Ob im Sportstadion oder im Hausgarten, Rollrasen setzt sich immer mehr durch. Die Vorteile gegenüber eingesätem Rasen sind enorm.

Stuttgart - Die Sonne steht tief über dem Horizont, der Tag ist noch jung. Auf dem Acker mitten im Strohgäu in der Nähe von Stuttgart wird schon gearbeitet. Bahn für Bahn fährt die Erntemaschine über das Feld und zieht ihr 40 Zentimeter breites Schälmesser durch den Boden. Das Erntegut gleitet im Fahrzeug eine schräge Rampe empor, wird nach genau 2,50 Meter Länge abgeschnitten und anschließend automatisch aufgerollt. Voilà, ein Quadratmeter Rollrasen ist fertig.

 

Der Traktor mit dem Anhänger wartet schon, auf dem die Rollen - immer 50 Stück auf einer Palette - abtransportiert werden. Jetzt muss es schnell gehen, denn der Rasen sollte 24 Stunden nach dem Abschälen seine neue Heimstatt gefunden haben. "Wir verkaufen ein Frischeprodukt", betont Steffen Lang, der zusammen mit Georg Haas die Firma TerraGrün leitet, die sich auf Rollrasen spezialisiert hat.

Boomendes Geschäft

Der promovierte Agrarwissenschaftler Lang schwört auf die regionale Vermarktung seines Grasteppichs. "Der Rasen ist an seinen Anzuchtboden gewöhnt", meint er, deshalb würden die Pflanzen auf ähnlichem Untergrund auch am besten anwachsen und gedeihen. Seine Gräser bevorzugen eher lehmhaltigen Boden, wie er in der Region Mittlerer Neckar vorkommt. Bei seinem früheren Arbeitgeber, einer holländischen Firma, hat er viele Reklamationen erlebt. "Die haben dort einen sauren Anzuchtboden. Wird der Rollrasen dann auf einen Untergrund mit höherem pH-Wert ausgelegt, gibt es Schwierigkeiten."

Immer mehr Privatleute und Kommunen greifen auf Rollrasen zurück, wenn sie ihre Hausgärten, Parks oder Sportanlagen begrünen wollen. Schon vom ersten Tag an stimmt die Optik: dichtes und unkrautfreies Grün. Die Fläche ist sofort begehbar und nach zwei bis drei Wochen Anwuchszeit auch belastbar.

Was für ein Unterschied zum eingesäten Rasen: Hält das Wetter? Keimt die Saat? Wie viele Unkräuter siedeln sich zeitgleich mit den Graspflanzen an? Lauter Fragen, die erst nach Wochen und Monaten beantwortet werden. Dennoch wurde in Deutschland jahrzehntelang nach dem Krieg erst einmal nur Saatgut verkauft. Langsam kam der Umschwung, und derzeit ist gerade in den Ballungsgebieten die Nachfrage nach dem fertigen Grün von der Rolle groß. So groß, dass die Leute von Terra-Grün in den Frühjahrsmonaten eine 60- bis 70-Stunden-Woche haben. Dann wird, immer nur nach Vorbestellung, geerntet, was die riesigen Rasenflächen hergeben. Dazu kommt die Pflege der restlichen Grasfelder.

Die Mischung machts

Alle Pflanzen, die von den Deutschen als Gras bezeichnet werden, gehören botanisch gesehen zu den Süßgräsern. Zu dieser riesigen Familie innerhalb der Blütenpflanzen gehören sämtliche bei uns verbreiteten Getreidearten, aber auch zum Beispiel Bambus, Zuckerrohr oder das als Gewürz genutzte Zitronengras. Auf unseren Wiesen, Weiden und Rasenflächen ist das Wiesen-Rispengras - Poa pratensis, wie die Experten es nennen - vorherrschend. Auch in den Rasenmischungen von Steffen Lang spielt es eine große Rolle. Die Blätter der Wiesenrispe haben eine frisch-grüne Farbe und sind mit fünf Millimetern relativ breit. Poa pratensis wächst langsam, ist dafür aber strapazierfähig und belastbar. Zweiter im Bunde, zumindest im Sportrasen, ist das Deutsche Weidelgras (Lolium perenne). Es hat schmalere, dunkelgrüne Blätter, ist ein wenig frostempfindlich, wächst dafür aber bei guter Düngung geradezu rasant. Wenn auf dem Fußballplatz beim Grätschen die Rasenfetzen fliegen, ist es dem Weidelgras zu verdanken, dass sich die Lücken anschließend schnell wieder schließen.

