Schiff mit Rolex-Shop Schwimmender Luxus

Elegant wie eine Luxusjacht: die „Explora I“ Foto: Explora Journeys/Ivan Sarfatti

Der Markt für exklusive Törns wächst. Ein neuer Mitspieler im gehobenen Segment ist Explora Journeys. Was bekommt man auf Edel-Kreuzfahrten geboten?

Leben: Susanne Hamann (sur)

Seetag. Irgendwo im Mittelmeer. Wo sind sie nur alle? Am Astern-Pool am Heck lümmeln eine Handvoll Passagiere, die meisten Liegen sind nicht mal mit Handtüchern belegt. Dabei ist das hier der zweifellos schönste Platz auf dem ganzen Schiff. Zwei halbwüchsige Jungs dümpeln einsam im Wasser und schauen durch die bodentiefe Glasscheibe hinaus aufs Meer, das von den Schiffsschrauben fotogen aufgewühlt wird.

 

Neun Sorten Bier, plus zwei vom Fass

Der Mitarbeiter an der Poolbar freut sich über jede Abwechslung und packt auf die Frage eines Gastes, welches Bier es an Bord gäbe, sämtliche verfügbaren Flaschen und Dosen auf die Theke. Es sind genau neun verschiedene Sorten, plus zwei vom Fass. Weil es noch zu früh ist für einen Aperitif, räumt er die Auswahl kurz darauf ebenso engagiert wieder zurück in die Kühlschubladen, ungeöffnet. Der Gast wollte ja eigentlich nur kurz in die Karte schauen.

Die „Explora I“ ist das erste Schiff von Explora Journeys, dem neuen Luxus-Lifestyle-Label von MSC Cruises. Das Familienunternehmen mit Sitz in Genf gehört den Apontes, italienischstämmigen Industriellen, die ihr Vermögen erst mit Frachtern, dann mit Fähren und dann mit Kreuzfahrtschiffen gemacht haben. Vor fünf Jahren wurde die zweite Marke neben MSC Cruises gegründet: Explora Journeys. Der Einstieg ins gehobene Seereisengeschäft ist ein logischer Schritt, denn seit der Pandemie ist die Nachfrage nach exklusiven Reisen stark gestiegen. Man umgarnt erfahrene Kunden, aber auch solche, die eigentlich nie im Leben auf Kreuzfahrt gehen wollten: zu voll, zu laut, zu unpersönlich.

Der Astern Pool ist einer von drei Bademöglichkeiten an Bord. Foto: Explora Journeys/Iv/an Sarfatti

Das elegante Schiff mit dem blauen Rumpf hat nichts mit der Kitschhölle von Dampfern amerikanischer Bauart zu tun. Schokobraunes Holz, vanillecremefarbene Teppiche, Art-déco-inspirierte Leuchten aus Glas und glänzendem Chrom. Die „Explora I“ ist geschmackssicher gestaltet, ohne das teils überladene Bling-Bling-Design ihrer großen Cousinen aus der MSC-Flotte. Vorbild war die private Jacht der Familie Aponte. „Explora Journeys wurde von unseren ganz persönlichen Reisewünschen inspiriert. Wir wollen unseren Gästen einen unvergleichlichen Rückzugsort auf dem Meer bieten“, sagt Pierfrancesco Vago, Vorstandsvorsitzender der Abteilung für Kreuzfahrten und Personenverkehr der MSC Group und Schwiegersohn von Firmenchef Gianluigi Aponte.

Die Apontes haben Großes vor: Bis 2028 soll es sechs Exklusivliner geben. Insgesamt werden 3,5 Milliarden Euro investiert. Anfang August 2024 hätte eigentlich die bis auf wenige Details baugleiche „Explora II“ an den Start gehen sollen, doch die Auslieferung verzögert sich um einen Monat. Ab Nummer drei gibt es eine Planänderung. „Diese Schiffe sind 19 Meter länger als ,Explora I‘ und ,Explora II‘, weil sie mit LNG angetrieben werden und die Tanks Platz brauchen“, sagt Kapitän Diego Michelozzi.

