Die Rolling Stones haben in der Berliner Waldbühne gespielt und ihren 22 000 begeisterten Hörern ein paar große Momente beschert. Dazu beigetragen hat vor allem ihr ehemaliger Leadgitarrist Mick Taylor, der jetzt wieder mit auf der Bühne stand.

Berlin - Mit dem Konzert der britischen Blues- und Honkytonkgruppe The Rolling Stones ist am Dienstag in der Waldbühne die pfingstliche Classic-Rock-Gedenkkonzerttrilogie in Berlin zu Ende gegangen. Zuvor waren die US-amerikanischen Schmuddelrockveteranen von Aerosmith in der Mehrzweckhalle am Ostbahnhof zu sehen gewesen sowie die britischen Satansrockpioniere Black Sabbath in der Wuhlheide. Im Rückblick auf die drei ausverkauften Abende ist festzuhalten, dass der Auftritt von Black Sabbath der beste war, der von Aerosmith der schwächste. Die Stones erspielten sich am dritten Tag einen Platz im Mittelfeld.

 

Der 1962 in London gegründeten Band gelang ein musikalisch insgesamt zwar durchwachsener, doch mit einigen sehr guten Momenten geschmückter Abend. Das Publikum zeigte sich durchweg begeistert, wobei es unter den 22 000 Zuschauern sogar einige gab, die jünger als fünfzig aussahen. Knapp zweieinhalb Stunden lang spielten die Rolling Stones sich durch ihr Repertoire, von frühen Erfolgen wie „I Can’t Get No Satisfaction“ über „Gimme Shelter“ und „Miss You“ bis zu dem recht neuen Stück „Doom and Gloom“ von der 2012er Greatest-Hits-Kompilation „Grrr!“ Der Schwerpunkt lag aber klugerweise nicht auf neueren Stücken – die sind meist nicht so toll –, sondern auf Liedern aus den sechziger und frühen siebziger Jahren, insbesondere aus dem Album „Let It Bleed“.

Der Leadgitarrist der Gruppe, Keith Richards, trug ein grünes Hemd und grüne Schuhe und ein Stirnband in den Landesfarben Jamaikas. Er brachte es fertig, sich bereits im ersten Akkord des ersten Stückes an diesem Abend, „Start Me Up“, deutlich vernehmbar zu verspielen, was im Publikum aber niemanden störte. Der zweite Gitarrist Ron Wood trug eine blaue Jacke und rote Schuhe und hielt sich weitgehend im Hintergrund. Dass er sich auch im Alter von 67 Jahren von seiner scheußlichen Vokuhilafrisur nicht zu trennen gedenkt, zeugt von Würde und Stolz ebenso wie von mangelndem Interesse am eigenen Aussehen. Der Schlagzeuger Charlie Watts hatte wie immer ein rotes T-Shirt an und bediente sein Instrument mit derart spitzen Fingern und langen Stöcken, dass er auch nach 52 Jahren Zugehörigkeit zur Band so wirkte, als säße er zum allerersten Mal an diesem Platz. Mick Jagger kam in einem silbern glitzernden Jäckchen auf die Bühne und begrüßte sein Publikum mit einigen eigens erlernten Worten in der Landessprache: „Guten Abend Deutschland!“ – „Was für ein schöner Ort!“ – „Mehr Deutsch kann ich leider nicht!“

Plötzlich rundet sich alles harmonisch

Der faszinierendste Aspekt an Jaggers Auftritt war ohne Zweifel der Umstand, dass seine Haare auch bei kompletter Windstille von der Stirn stramm nach hinten wegwehen, als stünde er vor einem Ventilator. Eher nicht so stramm schlenderten die Stones im Ganzen hingegen in der ersten Hälfte des Abends durch Klassiker wie „Honky Tonk Woman“ oder „Tumbling Dice“. Das selten live aufgeführte und darum von den Fans begeistert bejubelte „Waiting On A Friend“ wurde von einem fettig glänzenden Saxofon zugesülzt. In „Out Of Control“ von dem Spätneunziger-Schreckenswerk „Bridges of Babylon“ bedrängte Jagger seine Hörer dann auch noch mit einem fiesen Mundharmonikasolo. Keith Richards schließlich pickte die Töne zunächst so sparsam und mit so angewiderter Miene aus seinem Gerät, dass man dachte, dass er Gitarren eigentlich gar nicht mag.

Dieser nicht ganz vorteilhafte Gesamteindruck änderte sich erst mit „Midnight Rambler“; hierzu kam der ehemalige Leadgitarrist, Mick Taylor, mit auf die Bühne und zeigte, wie man das Instrument kompetent bedient. Unfassbar, wie beiläufig, unaufdringlich und doch hoch energetisch er seine ornamentalen Bluesfiguren aus dem Griffbrett zu fingern verstand; erstaunlich aber vor allem, wie die bis dahin auseinanderdriftende Band sich unter seiner Regie plötzlich rundete, wie die Musik in einen Puls fand und auch Jaggers etwas verklemmt wirkendes Getänzel sich geschmeidig ins Ganze fügte.

Apokalyptische Unheimlichkeit

Danach verschwand Taylor zwar sogleich wieder, doch schien nun der Knoten geplatzt: Es folgte eine fabelhaft druckvolle Version von „Miss You“ von der 1978er Post-Disco-Rock-Platte „Some Girls“. Und dem folgenden „Gimme Shelter“ fehlte zwar die modernistisch-skelettierte Anmutung, die Keith Richards einst mit seiner Gitarre zu erzeugen vermochte. Doch im Duett von Mick Jagger und der grandiosen Chorsängerin Lisa Fischer erblühte der Song wenigstens gegen Ende in seiner ganzen apokalyptischen Unheimlichkeit.

Die Folge dieser guten, manchmal gar großen Momente währte etwa ein halbes Stündchen; dann sackte die Spannung allmählich wieder in sich zusammen. Da konnte auch Taylors zweiter Auftritt nicht helfen, der zur letzten Zugabe „Satisfaction“ zurück auf die Bühne kam. Dieses Stück ist derart totgenudelt, dass es auch nichts hilft, wenn man es von einer großen Besetzung mit Klangschlick zuschmieren lässt. So fand dieses doch ganz schöne Konzert leider zu keinem gelungenen Schluss.