Der Kastellsommer 2021 hat begonnen. Auf der Open-Air-Bühne im Römerkastell kann das Publikum 40 Kunstschaffende in 60 Veranstaltungen erleben – idyllisch platziert auf grünen Inseln.

Stuttgart - Rot, weiß, bedruckt, mit blauen Kissen stehen sie bereit. Liegestühle, Palettensofas oder Schaukelstühle in Zweier-, Dreier- oder Vierergruppen – charmant auf grünen Inseln aus Kunstrasen platziert. Die Gäste finden sich vor der Phoenixhalle im Römerkastell ein.

 

Die Band Poems on the Rocks wird spielen, danach die Filmkomödie „Night Life“. Der Auftaktabend war ausverkauft. Bis zum 8. August sind auf der Kulturbühne unter freiem Himmel in rund 60 Veranstaltungen 40 Kunstschaffende unterschiedlichster Sparten zu erleben, auf einem Screen-Kino – mithilfe der Innenstadtkinos – und Public Viewings der Fußball-EM.

Veranstaltungsbranche und Kunstschaffende litten unter dem Lockdown

Es ist die zweite Auflage: 2020 hoben den Kastellsommer Stefanie Stoll (Exometa Römerkastell Veranstaltungen und Gastronomie GmbH), Heiko Blattert (iLUX Veranstaltungstechnik GmbH), Birgit Martinez (Decor & More) sowie Andrea Scheufler (Melva Mode Café) und UK Consulting aus der Taufe, um Kunstschaffenden Corona zum Trotz eine Bühne zu geben.

„Veranstaltungsbranche und Kunstschaffende litten unter dem Lockdown, wir wollten Perspektiven schaffen – hatten ja miteinander alles da, also bündelten wir Synergien“, so Phoenixhallen-Chefin Stefanie Stoll: „Eine Herzenssache auch 2021!“ Birgit Martinez nickt und betont: „Wir haben Kurzarbeit – unsere Auszubildenden brauchen Praxis, die sie hier bekommen.“ Heiko Blattert erläutert, nach der geltenden Coronaverordnung könnten nun 200 Menschen im idyllischen Kastellambiente Kultur genießen: mit – dank Inseln – Mindestabstand, Maskenpflicht und „3-G“, also getestet, genesen oder geimpft. „Sonst beginnt man für ein Open Air mindestens ein Jahr vorher zu planen“, sagt Scheufler. „Wir hatten knapp zwei Wochen, die Zusage kam kurzfristig.“ Die Lücken, die es noch im Line-up gebe, würden sukzessive gefüllt. Alle gebuchten Künstler seien begeistert.

Erinnerungen an den vergangenen Kastellsommer

Wie Kabarettistin und Sängerin Ines Martinez, die im August 2020 zuletzt einen Auftritt beim Kastellsommer hatte: „Dort wird am 18. Juni mein erster Auftritt 2021 sein.“ Dazwischen lägen Höhen und Tiefen, „von Freude über neu gewonnene Freizeit bis hin zu Anzeichen von Depressionen und Existenzängsten“. Dankbar zeige sie beim Kastellsommer mit Pianist Klaus Hügel ein „Best of“ aus fünf Programmen. „Es geht um Überfrachtung und Überforderung“, so Martinez, „aus der Sicht der Frau.“

Seine Sicht der Stadt und auf Geschichten gibt Journalist Joe Bauer am 9. Juli in seinem legendären Flaneursalon. Seine Gäste: die südafrikanische Sängerin Thabilé, das Elektrofolklore-Duo Loisach Marci alias Marcel Engler und Jens-Peter Abele sowie Kabarettist Rolf Miller. „Mann der gepflegten Halbsätze“, so Bauer, „in meinen Mixed-Shows sollen sich Gegensätze ergänzen.“

„Ich will die kulturelle Vielfalt, die Stuttgart ausmacht, präsentieren“

Wiederanfang ist der Kastellsommer für Catarina Mora: Die „Gala“ ihres 11. Stuttgarter Flamenco-Festivals steigt am 1. und 2. August. Die Workshops sind im Produktionszentrum Tanz und Performance (PZ). „Ich startete glücklich in 2020, weil endlich nach zehn Jahren das Festival eine institutionelle Förderung der Stadt bekam – mit Corona waren alle Pläne obsolet“, sagt sie. Zig mal habe sie in unsicheren Zeiten Pläne umgeschrieben, nun für die Open-Air-Bühne ein kleineres, feines Festival konzipiert. „Die Bühne wird brennen“, kündigt sie an. So tanzen die Flamencostars Macarena Ramírez, Carmen Camacho und Ricardo Moro zur virtuosen Musik der Sänger Momi de Cádiz und Pedro Sanz sowie der Gitarristen Fernando de la Rua und Antonio Españadero.

Ein Hip-Hop-All-in-Minifestival“ präsentierte das Netzwerk Underground Soul Cyber um Marc Laube bereits am 13. Juni. Laube und die diversen Crews, die auch von der Künstlersoforthilfe profitierten, engagieren sich seit über 20 Jahren für die Hip-Hop-Kultur in der Landeshauptstadt. Als er erfuhr, dass die Parkplätze in seinem Block ob des Kastellsommers zeitweise gesperrt würden, bewarb er sich – und wurde engagiert.

„Ich will die kulturelle Vielfalt, die Stuttgart ausmacht, präsentieren“, betont Andrea Scheufler, „es wird ein buntes Programm für jedes Alter und Interesse.“ Das reicht vom Bossa Nova über Oper bis zu Kindertheater von Roxanne oder Tredeschin. Anders als 2020 ist der Kastellsommer nicht im aktuellen Förderprogramm „Kultur trotz Abstand“ des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst. „Andere müssen auch drankommen“, meint Scheufler. „Das Kulturamt Stuttgart hat sich top engagiert, dass Kunstschaffende hier auftreten können.“ Blattert hofft, das Fußball-Public-Viewing – es war nach fünf Minuten des erweiterten Vorverkaufs ausgebucht – möge beitragen, dass „auch Bands vor ausverkauftem Publikum spielen dürfen“.