Die Lobby befindet sich in einem großen Atrium. Foto: Hamann

Das Unternehmen hat sich für diese Anpassung entschieden, weil der klimafreundlichere Treibstoff Flüssiggas sich nun mehr und mehr in der Branche durchsetzt und auch in kleineren Häfen verfügbar ist. Der Kapitän schwärmt von einem „fantastischen Schiff“. Es sei „der Ferrari auf See“. Auf der Brücke wechselt er sich ab mit seinen Kollegen Pietro Sinisi und Serena Melani, einer der wenigen Frauen in dieser Topposition weltweit.

Der wahre Luxus ist viel Platz

Kostenlosen Champagner rund um die Uhr schenken viele aus. Was auf den Weltmeeren wirklich zählt, ist Platz. Anspruchsvolle und zahlungskräftige Urlauber wünschen sich Raum zur persönlichen Entfaltung. Und ausbreiten kann man sich auf der „Explora I“ wahrhaftig. Die kleinste buchbare Koje namens „Ocean Suite“ misst 35 Quadratmeter – doppelt so groß wie eine Durchschnittskabine eines Massenmarktkahns. Die „Owner’s Residence“ übertrifft mit 280 Quadratmetern viele Einfamilienhäuser.

Die „Ocean Suite“ ist die kleinste Kabinenkategorie – 35 Quadratmeter groß Foto: Explora Journeys

Die Details in den Kabinen sind durchdacht: eine gummiummantelte Kleiderstange sorgt dafür, dass die Bügel nicht bei Seegang aneinander klappern, was nachts ziemlich nervtötend sein kann. Das Smartphone wird auf einer in den Nachttisch eingelassenen Induktionsvorrichtung aufgeladen. Wer nachts ins Bad möchte, findet spielerisch den Weg, denn sofort springt die LED-Beleuchtung an, gesteuert von einem Bewegungsmelder. Allerdings macht das Licht auch hellwach.

Siebträgermaschine auf der Kabine

Die Bademäntel kuschelweich, das Bett riesig und bequem, es gibt eine fancy Siebträgermaschine des italienischen Labels Illy in jeder Kabine, für deren Bedienung ein Ingenieurstudium hilfreich wäre. Doch wer sich hartnäckig durchkämpft, wird mit wundervollem Espresso belohnt. Den genießt man am besten auf der großzügigen Terrasse, wo eine bequem gepolsterte Récamiere zum Verweilen einlädt. Im Büfettrestaurant nimmt man sich nicht einfach selbst das Essen, es wird von den Köchen hinter der Glastheke frisch zubereitet und über den Tresen gereicht. Also mehr ein Abhol- als ein Selbstbedienungsrestaurant.

Die erste Rolex-Boutique auf See befindet sich an Bord der „Explora I“. Foto: Hamann

Für eine Nacht auf der „Explora I“ zahlt man so viel wie anderswo für eine Woche Seereise in der Innenkabine. Die Shops an Bord sind ganz auf die exklusive Klientel eingestellt. An Bord gibt es die erste Rolex-Boutique auf See.

Etwas mehr als 600 Passagiere verteilen sich erstaunlich gut auf der „Explora I“. Das unter maltesischer Flagge fahrende und in der Fincantieri-Werft im italienischen Monfalcone gebaute Kreuzfahrtschiff könnte bei maximaler Auslastung 922 Gäste aufnehmen – doch selten sind sämtliche Kabinen samt allen verfügbaren Zustellbetten voll belegt. Auf dieser Reise beträgt der Betreuungsschlüssel 1:1 statt wie sonst üblich 1:1,25. Egal, wo auf Deck man geht oder steht: Alle paar Minuten erscheint ein freundlicher Mitarbeiter wie der Geist aus der Flasche und fragt, ob man einen Wunsch habe. Eine surreale Erfahrung in Zeiten, wo an Land selbst in Luxushotels das Personal so knapp ist und man auf die Getränke beim Frühstück eine halbe Stunde warten muss.