Als dritter Bestandteil im Sport- und Freizeitrasen kommt das Rotschwingelgras (Festuca rubra) hinzu. Seine Blätter sind relativ fein, wie es zum Beispiel auf dem Golfgreen gern gesehen wird, dazu verträgt es auch ein wenig Trockenheit. In welchem Mischungsverhältnis diese Gräser in den verschiedenen Rasentypen vorkommen und welche speziellen Sorten jeweils verwendet werden, bleibt das Betriebsgeheimnis der Rollrasenhersteller.

Bei der Ernte werden die Graswurzeln im Boden in zwei Zentimetern Tiefe mit einem parallel zur Oberfläche geführtem Messer durchtrennt. Jetzt zeigt sich, ob die unterirdischen Wurzelausläufer der Gräser ganze Arbeit leisten. Sie sind es nämlich, die die Grassoden beim Hochheben und Aufrollen zusammenhalten. Ohne dieses Wurzelgeflecht dicht unter der Bodenoberfläche fielen die Rasenstücke auseinander, da würde auch die lehmige Erde nicht viel helfen. Die Holländer verstärken ihre Grassoden inzwischen mit Netzen im Boden. "Da müssen Sie das Ganze später bei einer Neugestaltung des Gartens auf die Müllkippe bringen", empört sich Lang. Sein Rollrasen hat derartige Unterstützung nicht nötig. Nach kurzem Transport und Verlegung auf fachmännisch vorbereitetem Untergrund steht dem neuen Grün nichts im Weg. Bis es allerdings so weit ist, hat der Rasen bei Steffen Lang schon eine längere Lebens- und Trainingszeit hinter sich. Nach den Regeln der Fruchtfolge werden die Äcker abwechselnd mit Getreide, Zuckerrüben und schließlich mit Gras bestellt. Diese Dreijahresfolge muss sein, andernfalls verdichtet sich der Boden durch die häufige Maschinenbearbeitung des Rollrasens zu sehr. Mindestens 20000 Samenkörner der Gräsermischung werden pro Quadratmeter ausgebracht. Etwa eineinhalb Jahre darf das Gras anschließend wachsen. Dabei wird es regelmäßig gewässert, dreimal gedüngt und mindestens 60 Mal gemäht. Diese Prozedur überlebt kein Unkraut.

Was beim Stadionrasen anders ist

Untergrund Fernsehtauglicher Rollrasen wird anders produziert als der übliche Spiel- und Freizeitrasen. Da in den Fußballstadien ein sandiger Unterbau vorherrscht, sollte der Sportrasen auf ähnlichem Boden angezogen werden. Die verlegten Grasbahnen sind nicht nur viel breiter, sie werden auch etliche Zentimeter tiefer abgeschält. Dadurch liegt der Rasen schwerer auf der Unterfläche und ist schneller belastbar.

Kosmetik Laut Fußballverand dürfen die Grashalme bei Spielen nur 2,3 Zentimeter lang sein. Die abwechselnd hell- und dunkelgrünen Bahnen, die man als TV-Zuschauer sieht, haben nichts mit der Rasenanzucht zu tun. Der Grasteppich wird lediglich am Spieltag noch einmal mit einem Walzenmäher geschnitten. Dadurch werden die Gräser in die eine oder in die andere Richtung geplättet. Am nächsten Tag sieht man davon nichts mehr.