Friedhelm Huber hat als Quereinsteiger ein Start-up in Altdorf gegründet: die Kaffeerösterei Röstkammer. Damit liegt er im Trend.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Die Kundschaft ist skeptisch. „Die Gegend war immer Discounter-Gegend“, sagt ein Mann. „Die Schönbuchlichtung zählt zu den finanzstärksten Gebieten in der Region Stuttgart“, kontert Friedhelm Huber. „Die Leute haben Geld, aber sie geben es nicht aus“, meint die Frau des Mannes. Dann kauft das Paar ein Kilo Kaffee für 20 Euro.

 

Huber kennt den Standort für sein Start-up: Er ist in Altdorf (Kreis Böblingen) aufgewachsen und hat kürzlich im Haus nebenan sein Geschäft namens Röstkammer eröffnet. Hacienda Sonora, Facienda Rainha, Kammerdiener oder Äquatorreise heißen seine Kreationen. Neben Bohnen verkauft er den Kaffee auch in flüssiger Form, Frühstück gibt es bei ihm und Kuchen. „Der Traum vom eigenen Laden ist schon alt“, sagt er.

Liebeserklärung an ein Getränk

Ein Cappuccino von Friedhelm Huber ist eine Liebeserklärung an das Getränk: Mit dem Milchschaum zeichnet er behutsam ein Herz in die Tasse. Das Bild passt, denn der Druck- und Medientechniker ist seiner Leidenschaft erlegen. Vor sieben Jahren gab er einen Bürojob für die Arbeit in einer Münchner Rösterei mit Café auf. Eine Art Lehre durchlief er dort, weil er erst an der Theke und dann an der Röstmaschine eingesetzt wurde. Vom Kontakt mit der Kundschaft schwärmt er, von der Möglichkeit, die Bestellungen schön zu präsentieren und ein angenehmes Ambiente zu gestalten. Außerdem zog ihn die Bohne in ihren Bann: „Kaffee hat eine unglaubliche Geschmacks- und Aromenvielfalt“, sagt er, „er kann Wein locker das Wasser reichen.“

Nach Nougat und Haselnuss schmeckt beispielsweise seine Sorte Facienda Rainha, „schokoladig, erdig, kräftige Wirkung“ lautet die Beschreibung zur Äquatorreise. „Bei jedem Kaffee überlege ich mir, wo ich ihn hinbringen will“, so beschreibt Friedhelm Huber die Faszination des Röstens. Seinen Cappuccino mit dem Schaumherz nennt er ein Sahnebonbon. Die Bohnen dafür stammen aus Äthiopien. Weil sie nicht so dunkel geröstet wurden, wie es in Süditalien üblich ist, bleiben die fruchtigen Noten erhalten und ein cremiger Duft nach Erdbeere steigt in die Nase.

Huber liegt mit seinem Start-Up im Trend

Jeder Kunde wird nach seinem Geschmack gefragt, und bei Interesse kann der frühere Druck- und Medientechniker Vorträge über den Kaffee, seine Herkunft und Aufbereitungsmethoden halten. Er will das Thema ganzheitlich präsentieren – „von der Bohne bis zur Tasse“.

Mit seinem Start-up liegt Huber im Trend: Im Kreis Böblingen gibt es mit ihm nun drei solcher Betriebe, im Rems-Murr-Kreis ist das halbe Dutzend fast erreicht und in Stuttgart überschritten. Die Kaffeetrinker scheinen langsam wieder zu den guten alten Zeiten zurückzukehren, als es in Deutschland noch rund 2000 Röstereien gab. Sie wurden vom Konsumverhalten derer verdrängt, die lieber zur industriell und damit billig produzierte Massenware griffen. Aber laut dem deutschen Kaffeeverband sind mittlerweile wieder mehr als 600 Kleinbetriebe entstanden. Ihr Marktanteil liegt allerdings nur bei ein paar Prozent.

Die Röstmaschine kostet 27.000 Euro

„Die Menschen setzen zunehmend auf Qualität“, erklärt der 40-Jährige die Entwicklung und führt als weiteren Beweis für seine These die Craft-Beer-Welle an. Mit seinem Betrieb will er auch nicht nur die 4500 Einwohner von Altdorf bedienen. Dort ist er in einer ausgebauten Scheune gelandet, weil Gewerbeobjekte schwer zu finden sind. Mit seiner Frau, die als Oberärztin im Reutlinger Krankenhaus arbeitet, wohnt er in Tübingen. Über seinen Webshop und Abnehmer wie Firmen oder Gastronomen will er das Geschäft ausbauen. Immerhin hat er einiges investiert: Allein die Röstmaschine kostete 27 000 Euro, ohne Abgasanlage und Software. Aber vor allem sei ihm wichtig, zu tun, was er liebe, betont Huber. „Weiterhin viel Spaß“, sagt ein Kunde nach dem Cappuccino. „Den werde ich haben“, antwortet er.

Anlaufpunkte für Kaffeefans

Kreis Böblingen:
Erst vor etwa einem Jahr ist Andreas Terschawetz mit El Coffeino in Grafenau-Dätzingen durchgestartet. Der Schlosser hat seine Festanstellung bei Daimler gekündigt, um sich mit einer mobilen Kaffeebar und einer Rösterei selbstständig zu machen. Maike Mayer hat in Herrenberg-Gültstein vor mehr als vier Jahren ihre Rösterei Maycoffee eröffnet – nachdem sie jahrelang in der eigenen Küche den Kaffee für den Hausgebrauch geröstet hatte. Außerdem röstet die Bäckerei Frech in Böblingen ebenfalls ihren eigenen Kaffee.

Region:
Die Stuttgarter werden unter anderem von den kleinen Röstereien Fröhlich, die Schwarzmahler und Mokuska bedient. Auch im Rems-Murr-Kreis wird auf Dörfern geröstet, seit vergangenem Jahr etwa im Waiblinger Ortsteil Bittenfeld, wo Sebastiano Pilu seine Rösterei eröffnet hat. In Ludwigsburg hat das Bubbles Café eine eigene Rösterei.