Der Med Yacht Club ist eines von sechs Restaurants an Bord. Foto: Explora Journeys

Carla, eine kontaktfreudige Psychologin aus Monterrey in Mexiko, sitzt auf ihrem Stammplatz im Café auf Deck 5, Steuerbord. Sie ist ganz begeistert: „Man muss auf dem Schiff nirgends anstehen oder warten. Das ist wirklich sehr angenehm.“ Da sei sie von den Megalinern der US-Reedereien ganz anderes gewohnt. Hier bestellt sie oft einen schwarzen Kaffee mit zwei Päckchen Stevia-Zucker mehr, als sie eigentlich vorhatte. Wenn man halt so nett gefragt wird . . . Durch das offene Atrium sieht man, wie ein Stockwerk tiefer in der Lobby jemand die Wedel der Honigpalmen poliert. Konzentriert und voller Hingabe, Segment für Segment. Es sind sicher einige Hundert Fiederblätter.

Die „Explora I“ ist ein schwimmendes Boutiquehotel

Als Gast fühlt man sich mehr wie im Hotel und nicht wie auf einem Schiff. Das liegt auch an den Bezeichnungen: Man wohnt in der Suite statt in der Kabine, heißt Gäste statt Passagiere willkommen, und die Crewmitglieder nennen sich Hosts statt Stewards. Die Gastgeber wurden von der EHL Hospitality Business School, einer Hotelfachschule in Lausanne, mit der Explora Journeys kooperiert, geschult. Um Personal zu akquirieren, hat das Unternehmen Headhunter in Fünf-Sterne-Hotels in den Emiraten und in Luxus-Lodges nach Südafrika und Kenia geschickt. „Bei der Auswahl der Mitarbeiter wird sehr auf die Persönlichkeit geachtet“, sagt Generalmanagerin Heike Berdos. Die gebürtige Bonnerin arbeitet seit 2022 bei Explora Journeys, davor war sie Hoteldirektorin bei anderen Kreuzfahrtunternehmen wie Azamara Cruises, Celebrity Cruises und MSC Cruises. Auf der „Explora I“ ist sie „für alles zuständig – außer für die Brücke und den Maschinenraum“.

Superschnelles Wi-Fi für alle

Explora Journeys rühmt sich, seine Mitarbeiter gut zu bezahlen und ihnen möglichst viele Annehmlichkeiten zu bieten. Das Geheimnis sei das Internet. „Die Crew kann ein ebenso gutes Wi-Fi nutzen wie die Gäste. Das ist sehr wichtig, um Kontakt mit der Familie daheim zu halten“, sagt Kapitän Diego Michelozzi. Die „Explora I“ wird von Starlink versorgt, dem Satellitennetzwerk des US-Raumfahrtunternehmens SpaceX. Elon Musk sei Dank kann man sogar auf hoher See problemlos surfen, Videokonferenzen abhalten oder Filme streamen. Vielleicht ist das die Erklärung: Die am Pool vermissten Gäste schauen Netflix auf dem Zimmer.

Info

Edle Seereisen
Eine Nacht auf der „Explora I“ kostet ab 650 Euro pro Person, darin sind fast alle Speisen und Getränke enthalten. Aufpreispflichtig ist etwa das vom italienischen Starkoch Mauro Uliassi konzipierte Fine-Dining-Restaurant Anthology. Das im Sommer 2023 gestartete Unternehmen Explora Journeys (https://explorajourneys.com) konkurriert mit bereits etablierten Luxuskreuzfahrtanbietern wie Silver Sea (www.silversea.com), Hapag-Lloyd Cruises (www.hl-cruises.de) oder Seabourn (www.seabourn.com).

Hotelschiffe
Dazu kommen neue Mitbewerber in Gestalt von Edelhotelketten, die eigene kleine Glamour-Gourmet-Schiffe ins Rennen schicken. Bereits am Start ist Ritz-Carltons Superjacht „Evrima“ (www.ritzcarltonyachtcollection.com). Accor, Aman, Four Seasons und neben Ritz-Carlton auch weitere Luxusmarken der Marriott-Gruppe wollen in den nächsten zwei Jahren nachziehen.

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