren aber alle Seiten erst einmal um Schadensbegrenzung bemüht. „Themen gibt es immer, sonst wäre es langweilig“, sagte Chef de Mission Michael Vesper. „So lange sie den sportlichen Erfolg nicht beeinträchtigen, kommen wir damit gut zurecht.“

Auch die Haupt-Kontrahentinnen gaben sich auf einmal zahm. „Ich hätte das Fass vermutlich nicht aufgemacht“, sagte Geisenberger zwar. „Aber das ist ihr gutes Recht.“ Hüfner betonte: „Ich gönne ihr den Erfolg. Sie war definitiv die Beste und hat verdient Gold gewonnen.“ Die Verantwortlichen scheinen in der kurzen Nacht ganze Arbeit geleistet zu haben. Am Abend zuvor klang das bei Hüfner nämlich noch ganz anders. „Ich habe ihre Läufe nicht gesehen“, sagte sie kühl über die Siegerin. „Sie wird ganz gut heruntergekommen sein.“